Wirtschaft

Vorgaben für Amazon-Mitarbeiter Software schreibt automatisch Kündigungen

Der Mensch als Maschine: Manche Amazon-Mitarbeiter beklagen sich, sie würden überwacht und gesteuert wie Roboter.

Der Mensch als Maschine: Manche Amazon-Mitarbeiter beklagen sich, sie würden überwacht und gesteuert wie Roboter.

(Foto: REUTERS)

Amazon steht immer wieder wegen harter Arbeitsbedingungen in seinen Warenlagern in der Kritik. Zwar betont der Konzern, welche Vorteile er seinen Mitarbeitern biete. Wer aber nicht genug leistet, wird in den USA schnell gekündigt - dabei hilft eine eigens entwickelte Software.

Versandriese Amazon setzt eine selbstentwickelte Software ein, die nicht nur die Leistung der Mitarbeiter in den Warenlagern überwacht, sondern auch automatisch Abmahnungen oder Kündigungen schreiben kann. Das geht aus Gerichtsdokumenten hervor, über die die US-Technologie-Nachrichtenseite "The Verge" berichtet. Amazon hat den Einsatz der Software im Versandzentrum in Baltimore bestätigt. In Deutschland und anderen europäischen Ländern werde kein vergleichbares System verwendet, teilte das Unternehmen auf Anfrage von n-tv.de mit.

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Die Software misst die Produktivität der Angestellten, die bestimmte Mengen von Paketen pro Stunde packen müssen. Zudem zeichnet das Programm auf, wenn Mitarbeiter ihre Arbeit etwa für Pausen oder Toilettengänge unterbrechen. Werden bestimmte Zielvorgaben bei Produktivität und Pausen nicht erreicht, warnt das System und formuliert im äußersten Fall automatisierte Kündigungen. Wie Amazon betont, müssen diese allerdings von einem Vorgesetzten aus Fleisch und Blut bestätigt und persönlich überreicht werden.

Zudem betont der Konzern, dass Mitarbeiter trainiert und begleitet werden, um die Zielvorgaben zu erfüllen. Die Zahl derjenigen, die diese Vorgaben nicht erfüllen und deshalb ihren Job verlieren, ist zumindest im Lager in Baltimore allerdings hoch. Dem "Verge"-Bericht zufolge entließ Amazon in dem Versandzentrum zwischen August 2017 und September 2018 rund 300 Mitarbeiter. Das sind mehr als zehn Prozent der Belegschaft innerhalb von etwas mehr als einem Jahr.

In den USA ist Amazon in den vergangenen Jahren immer wieder wegen des angeblich hohen Drucks auf die Mitarbeiter in die Schlagzeilen geraten. Berichten zufolge hatten Mitarbeiter teilweise auf Toilettengänge verzichtet und sogar in Flaschen am Arbeitsplatz oder in ihren Lieferwagen uriniert, um Zeit zu sparen. Auch in Deutschland waren Amazon immer wieder schlechte Arbeitsbedingungen in seinen Versandzentren vorgeworfen worden.

Keine Entlassung "ohne sehr guten Grund"

Das weist der Konzern allerdings mit Hinweis auf "wettbewerbsfähige" Löhne und "umfangreiche Zusatzleistungen" vehement zurück. Gegenüber n-tv.de betont Amazon auch die nach eigenen Angaben guten Arbeitsbedingungen in den Versandlagern. Man habe  "wie alle Unternehmen" Erwartungen "hinsichtlich der Leistung an unsere Mitarbeiter". "Bei uns werden Produktivitätsrichtwerte nach objektiven und realistischen Gesichtspunkten festgelegt und über längere Zeiträume evaluiert", teilt ein Sprecher mit. Da Amazon weiter wachse und mehr Mitarbeiter benötige, sei es im Unternehmensinteresse, "unsere Belegschaft langfristig zu beschäftigen und ihnen neue Möglichkeiten zur Weiterentwicklung in unserem Unternehmen zu bieten. Wir entlassen keine Mitarbeiter ohne sehr guten Grund."

Die "The Verge" vorliegenden Gerichtsunterlagen zeichnen jedoch für das Lager in Baltimore ein anderes Bild. In dem inzwischen eingestellten Verfahren ging es um die Klage eines Mitarbeiters, der Amazon vorwarf, rechtswidrig als Bestrafung gekündigt worden zu sein, weil er sich über die zu hohen Zielvorgaben beklagt hatte. Amazon argumentierte vor Gericht dagegen, dass er nicht produktiv genug gewesen sei und wies dabei ausdrücklich darauf hin, dass derartige Entlassungen an der Tagesordnung seien. In dem Brief eines Anwalts des Unternehmens heißt es, dass Amazon "konsequent Mitarbeitern in Versandcentern wegen wiederholten Nichterfüllens der standardisierten Produktivitätsraten kündigt".

Quelle: ntv.de, mbo

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