Wirtschaft

Athen-Pleite könnte Billion kosten Schuldenschnitt droht zu scheitern

Griechenlands Premierminister Lukas Papademos: Die Troika rechnet mit einem Scheitern des Schuldenschnitts.

Griechenlands Premierminister Lukas Papademos: Die Troika rechnet mit einem Scheitern des Schuldenschnitts.

(Foto: REUTERS)

Der Poker um Griechenlands Schuldenschnitt geht in die heiße Phase: Die EU und Insider stellen sich offenbar auf ein Scheitern des freiwilligen Haircuts ein. Der Weltbankenverband warnt in einem Horroszenario vor unabsehbaren Konsequenzen an den Finanzmärkten: Bis zu 1000 Mrd. Euro könnte die unkontrollierte Griechenland-Pleite kosten.

Die Eurogruppe, die Europäische Zentralbank (EZB) und der Internationale Währungsfonds (IWF) stellen sich laut einem Medienbericht auf einen erzwungenen Umtausch von griechischen Staatsanleihen ein. "Wir rechnen damit, dass die freiwillige Beteiligung nicht ausreicht, um die Aktivierung der CACs zu vermeiden", hieß es laut "Financial Times Deutschland" aus Kreisen der "Troika". CACs ("Collective Action Clauses") sind Zwangsklauseln, mit denen ein Verzicht privater Gläubiger erzwungen werden kann. Auch die griechische Regierung rechne mit einer Beteiligung von lediglich 75 bis 80 Prozent der Gläubiger, sagten Personen, die direkte Kenntnis von den Vorhängen haben. Es werde daher damit gerechnet, dass die Regierung die nachträgliche Zwangsumschuldung aktivieren werde.

Damit würde aus der freiwilligen eine erzwungene Umschuldung, durch die auch Kreditausfallversicherungen (CDS) fällig werden könnten. Griechenland will auf die Zwangsumschuldung nur verzichten, wenn seine Gläubiger über 90 Prozent der ausstehenden Anleihen in privater Hand in Höhe von 206 Mrd. Euro zum Umtausch anbieten. Nach jetzigem Stand der Dinge werde das sogenannte "Buch der Willigen" zum Schuldenschnitt bis Donnerstag um 21.00 Uhr deutscher Zeit geöffnet sein, hieß es aus dem Finanzministerium. Dann wollen die zuständigen Entscheidungsträger in Athen und der Eurogruppe eine Bilanz ziehen. Am Freitag soll dann die Eurogruppe entscheiden, wie es weiter gehen soll. Dann könnte auch die Entscheidung fallen, Gläubiger zum Forderungsverzicht per Gesetz zu  zwingen.

Märkte zittern

Hoffnung sieht anders aus: Börsianer fürchten einen harten Schuldenschnitt.

Hoffnung sieht anders aus: Börsianer fürchten einen harten Schuldenschnitt.

(Foto: AP)

An den Märkten kursieren - von Athen inzwischen inzwischen dementierte - Gerüchte, dass die Annahme-Frist für den Anleihe-Tausch wegen der sich abzeichnenden geringen Beteiligung verlängert werden soll. Der Euro fiel zeitweise auf ein Zweieinhalb-Wochen-Tief von 1,3129 Dollar und kostete damit knapp einen US-Cent weniger als zum New Yorker Vortagesschluss. Auf der Suche nach einem "sicheren Hafen" nahmen einige Anleger Kurs auf die Weltleitwährung. Der Dollar-Index stieg um bis zu 0,6 Prozent. Auch die Aktienmärkte gingen auf Talfahrt. Der Dax verbuchte den stärksten Tageseinbruch des Jahres.

Griechenlands Finanzminister Evangelos Venizelos hatte noch am Montag seine Entschlossenheit betont, private Gläubiger notfalls zum Schuldenschnitt zu zwingen. Er erwarte zwar, dass die Anleihe-Investoren auf das unterbreitete Angebot eingehen, sagte Venizelos. Falls der Forderungsverzicht jedoch nicht auf freiwilliger Basis zustande komme, sei man bereit, ihn mit Umschuldungsklauseln zu forcieren. Die griechische Regierung zeigt sich daher weiter zuversichtlich über den Verlauf des Schuldenschnitts: "Wir bleiben optimistisch. Viele Halter von Staatsanleihen haben sich bereits gemeldet", sagte ein Mitarbeiter von Venizelos. Genaue Zahlen nannte er nicht. Die Banken und auch andere Geldinstitute hätten eine "einmalige Chance" einen Schlussstrich unter der Ungewissheit zu ziehen. Hinter vorgehaltener Hand hieß es aus Kreisen des Finanzministeriums, dass niemand riskieren werde, alles zu verlieren, sollte der angepeilte Schuldenschnitt nicht erfolgreich sein.

Auch Fresenius soll tauschen

Fresenius St
Fresenius St 27,66

Wie sehr Athen um jeden einzelnen beteiligten Gläubiger ringt, zeigt sich nicht nur bei großen Finanzakteuren, sondern auch in Bad Homburg: Der Gesundheitskonzern Fresenius, der Ende 2010 Forderungen an griechische Krankenhäuser und die staatliche Krankenversicherung gegen Anleihen getauscht hatte, wurde von Athen aufgefordert, sich am Schuldenschnitt zu beteiligen. Fresenius will nun prüfen, ob es sich am Tausch beteiligt.

Fresenius hatte 2010 einen Forderungsbestand im mittleren zweistelligen Millionen-Bereich gegen spezielle griechische Anleihen, sogenannte Zero-Bonds, getauscht. Einen Großteil der Papiere habe der Konzern bereits verkauft und die übrigen Bonds wertberichtigt, erklärte der Sprecher. "Wir erwarten deshalb keine signifikanten Folgen auf unser Ergebnis", betonte er. Die Prognose für 2012 habe weiter Bestand. Bisher war Fresenius davon ausgegangen, nicht von der vereinbarten Umschuldung des Landes betroffen zu sein. "Unser Verständnis ist, dass wir an dem Schuldenschnitt nicht beteiligt werden", sagte Fresenius-Finanzchef Stephan Sturm vor drei Wochen bei der Bilanzpressekonferenz des Unternehmens.

Was treiben die Schattenbanken?

Das Problem ist, dass viele Griechenland-Anleihen inzwischen nicht mehr bei Banken liegen, sondern ins Schattenbankensystem abgewandert sind: Hedge Fonds und andere schlecht beaufsichtigte Finanzinstitute haben die Forderungen aufgekauft. Diese Fonds versuchen mit den Anleihen nun ein hochprofitables Geschäft zu machen - auf Kosten der Gläubiger, die sich freiwillig am Schuldenschnitt beteiligen wollen. Denn wenn genug Banken Griechenland seine Schulden erlassen, kann das Land seine Forderungen bei den Hedge Fonds wieder bedienen, die beim Schuldenerlass nicht mitmachen. Als Trittbrettfahrer würden die Fonds durch die Verluste der Banken selbst Milliardengewinne einfahren – sie haben den klammen Instituten ihre Griechenland-Forderungen meist weit unter Marktwert abgekauft.

Sollte der freiwillige Schuldenschnitt scheitern, würde aus der geplanten Umschuldung eine unkontrollierte Staatspleite Griechenlands. Der Weltbankenverband IIF schlägt deshalb Alarm – wohl auch um Druck auf die Hedge Fonds und Finanzinstitute zu machen, die sich dem Schuldenschnitt bislang verweigern, weil sie als Trittbrettfahrer dabei Spekulationsgewinne einfahren wollen. In einem vertraulichen Dokument vom 18. Februar warnt der von Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann geführte Verband eindringlich vor den drastischen Folgen eines Scheiterns der Umschuldung. Es sei schwer, die Folgekosten eines gescheiterten Schuldenschnitts für alle Beteiligten genauer zu beziffern, "aber es ist kaum absehbar, dass sie unter einer Billion Euro lägen", heißt es in dem Dokument.

Der Bankenverband malt ein Horrorszenario: Wenn Griechenland falle, bräuchten Italien und Spanien externe Hilfe, um eine Ansteckung zu verhindern und ein Übergreifen der Krise auf beide Länder zu vermeiden. Der EZB drohten beträchtliche Verluste: Sie sei allein mit 177 Mrd. Euro in Griechenland engagiert - mehr als das Doppelte ihrer Kapitalbasis. Irland und Portugal bräuchten bei einer griechischen Staatspleite in den nächsten fünf Jahren 380 Mrd. Euro, Italien und Spanien weitere 350 Mrd. heißt es in dem IIF-Dokument. Und nicht zuletzt müssten Banken dann mit gut und gerne 160 Mrd. Euro frischem Kapital wieder auf die Beine gestellt werden.        

Der Lenkungsausschuss des IIF hatte bereits erklärt, dass seine zwölf Mitglieder auf jeden Fall daran teilnähmen, darunter Deutsche Bank, Commerzbank und Allianz. Auch die meisten anderen deutschen Banken und die staatliche "Bad Bank" der HRE, FMS Wertmanagement als größter deutscher Gläubiger Griechenlands sind Finanzkreisen zufolge mit von der Partie.

Quelle: ntv.de, hvg/rts/dpa/DJ

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