Wirtschaft

Tiefschläge für neun Euro-Länder S&P teilt schlechte Noten aus

Mit dem Finger in die Wunde: In Paris deutet ein Euro/Dollar-Händler auf die Auswirkungen am Devisenmarkt.

Mit dem Finger in die Wunde: In Paris deutet ein Euro/Dollar-Händler auf die Auswirkungen am Devisenmarkt.

(Foto: AP)

Die Gerüchte treffen zu: Die Ratingagentur Standard & Poor's stuft die Kreditwürdigkeit von neun Euro-Staaten schlechter ein. Frankreich und Österreich verlieren ihre Bestnote "AAA". Italien sackt gleich um zwei Stufen ab. Die Eurozone ist in heller Aufregung. Für Deutschland findet S&P nur schmeichelhafte Worte.

Die Ratingagentur Standard & Poor's (S&P) hat an neun Euroländer - darunter Frankreich, Italien und Spanien - schlechtere Noten für ihre Kreditwürdigkeit vergeben. Deutschland behält sein Top-Rating "AAA", Frankreich und Österreich verlieren die Bestnote, was bereits zuvor offiziell geworden war.

Aufregung in der Eurozone: Die Ratingagentur S&P verteilt neue Noten (Archivbild).

Aufregung in der Eurozone: Die Ratingagentur S&P verteilt neue Noten (Archivbild).

(Foto: picture alliance / dpa)

Frankreich und Österreich wurden von der Bestnote "AAA" um je eine Stufe auf "AA+" herabgesetzt. Die Bonität von Italien, Spanien, Portugal und Zypern ging gleich um zwei Stufen in den Keller. Malta, die Slowakei und Slowenien büßten jeweils eine Notenstufe ein. Zur Begründung nannte S&P, dass die bisherigen politischen Maßnahmen unzureichend seien, um die anhaltenden Spannungen in der Eurozone wie etwa schwaches Wachstum zu beseitigen. Deutschland behielt nicht nur sein Spitzenrating, auch der Ausblick bleibt stabil. Das heißt, dass keine Herabstufung in nächster Zeit zu erwarten ist.

"Die Benotung spiegelt unsere Einschätzung von Deutschlands moderner, hoch diversifizierter und wettbewerbsfähiger Volkswirtschaft wider und die Erfolgsbilanz der Regierung mit Blick auf eine vernünftige Haushaltspolitik und Ausgabendisziplin", begründete S&P die Beibehaltung der Bestnote "AAA" für Deutschland.

Die Bundesregierung nahm die gesamte S&P-Aktion lediglich "zur Kenntnis". Finanzminister Schäuble äußerte sich bei einer Veranstaltung in Schleswig-Holstein . Das Finanzministerium erklärte am späten Freitagabend, mit der Umsetzung der Gipfelbeschlüsse vom Dezember und mit der Vereinbarung konkreter Fiskalregeln in einem verbindlichen Abkommen würden die Finanzen der Mitgliedsstaaten der Eurozone nachhaltig stabilisiert. Damit werde wieder das Vertrauen der Märkte in die Eurozone gewonnen und nachhaltig gestärkt: "Unser Konsolidierungswille und unsere Entschlossenheit, zur Überwindung der Staatsschuldenkrise im Euroraum unseren Beitrag zu leisten, stehen außer Frage", hieß es. Dies gelte in gleicher Weise auch für die Partnerländer im Euroraum: "Wir haben in jüngster Zeit erfahren, dass die Märkte dieses bereits positiv zur Kenntnis nehmen."

Zuständig für Wirtschaft und Finanzen: François Baroin bestätigt im TV das, was viele Franzosen als große Schmach empfinden.

Zuständig für Wirtschaft und Finanzen: François Baroin bestätigt im TV das, was viele Franzosen als große Schmach empfinden.

(Foto: REUTERS)

Ähnlich äußerte sich der Vorsitzende der Euro-Finanzminister, Luxemburgs Premier Jean-Claude Juncker. Der neue "Fiskalpakt" für mehr Haushaltsdisziplin der Eurostaaten solle bereits beim nächsten EU-Gipfel Ende des Monats vereinbart werden. "Wir unterstreichen noch einmal, dass die Staats- und Regierungschefs der Eurozone weitreichende Maßnahmen beschlossen haben, die - zusammen mit den Entscheidungen der EZB - dazu geführt haben, dass sich die Anspannungen am Staatsanleihen- und Interbankenmarkt unlängst deutlich abgeschwächt haben", erklärte Juncker. Die Europäische Zentralbank (EZB) hatte vor Weihnachten die Bankenbranche mit Milliardensummen geflutet, um eine Kreditklemme zu verhindern.

Im Fall Frankreichs gilt der Verlust der Bestnote als besonders problematisch, weil die Herabstufung der Bonität der zweitgrößten Euro-Volkswirtschaft auch Auswirkungen auf den Rettungsfonds EFSF für Krisenstaaten haben könnte. Juncker sagte weiter, die Eurostaaten prüften, wie der Krisenfonds EFSF für klamme Mitgliedsländer für seine Anleihen die Note "AAA" behalten könne. Der Fonds habe ausreichende Mittel, um seine Aufgabe bei derzeitigen und künftigen Programmen für Krisenländer zu bewältigen. Juncker verwies außerdem darauf, dass die EU-Regierungschefs im Dezember 2011 beschlossen hatten, die Einrichtung des ständigen Krisenfonds ESM auf Juli dieses Jahres vorzuziehen. Dieser Fonds wird 80 Mrd. Euro eingezahltes Kapital haben und deshalb unabhängiger von den Garantien der Eurostaaten sein.

Sie kennt die Lage des französischen Staatshaushalts: Valerie Pecresse (Archivbild).

Sie kennt die Lage des französischen Staatshaushalts: Valerie Pecresse (Archivbild).

(Foto: REUTERS)

S&P hatte im Dezember fast die gesamte Eurozone, darunter auch Deutschland, sowie den EFSF unter "verschärfte Beobachtung" gestellt. Eine Veröffentlichung neuer Ratings war deshalb für dieses Jahr erwartet worden. Prinzipiell gilt: Je schlechter die Kreditwürdigkeit, desto schwerer und teurer wird es für den betroffenen Kreditnehmer, sich Geld am Kapitalmarkt zu leihen. Eine Verschlechterung der Ratingnote kann damit unmittelbare Auswirkungen auf die Zinslasten eines Staatshaushaltes haben - und damit die Situation hoch verschuldeter Staaten weiter verschlechtern.

In der Eurozone haben damit außer Deutschland nur noch Finnland, Luxemburg, und die Niederlande ein Top-Rating, weltweit sind es abgesehen von Hongkong 13 Staaten. Erwartet wird, dass auch die Ratingagenturen Moody's und Fitch in nächster Zeit neue Bewertungen veröffentlichen werden.

Erste Gerüchte um eine unmittelbar bevorstehende Entscheidung von S&P waren am Nachmittag aufgekommen und hatten an den Finanzmärkten umgehend erhebliche Unruhe ausgelöst. Der Kurs des Euro sackte steil ab. Am deutschen Aktienmarkt büßte der Leitindex Dax kräftig ein.

"Von Deutschland inspirieren lassen"

Am frühen Abend hatte die Regierung in Paris Berichte über eine bevorstehende Herabstufung Frankreichs schließlich bestätigt. Der französische Finanzminister François Baroin kündigte an, die Herabstufung Frankreichs werde keine unmittelbaren politischen Konsequenzen haben. "Es sind nicht die Ratingagenturen, die Frankreichs Politik diktieren", sagte Baroin in einem Interview des Fernsehsenders "France 2". Es werde keinen weiteren Sparplan geben.

Freitag, der 13. am Aktienmarkt: De Gerüchte kamen am Nachmittag auf.

Freitag, der 13. am Aktienmarkt: De Gerüchte kamen am Nachmittag auf.

(Foto: REUTERS)

Gleichzeitig rief Baroin dazu auf, einen kühlen Kopf zu bewahren. Der Verlust der Note "AAA" sei keine gute Neuigkeit, aber auch keine Katastrophe, betonte er nach einem Krisentreffen mit Präsident Nicolas Sarkozy und anderen Spitzenvertretern der Regierung. Standard & Poor's stelle mit der Entscheidung nicht die Reformen infrage, sondern ziehe Schlussfolgerungen aus der Instabilität in der Eurozone, so der Minister. Frankreich behalte eine "exzellente Benotung".

Frankreichs Budgetministerin Valérie Pécresse verwies angesichts der Herabstufung durch S&P auf Deutschland als Vorbild. "Wir müssen uns ganz klar von Deutschland inspirieren lassen," sagte die Ministerin in einem Interview der französischen Nachrichtenagentur AFP. Das Land bleibe ein sicheres Investitionsziel und könne seine Schulden zurückzahlen, betonte Pecresse. "Die Nachrichten über unser Defizit sind besser als erwartet", fügte die Politikerin hinzu. Frankreich steht wegen seines hohen Staatsdefizits seit Monaten unter erheblichem Druck der Märkte. Angesichts der sich eintrübenden Wirtschaftslage musste die Regierung innerhalb weniger Monate zwei Sparprogramme ankündigen, um die Ziele beim Schuldenabbau einhalten zu können.

Ökonomen reagieren gelassen

Im Fall einer Herabstufung Frankreichs, der zweitgrößten Volkswirtschaft der Eurozone, hatten Beobachter zuvor mit gravierenden Auswirkungen auf die Rettungsbemühungen in der Schuldenkrise. Führende Volkswirte sahen dagegen der Herabstufung Frankreichs und anderer Euroländer gelassen entgegen. "Das wäre sicherlich ein Rückschlag für die Rettungsversuche in der Schuldenkrise, aber es wäre nicht dramatisch. Die Gerüchte kursieren schon eine Weile am Markt, eine Herabstufung käme nicht überraschend", sagte Postbank-Chefvolkswirt Marco Bargel.

Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer betonte: "Frankreichs Bonität wird nicht angezweifelt, sondern die Italiens und Spaniens." Deshalb seien nur die Refinanzierungskosten dieser beiden Länder entscheidend für die Lösung der Staatsschuldenkrise. Die Auswirkungen auf Frankreich sieht er hingegen gelassen. Auch Japan habe seine Topbonität von "AAA" längst verloren, die USA lebten prächtig mit "AA".

Viel Lärm um nichts?

Zwar sehen Bargel und Krämer die Möglichkeit, dass Börsen und andere Märkte kurzfristig reagieren könnten. Zudem werde die Refinanzierung für die betroffenen Länder und den Euro-Rettungsfonds EFSF wahrscheinlich teurer.

Doch Krämer ist überzeugt: "Schon in einer Woche würde eine Herabstufung keine große Bedeutung für die Märkte mehr haben. "AAA" ist eine aussterbende Spezies, ein zweifach-A ist die neue Realität."

Die Anleihenmärkte sieht Bargel durch die großzügige Versorgung der Banken durch die EZB mit billigem Geld vor einem Crash gesichert. "Jetzt können sich die Banken wieder refinanzieren." Die Geschäftsbanken hatten die EZB-Mittel auch genutzt, um Staatsanleihen klammer Länder wie Italien und Spanien zu kaufen. Damit verbilligte sich zuletzt die Refinanzierung beider Länder.

Quelle: ntv.de, mmo/AFP/dpa/rts

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