Wirtschaft

Börsencrash erschüttert China Peking hat ein Problem

In Shanghai ging es an der Börse steil bergab.

In Shanghai ging es an der Börse steil bergab.

(Foto: REUTERS)

Es gibt Dinge, die sind stärker als man selbst. Marktkräfte zum Beispiel. Das bekommt die Führung in Peking gerade eindrucksvoll zu spüren. Sie stemmt sich gegen den Börsencrash – und macht die Situation womöglich nur noch schlimmer.

Das nennt man wohl frühen Feierabend: Der Handel lief gerade einmal eine halbe Stunde, da konnten in China viele Börsianer bereits das Tageswerk bilanzieren und auf denkwürdige Minuten zurückblicken. Nachdem die Märkte in kürzester Zeit mehr als sieben Prozent abgestürzt waren, wurde der Handel für den Rest des Tages ausgesetzt – zum zweiten Mal in diesem Jahr, das gerade erst begonnen hat. Das sind nicht nur für Aktionäre, sondern auch für die Führung in Peking ganz schlechte Nachrichten.

Denn es sieht so aus, als könne Chinas Regierung den Ausverkauf an den Aktienmärkten nicht verhindern, sondern allenfalls verzögern. Daran ändern auch die neuen Instrumente nichts, mit denen die Führung die Märkte stabilisieren wollte. Sie waren als Reaktion auf den Börsencrash im Juni vergangenen Jahres beschlossen worden, als sich an der Börse Milliarden in Luft auflösten. Doch diese Maßnahmen sind offensichtlich nicht nur ohne ausreichende Wirkung, sie sind möglicherweise sogar kontraproduktiv.

Zu ihnen gehört, dass der Handel seit Anfang des Jahres für 15 Minuten unterbrochen wird, wenn die Börse mehr als fünf Prozent verliert. Der Handel wird für den Rest des Tages beendet, wenn die Börse daraufhin um mehr als sieben Prozent einbricht. Außerdem dürfen künftig Großaktionäre nur alle drei Monate maximal ein Prozent ihrer Anteile verkaufen, die sie an einem Unternehmen halten. Zudem müssen diese Pläne 15 Tage im Voraus angekündigt werden.

Viele Fachleute sind der Ansicht, dass China damit wenig zur Stabilität an den Märkten beiträgt. "Das ist verrückt", sagt beispielsweise Alberto Forchielli, Gründer von Mandarin Capital mit Blick auf den zweiten Handelsstopp innerhalb von vier Tagen. "Die chinesischen Behörden haben alle Hoffnungen zerstört, die die Investoren in den Markt hatten."

Andere kritisieren, dass die automatischen Handelsunterbrechungen Verluste verstärken könnten. Denn Investoren stehen bei starken Kursverlusten unter Druck, sich schnell von ihren Positionen zu trennen, bevor ein Handelsstopp Verkäufe unmöglich macht.

Hinzu kommt: Mit den neuerlichen Kurseinbrüchen schwindet das Vertrauen in die Führung Pekings, die Lage kontrollieren zu können. Als die Märkte im Sommer eingebrochen waren, hatte die Regierung bereits auf fast hilflose Weise reagiert: Investoren, die auf fallende Kurse gewettet hatten, wurden verhaftet. Auch Finanzjournalisten wurden festgenommen – unter dem Vorwurf durch "falsche Informationen" für "Panik und Unruhe" an den Aktienmärkten gesorgt und das Vertrauen der Anleger "ernsthaft untergraben" zu haben. Pensionsfonds tätigten Stützungskäufe, der Handel mit Terminkontrakten wurde eingeschränkt. Chefs von Handelshäusern und Investmentfirmen verschwinden für einige Tage und werden von Ermittlern verhört.

Doch mit all diesen Maßnahmen lässt sich das Unvermeidliche nicht verhindern: Nach den Übertreibungen nach oben will Chinas Aktienmarkt nach unten korrigieren. Fundamentale Gründe für die bis zum vergangenen Sommer anhaltende Rally gab es kaum. Vielmehr verlor das Wachstum der weltweit zweitgrößten Volkswirtschaft an Schwung.

Milliarden verpulvert

Dass Peking sich gegen Kursverluste stemmt, hat einen wesentlichen Grund: Viele Chinesen wollten an der Börsenparty teilnehmen und nahmen großzügig gewährte Kredite auf – und müssen nun mitansehen, wie sich die wunderbaren Gewinne plötzlich in Luft auflösen. Für die Staats- und Parteiführung kann das gefährlich werden, da ihr ein Legitimitätsproblem droht. Lange trieb die Regierung die Börsenwerte nach oben, damit auch Kleinanleger vom Wirtschaftswunder profitieren konnten – und nicht nur die autoritäre Elite. Goldman Sachs schätzt, dass die Regierung im Juli und August umgerechnet mehr als 230 Milliarden Dollar in den Aktienmarkt steckte, um die Verluste einzugrenzen.

Nun setzt sie offenbar auf andere Maßnahmen – mit geringem Erfolg. Die "Financial Times" zitiert vor diesem Hintergrund einen in China derzeit populären Scherz: "Viele Leute fragen sich, was es mit den Handelsunterbrechungen auf sich habe. Es ist so: Du bringst 3000 Yuan mit, um Mahjong zu spielen. In einer halben Stunde verlierst Du alles. Das Spiel wird für 15 Minuten unterbrochen, damit Du zum Geldautomaten gehen kannst und weitere 5000 Yuan abhebst. Du kommst zurück und verlierst auch dieses Geld. Dann sagt der Gewinner: 'Du hast heute wirklich Pech. Lass' uns morgen weiterspielen.'"

Quelle: ntv.de

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