Wirtschaft

Euro-Retter wider Willen Paris drängt EZB zum Handeln

Frankreich macht Druck auf EZB-Chef Mario Draghi, das umstrittene Anleihekaufprogramm der Zentralbank wieder aufzunehmen.

Frankreich macht Druck auf EZB-Chef Mario Draghi, das umstrittene Anleihekaufprogramm der Zentralbank wieder aufzunehmen.

(Foto: picture alliance / dpa)

Frankreich macht Druck auf EZB-Chef Draghi, wieder massiv Staatsanleihen zu kaufen. Eigentlich will die Zentralbank nicht die Feuerwehr spielen, könnte aber schon bald gezwungen sein, die Euro-Krise in letzter Minute zu lösen - mit der Notenpresse.

Die Aufforderung hätte deutlicher nicht sein können: "Ich vertraue darauf, dass Herr Draghi genau das tun wird, was nötig ist", drängte Frankreichs Finanzminister Pierre Moscovici den Chef der Europäischen Zentralbank (EZB) zum Handeln in der Euro-Krise. Und er hatte genaue Vorstellungen davon, wie die Hilfe aussehen soll: "Das heißt so zu handeln, dass die Märkte beruhigt werden und es eine Entspannung bei den Zinssätzen für Spanien, für Italien geben kann."

Ein europäischer Finanzminister, der auf direkte Schützenhilfe der Zentralbank für überschuldete Euro-Staaten dringt und ihren Chef persönlich in die Pflicht nimmt - nichts hassen Zentralbanker mehr als solche Beeinflussungsversuche. Denn die Unabhängigkeit von der Politik ist ihre Daseinsberechtigung, es ist ihr Mantra. Zumindest war es so bis zum Beginn der Euro-Krise.

Nur widerwillig hat die EZB im Mai 2010 unter Jean-Claude Trichet begonnen, Anleihen von Krisenstaaten aufzukaufen, obwohl die EZB-Statuten die direkte Finanzierung von Staatsschulden eigentlich verbieten. Hohe Risikoaufschläge bei bestimmten Staatsanleihen würden die Übertragung des von der EZB ausgesandten geldpolitischen Signals behindern, begründet die EZB seitdem stets schmallippig die dauerhafte Verletzung ihrer eisernen Grundregel.

Der Druck auf die Zentralbanker, ihre Anleihekäufe wieder auszuweiten, nimmt immer stärker zu, seitdem die Eurokrise eskaliert und die Politik einfach keine dauerhafte Lösung zustande bringt. Seit Mitte März hält sich die EZB vom Anleihemarkt fern. Doch die Arbeitslosigkeit in Spanien ist inzwischen auf den höchsten Stand seit 1976 gestiegen, jeder zweite Jugendliche hat keinen Job. Auch in Italien herrscht Rezession. Am Ende könnten deswegen ausgerechnet die Zentralbanker zu Rettern in der Euro-Krise werden, obwohl sie sich von Anfang an dagegen gesträubt haben.

Draghi hat die Politik selbst immer wieder eingeladen, Druck zu machen. "Innerhalb unseres Mandats ist die EZB bereit, alles Erforderliche zu tun, um den Euro zu erhalten. Und glauben Sie mir, das wird reichen", sagte der Italiener am Donnerstag in London. Draghis Euro-Schwur löste sofort Euphorie an den Märkten aus. Der Dax schloss 2,75 Prozent im Plus, der Euro gewann unmittelbar 1,5 Cent gegenüber dem US-Dollar.

Die EZB soll die Krisenfeuerwehr spielen

Zwar gibt es auch in der Zentralbank Widerstand gegen den Kurswechsel in der Eurokrise. Die EZB ist tief gespalten zwischen stabilitätsorientierten Nordländern wie Deutschland und den Krisenstaaten in Südeuropa. "Die Deutsche Bundesbank hält Staatsanleihekäufe durch die Zentralbank weiterhin für problematisch", kritisierte ein Sprecher das von Draghi ins Spiel gebrachte erneute Eingreifen der Zentralbank. Bundesbankpräsident Jens Weidmann hatte sich bereits in der Vergangenheit gegen Anleihekäufe ausgesprochen, ebenso wie sein Vorgänger Axel Weber. Lettland fordert einen schnellen Austritt Griechenlands aus dem Euro. "So rasch wie möglich sollte ein Weg gefunden werden, Griechenland aus der Euro-Zone auszuschließen - mit so wenig Schmerzen wie möglich", sagte der lettische Finanzminister Andris Vilks.

Doch die Befürworter der Anleihekäufe haben inzwischen die Mehrheit im EZB-Rat. Es kann kaum verwundern, dass die Politik die Zentralbank nun immer mehr in die Rolle der Krisenfeuerwehr drängt. Schließlich haben die Notenbanker selbst den Rubikon überschritten und Staatsanleihen gekauft. Nun überschlägt sich die Politik mit Vorschlägen, wie die EZB die Krise lösen soll.

Laut Medienberichten bereitet sich die EZB darauf vor, gemeinsam mit dem EFSF Staatsanleihen von Italien und Spanien zu kaufen. Die EZB erwäge zudem, die Anforderungen an Wertpapiere zu lockern, die Banken bei Refinanzierungsgeschäften mit der Notenbank als Sicherheiten hinterlegen müssen, berichtet die spanische Zeitung "El Pais". Ursprünglich seien diese Maßnahmen eigentlich für den Herbst geplant gewesen, könnten wegen der akuten Verschärfung der Euro-Krise nun aber vorgezogen werden. Die EZB solle auf ihre Buchgewinne bei griechischen Staatsanleihen verzichten und so die Schuldenlast des Landes mindern, berichtet die "Welt".

Belgiens Außenminister Didier Reynders redet zumindest nicht um den heißen Brei herum - er schiebt der EZB offen den schwarzen Peter zu und fordert den Einstieg der Notenbank in die Staatsfinanzierung. "Wenn die EZB Banken zu einem Zins von unter 1 Prozent finanzieren darf, warum nicht auch Investitionen oder einige Staaten?", sagte Reynders, der zwischen 1999 und 2011 belgischer Finanzminister war, der britischen "Financial Times".

Sollte die EZB Reynders Vorschlag folgen, wäre die Euro-Krise vielleicht gelöst, allerdings mit der Notenpresse. Spätestens dann würden nicht nur Griechen, Spanier und Italiener die Folgen der gigantischen europäischen Verschuldungsorgie zu spüren bekommen, sondern auch die Deutschen - in ihrem Geldbeutel.

Quelle: ntv.de

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