Wirtschaft

Drum prüfe, wer sich ewig bindet Opposition will Fiskalpakt Plus

Der SPD-Fraktionsvorsitzende Frank-Walter Steinmeier (l.-.r), der ehemalige Bundesfinanzminister Peer Steinbrück und Franz Müntefering (beide SPD).

Der SPD-Fraktionsvorsitzende Frank-Walter Steinmeier (l.-.r), der ehemalige Bundesfinanzminister Peer Steinbrück und Franz Müntefering (beide SPD).

(Foto: picture alliance / dpa)

Die Sozialdemokraten pochen bei den Verhandlungen über den neuen Fiskalpakt weiter auf eine Börsensteuer. Sie wissen um die Tragweite ihrer Zustimmung: Stimmt Deutschland dafür, bindet es sich auf immer und ewig an die neuen strengen EU-Haushaltsregeln. Die Opposition will noch mehr rausschlagen. Klamme Bundesländer fordern eine Deutschland-Anleihe.

Die Opposition dringt im Gegenzug für ihre Zustimmung zum neuen Fiskalpakt weiter auf eine Steuer auf Finanzgeschäfte und Wachstumsimpulse für Europa. Andernfalls wollen sie den Pakt für mehr Haushaltsdisziplin nicht absegnen. "Wir werden uns nicht noch einmal abspeisen lassen", sagte SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier im Bundestag zum Auftakt der Beratungen über den europäischen Fiskalpakt und den dauerhaften Rettungsschirm ESM.

Fiskalpakt

Mit dem neuen Fiskalpakt wollen die EU-Staaten die Zügel bei der Kontrolle der Staatshaushalte und beim Schuldenabbau anziehen. Ziel ist es, das Vertrauen der Anleger in die Staatsfinanzen wiederzugewinnen und die Schuldenkrise zu überwinden. Die 17 Euro-Staaten und fast alle übrigen EU-Staaten haben den Pakt unterzeichnet. Außen vor blieben nur Großbritannien und Tschechien.

Sollte eine gemeinsame Finanztransaktionssteuer in Europa und der Euro-Zone zunächst scheitern, gebe es auch andere Wege, um politisch Ziele durchzusetzen, sagte Steinmeier. "Weiter kommen wir nur, wenn die Regierung ihre Selbstblockade aufgibt." Der Fraktionschef der Grünen, Jürgen Trittin, forderte: "Wir brauchen die Besteuerung von Finanztransaktionen." Eine Börsenumsatzsteuer nach britischem Vorbild, wie sie die FDP favorisiert, lehnen SPD und Grüne als "Witz" ab.

Für die Ewigkeit geschmiedet

Schäuble kommt der Opposition, die eine Besteuerung der Finanzmärkte fordert, entgegen.

Schäuble kommt der Opposition, die eine Besteuerung der Finanzmärkte fordert, entgegen.

(Foto: picture alliance / dpa)

Koalition und Opposition wissen spätestens seit heute um die Tragweite ihrer Entscheidung. Der europäische Fiskalpakt zur Sicherung von mehr Haushaltsdisziplin ist ein Vertrag für die Ewigkeit. Nach Einschätzung des Bundesfinanzministeriums und des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages ist eine einseitige Kündigung des Abkommens durch ein Mitgliedsland nicht möglich. Das berichtet die "Süddeutsche Zeitung".

"Ein Kündigungsrecht ist im Vertrag über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion nicht vorgesehen", zitierte die Zeitung aus einer Antwort des Finanzstaatsekretärs Steffen Kampeter auf eine parlamentarische Anfrage.       

Eine Hintertür, die noch eine Kündigung ermöglichen würde, werde durch ein Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes des Parlaments verschlossen. "Aus der Entstehungsgeschichte des Fiskalvertrages sind - soweit aus hiesiger Perspektive beurteilbar - keine Umstände bekannt, die auf eine einseitige Kündigungsmöglichkeit hindeuten würden", zitierte die Zeitung aus der Bewertung.     

Der Bundestag berät heute über den Fiskalpakt und die Einrichtung des dauerhaften europäischen Rettungsschirmes ESM. Die Linksfraktion, auf die die parlamentarische Anfrage in dieser Sache zurückgeht, prüft eine Klage gegen den Fiskalpakt vor dem Bundesverfassungsgericht. Die Kritiker des Fiskalpaktes monieren unter anderem, dass reiche und arme Länder den gleichen strengen Regularien unterworfen werden. Vor dem Hintergrund schrumpfender Wirtschaften in den schwächsten EU-Staaten könnten die Vorgaben ohne Wachstumsimpulse nicht eingehalten werden.

Streit um Finanzmarkt-Besteuerung

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble zeigte sich derweil zuversichtlich, dass sich zumindest die Staaten der Euro-Zone auf eine Besteuerung von Finanzdienstleistungen zur Gegenfinanzierung von Wachstumsimpulsen einigen können. "Ich bin mir ganz sicher, wir werden eine Lösung finden", sagte Schäuble im Deutschlandfunk.

Clever kommt weiter: Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz sieht den Zeitpunkt günstig, eine Deutschland-Anleihe zu fordern.

Clever kommt weiter: Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz sieht den Zeitpunkt günstig, eine Deutschland-Anleihe zu fordern.

(Foto: picture alliance / dpa)

Die Einführung einer Finanztransaktionssteuer ist nicht nur in Europa, sondern auch innerhalb der Koalition umstritten. Die Opposition dringt auf eine Besteuerung der Finanzmärkte und erwägt, davon auch ihre Zustimmung zum Fiskalpakt abhängig zu machen. Die Sozialdemokraten und die Grünen sind in einer guten Verhandlungsposition. Für den Fiskalpakt ist die Koalition auf ihre Zustimmung angewiesen, weil in Bundestag und Bundesrat eine Zweidrittelmehrheit für das Abkommen notwendig ist.       

Den Einwand gegen die Börsensteuer, dass Investoren auf andere Finanzstandorte ausweichen werden, will die Bundesregierung dadurch mildern, dass zumindest alle Länder der Euro-Zone eine solche Umsatzsteuer einführen. Die Bundesregierung wolle sich auch bei den Beratungen der Finanzminister in Kopenhagen weiter für eine Lösung einsetzen, sagte Schäuble. "Wir drängen mehr als irgendjemand auf eine solche Besteuerung, um eben auch die Ausnahme von der allgemeinen Umsatzbesteuerung, die wir ja haben, zu Finanzdienstleistungen abzuschaffen", sagte der CDU-Politiker.         

SPD-Länder wollen "Deutschland-Bonds" 

Hamburg und andere SPD-regierte Bundesländer pokern inzwischen noch höher. Der sozialdemokratische Hamburger Bürgermeister Olaf Scholz will im Gegenzug für die nötige Zustimmung seiner Partei für den Fiskalpakt noch etwas Erleichterung an anderer Stelle. Wie die "Süddeutsche Zeitung" berichtet, forderte er zugunsten der Länderhaushalte eine Einführung sogenannter Deutschland-Anleihen. Damit sollen Zinsvorteile des Bundes bei der Kreditaufnahme gegenüber den Ländern ausgeglichen werden.

Die Länder müssten künftig mit dem Bund Kredite gemeinsam und damit zum gleichen Zinssatz aufnehmen können, forderte Scholz. Unterstützt werde Scholz bei seiner Forderung von der CDU-geführten Landesregierung in Schleswig-Holstein. Mit dem Inkrafttreten des europäischen Fiskalpakts und dem Neuverschuldungsverbot für die Länder ab 2020 im Rahmen der Schuldenbremse sei nun die Zeit gekommen, sich grundsätzlich Gedanken über dieses Thema zu machen, argumentierte Scholz.

Eine regelrechte Koppelung zwischen der Forderung nach "Deutschland-Anleihen" und der SPD-Haltung zum Fiskalpakt wollte Scholz aber nicht herstellen. "Ich erwarte aber, dass die Kanzlerin und der Bundesfinanzminister Gespräche mit den Ländern aufnehmen, um zu einer gemeinsamen Linie zu kommen", unterstrich er.         

Quelle: ntv.de, ddi/rts

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