Wirtschaft

Paukenschlag nach US-Börsenschluss Moody's zweifelt an Deutschland

Neue Noten für die Euro-Retter: Wie viele A braucht Deutschland zum Leben?

Neue Noten für die Euro-Retter: Wie viele A braucht Deutschland zum Leben?

(Foto: REUTERS)

Die Ratingagentur Moody's stellt die Bonitätsbewertung von drei Euro-Staaten auf den Prüfstand. Kurz nach Börsenschluss an der Wall Street senken die Analysten den Ausblick für Deutschland, Luxemburg und die Niederlande auf "negativ". Damit müssen sich nun wohl bald auch die Deutschen von der Bestnote "AAA" verabschieden.

Die Auswirkungen der Schuldenkrise erreichen Kerneuropa: In einem Rundumschlag gegen drei Euro-Staaten hat die Ratingagentur Moody's den Ausblick für die Kreditwürdigkeit von Deutschland, Luxemburg und den Niederlanden zurückgestuft. Der Ausblick wird nun mit "negativ" bewertet und nicht mehr mit "stabil", wie die Agentur wenige Minuten nach US-Börsenschluss mitteilte. Der blieb stabil.

Die Analysten von Moody's begründete ihre Entscheidung mit einer "wachsenden Unsicherheit" wegen der Euro-Schuldenkrise. Die Wahrscheinlichkeit eines Austritts von Griechenland aus dem Währungsgebiet sei gestiegen. Selbst wenn dies nicht passiere, sei davon auszugehen, dass Länder wie Spanien und Italien weitere Hilfen bräuchten.

Dabei sei davon auszugehen, dass die europäischen Staaten mit einer sehr guten Bonität die neuen Hilfen schultern müssten, führten die Moody's-Experten in ihrer Mitteilung weiter aus. Deutschland und die anderen wirtschaftlich starken Länder der Eurozone haben den schwächeren Partnern bereits unter die Arme gegriffen.

Sicherer Hafen Deutschland

Die Bundesregierung reagierte umgehend auf die drohende Herabstufung der deutschen Bonitätsnote und betonte die solide Wirtschaftslage Deutschlands: Das Finanzministerium verwies auf längerfristig angelegte Reformen in der Eurozone. Moody's stelle vor allem die kurzfristigen Risiken in den Vordergrund, "während längerfristige Stabilisierungsaussichten unerwähnt bleiben", kritisierte das Ministerium.

"Die von [Moody's] genannten Risiken in der Eurozone sind nicht neu." Deutschland werde sich mit einer soliden Wirtschafts- und Finanzpolitik seinen Status als sicherer Hafen wahren und seine Ankerrolle in der Eurozone weiter verantwortungsvoll ausüben. Gemeinsam mit den Partnern werde alles getan, um die europäische Staatsschuldenkrise schnellstmöglich zu überwinden.

Ein negativer Ausblick gilt als Warnsignal für Investoren und leitet in der Regel eine Herabstufung ein. Im Bewertungsschema von Moody's werden die drei betroffenen Euro-Staaten derzeit noch mit der Bestnote "Aaa" geführt. Diese Einstufung wird nun formell überprüft. Mit einer Entscheidung ist binnen weniger Wochen zu rechnen.

Eine Abstufung des Spitzenratings würde nicht nur einen schweren Imageschaden auslösen. Gleichzeitig muss sich Deutschland dadurch auch auf schlechtere einstellen. Damit droht womöglich auch die stärkste Volkswirtschaft der Eurozone mittelfristig in die Abwärtsspirale aus Rating-Herabstufungen und steigenden Kreditzinsen zu geraten.

Bei der Ratingagentur Standard & Poor's (S&P) stand Deutschlands Topbonität zwischenzeitlich bereits auf dem Prüfstand, die Note wurde letztlich aber nicht angetastet. Dagegen haben die USA ihre Bestnote bei S&P bereits verloren.

Wie werden die Märkte reagieren?

Gespannt dürften Marktteilnehmer nun auf die Reaktionen der Investoren warten: Der notierte nach Bekanntgabe der Moody's-Entscheidung wenig bewegt bei 1,2116 Dollar. Der war zuvor unter dem Druck der Sorgen um Spanien und Griechenland 3 Prozent schwächer aus dem Handel gegangen. Die hatten mit vergleichsweise moderaten Verlusten geschlossen.

Mit Blick auf die Entwicklungen in Griechenland hatte Moody's bereits Anfang Juni vor . Anscheinend sah die US-Agentur nun zu Wochenbeginn den richtigen Zeitpunkt für gekommen, internationale Investoren auf eine aus Moody's-Sicht veränderte Sachlage hinzuweisen.  

Für Mitte der Woche kündigte Moody's eine eigene Telefonkonferenz an, in der die Analysten ihre Bewertungen für Deutschland, die Niederlande, Luxemburg und Finnland erläutern wollen. Das finnische Spitzenrating sieht Moody's weiterhin ungefährdet.

Rating-Schwert wird stumpfer

Kritiker werfen Moody's und den beiden anderen großen Ratingagenturen Standard & Poor's und Fitch vor, mit ihren Ratings die Krise zusätzlich zu verstärken. Statt in einer Beobachterrolle sehen sie die Agenturen in der Position, sich - gewollt oder ungewollt - zum Akteur in der Schuldenkrise aufzuschwingen.

Öl ins Feuer goss hierbei jüngst auch ein ehemaliger hochrangiger Mitarbeiter von Standard & Poor's. In einem Interview mit dem Fernsehsender Bloomberg erhob der ehemalige Abteilungsleiter David Jacob schwere Vorwürfe gegen seinen Ex-Arbeitgeber. "Ratings werden missbraucht, sie beinhalten nicht alle Risiken", sagte er. Insbesondere monierte er fehlende Standards bei der Bewertung, die am Ende dazu führten, dass "Ratings eingekauft werden". Jacob ergänzte: "Ratingnoten sind ein Geschäft. Marktanteile sind wichtig."

Bei aller Kritik an der Arbeitsweise der Agenturen ist ihr faktischer Einfluss in den vergangenen Jahren gesunken. Löste eine Herabstufung zu Beginn der europäischen Schuldenkrise noch regelrechte Schockwellen an den Märkten aus, sorgten jüngst die negativen Ausblicke oder sogar auch Herabstufungen der Bonitätsnoten von Staaten kaum noch für spürbare Effekte.

Der Schuldenberg wächst

Wie es um die finanzielle Situation der Euro-Staaten derzeit tatsächlich bestellt ist, das konnten Investoren zuvor bereits den Daten der europäischen Statistikbehörde Eurostat entnehmen. Die schwache Wirtschaftsentwicklung ließ diesen Angaben zufolge den Schuldenstand in den 17 Ländern der Eurozone in den ersten drei Monaten des Jahres merklich ansteigen.

Die Schuldenquote im Euro-Raum belief sich Ende des ersten Quartals demnach auf 88,2 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP), nachdem er am Jahresende noch bei 87,3 Prozent gelegen hatte. Laut Maastricht-Vertrag ist lediglich ein Schuldenstand von 60 Prozent des BIP erlaubt.

Der stärkste Rückgang gelang Griechenland: Durch den mit den internationalen Gläubigern mühsam ausgehandelten Schuldenschnitt verringerte sich die griechische Quote um 33 Prozentpunkte. Der Schuldenerlass wurde größtenteils im ersten Quartal abgewickelt.

Wer steckt wie tief drin?

Die beiden übrigen Sorgenkinder Portugal (plus 3,8 Prozent) und Spanien (plus 3,7 Prozent) verbuchten hingegen die stärksten Zuwächse.

Die unterm Strich höchsten Schuldenstände verzeichnete Eurostat trotz allem noch für Griechenland mit Schulden in Höhe von 132,4 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung. Italien kommt demnach auf 123,3 Prozent, Portugal auf 111,7 Prozent und Irland auf 108,5 Prozent.

Lediglich das Krisenland Spanien lag mit 72,1 Prozent noch unter dem Durchschnitt der Eurozone. Den niedrigsten Schuldenstand in der Eurozone kann Estland mit 6,6 Prozent des BIP vorweisen. Zum Vergleich: In Deutschland lag diese Kennziffer bei 81,6 Prozent des BIP.

Der Schuldenstand stieg auch in den 27 Staaten der Europäischen Union (EU) leicht an: Er kletterte im Berichtszeitraum von 82,5 Prozent auf 83,4 Prozent.

Quelle: ntv.de

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