Wirtschaft

Ungewöhnliche Worte Merkel kommentiert EZB-Zinspolitik

Kanzlerin Merkel hat überraschend angedeutet, die EZB müsse die Zinsen für Deutschland erhöhen.

Kanzlerin Merkel hat überraschend angedeutet, die EZB müsse die Zinsen für Deutschland erhöhen.

(Foto: picture alliance / dpa)

Es sind seltene Worte der Kanzlerin: Eigentlich müsste die EZB für Deutschland die Zinsen erhöhen, sagt Angela Merkel. Ein Versuch, Druck auf die Notenbank zu machen? Die Währungshüter müssen in der kommenden Woche eine schwierige Entscheidung treffen – und stecken dabei ohnehin in einem Dilemma.

Wenige Tage vor der nächsten Zinsentscheidung hat sich Bundeskanzlerin Merkel überraschend zur Zinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) geäußert. Die EZB befinde sich in einer "ganz schwierigen Situation", sagte Merkel auf dem Deutschen Sparkassentag in Dresden und fügte hinzu: "Sie müsste für Deutschland im Augenblick die Zinsen im Grunde wahrscheinlich etwas erhöhen." Allerdings fügte sie mit Blick auf die rezessionsgeplagten Krisenstaaten in Südeuropa hinzu: "Aber sie müsste für andere Länder eigentlich noch mehr tun dafür, dass noch mehr Liquidität zur Verfügung gestellt wird. Und vor allem, dass diese Liquidität für die Unternehmensfinanzierung ankommt." An den Finanzmärkten wird damit gerechnet, dass die EZB deswegen in ihrer Sitzung am kommenden Donnerstag den Leitzins senken wird.

Normalerweise äußert sich Merkel nur selten konkret zur Zinspolitik der politisch unabhängigen Europäischen Zentralbank (EZB). Merkels Äußerungen sind umso ungewöhnlicher weil das Dilemma, dass die EZB zwischen unterschiedlichen Bedürfnissen der Euro-Länder abwägen muss, seit der Einführung der Gemeinschaftswährung besteht und nicht erst seit Beginn der Euro-Krise.

Regierungssprecher Steffen Seibert bemühte sich denn auch sofort, Merkels Äußerungen richtigzustellen: Die Kanzlerin stelle in keiner Weise die Unabhängigkeit der EZB infrage. "Die Bundeskanzlerin hat beschrieben, warum es nicht einfach ist, unterschiedliche Interessen innerhalb der Eurozone in Ausgleich zu bringen." Deshalb sei es so wichtig, die interne Spaltung der Eurozone mit Strukturreformen und engerer wirtschaftspolitischer Koordination zu überwinden. Auch Wirtschaftsminister Philipp Rösler betonte: "Es ist klare Aufgabe der EZB, in völliger Unabhängigkeit - und das macht sie auch immer - die Leitzinsen festzulegen". Die Bundesregierung achte diese Unabhängigkeit.

EZB steckt in der Zwickmühle

Der EZB-Rat entscheidet kommenden Donnerstag über den Leitzins für die 17 Länder der Währungsunion. Laut EZB-Vizepräsident Vitor Constancio hat die Zentralbank noch etwas Spielraum, um Entscheidungen zu treffen. "Und wir sind bereit zu handeln, wenn die Wirtschaftsdaten schlecht sind, was leider der Fall war", sagte der Stellvertreter von EZB-Chef Draghi am Mittwoch vor dem EU-Parlament. Im Gegensatz zu Constancio und vielen Notenbankern aus Südeuropa sehen Bundesbank-Chef Jens Weidmann und das deutsche Mitglied im EZB-Direktorium, Jörg Asmussen, den Nutzen einer Zinssenkung skeptisch.

Asmussen sagte in London: "Angesichts der gestörten Übertragungskanäle der Geldpolitik wären die Effekte von Zinssenkungen in der Peripherie begrenzt, genau dort, wo sie am dringendsten gebraucht würden." Soll heißen: Eine weitere Zinssenkung würde den Krisenstaaten Südeuropas, die sie am dringendsten brauchen, kaum etwas nützen, weil das Vertrauen der Finanzmärkte in Spanien, Italien, Portugal und Co. so erschüttert ist, dass der Effekt verpufft, wenn die EZB Geld noch billiger macht.   

Ob weitere Zinssenkungen für Deutschland nützlich oder eher schädlich sein könnten, entzweit derzeit die Ökonomen. Manche fürchten etwa, dass immer billigeres Geld der Notenbank dazu beitragen könnte, dass in Ballungsräumen der Immobilienmarkt überhitzt, wie das zum Teil schon in München, Stuttgart und Frankfurt, Berlin und Hamburg der Fall ist. Andere Experten sehen durchaus positive psychologische Effekte einer Zinssenkung auch in Deutschland: Niedrigere Zinsen könnten dazu beitragen, Konsum und Investitionen anzukurbeln. Akute Inflationsgefahr besteht in Deutschland bei einer Teuerungsrate von 1,4 Prozent nicht.

Allerdings sind in Deutschland vor allem Sparkassen, Volks-und Raiffeisenbanken und Versicherungsunternehmen von den schon sehr lange niedrigen Zinsen betroffen. Die einen, weil sie ihren Kleinsparern kaum Zinsen zahlen können, die anderen, weil sie keine renditeträchtigen Anlagemöglichkeiten finden, um den Lebens-Versicherten die hohen Zinsen zu bezahlen, die sie ihnen vor Jahren garantiert haben. Sparkassenpräsident Georg Fahrenschon hatte schon am Mittwoch höhere Leitzinsen der EZB gefordert.

"Wir können uns nicht abkoppeln"

Merkel betonte die gegenseitige Abhängigkeit in der Euro-Zone. Deutschland habe ein "immanentes Interesse" daran, dass es der Euro-Zone gutgehe, da es mittel- und langfristig nur erfolgreich sein könne, wenn es den Partnern gutgehe. "Wir können uns nicht abkoppeln." Zugleich forderte sie aber ehrgeizige Reformen in Europa, damit sich die Wettbewerbsfähigkeit der verschiedenen Volkswirtschaften wieder mehr annähere. "Wenn wir wieder zu einem erträglichen Zinsniveaus kommen wollen, dann müssen wir die interne Spaltung des Euroraums überwinden." Es sei nicht akzeptabel, dass Kredite an Unternehmen in vielen Ländern des Südens zwei- bis dreimal so teuer seien wie in Deutschland.

Die Forderung nach schuldenfinanzierten Wachstumsprogrammen oder einer Lockerung der Sparpolitik in der EU wies sie entschieden zurück. "Nur Wachstum auf der Grundlage staatlicher Finanzierung wird uns in Europa nicht wettbewerbsfähiger machen", sagte Merkel. "Die Lage, in der wir sind, ist nicht durch Austerität entstanden." Man müsse den Kreislauf verstehen: "Deshalb ist es besser, man baut Schulden ab und hat nicht soviel Schulden, weil sonst die Finanzierung von Wachstum sehr viel schwieriger wird", mahnte sie.

Quelle: ntv.de, dpa/rts

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen