Wirtschaft

Stühlerücken bei Airbus "Major Tom" schließt mit der Luftfahrt ab

Tom Enders (rechts) gibt seinen Posten nach einer langen Karriere an Guillaume Faury ab.

Tom Enders (rechts) gibt seinen Posten nach einer langen Karriere an Guillaume Faury ab.

(Foto: picture alliance/dpa)

Der Luftfahrtriese Airbus läutet mit einem personellen Neuanfang den Eintritt in eine neue Ära ein: An der Spitze des Flugzeugbauers übernimmt Guillaume Faury den Chefposten von Tom Enders. Bei seinem letzten Auftritt räumt Enders teure Fehler ein und wagt einen Blick in seine Zukunft.

Es ist Tom Enders letzter Akt bei Airbus. Und er ist sichtlich gerührt. "Das war's jetzt für mich - meine Mission ist erfüllt", sagt der scheidende Konzernchef bei der Hauptversammlung in Amsterdam. Dort übergab der als "Major Tom" bekannte frühere Fallschirmjäger offiziell den Staffelstab an seinen Nachfolger Guillaume Faury. Der 60-jährige Enders kann auf viele Erfolge zurückblicken - aber sein Weg bei dem europäischen Flugzeugbauer war nicht frei von Niederlagen.

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Der Manager hat eine lange Karriere hinter sich. Von 2005 bis 2007 war er zunächst Co-Chef des EADS-Konzerns, dann führte er fünf Jahre lang die Verkehrsflugzeugtochter Airbus. Der Deutsche baute das Unternehmen um, leitete die Umbenennung von EADS in Airbus ein und straffte die Führungsstrukturen. Schließlich kündigte er Ende 2017 an, nach Ablauf seines Vertrags keine neue Amtszeit mehr anzustreben. Der von Korruptionsermittlungen erschütterte Luftfahrt-Riese leitete damit einen personellen Neuanfang ein.

Wie bilanziert Enders seine Amtszeit? "Ich hatte meine Herausforderungen, einige habe ich bestanden, andere vielleicht nicht", sagt der Manager. Allerdings denke er, "dass das Unternehmen heute sehr viel wettbewerbsfähiger und stabiler aufgestellt ist als noch vor wenigen Jahren".

Und tatsächlich gibt es einige Erfolge zu vermelden: In Enders' Zeit an der Konzernspitze und als Chef der Verkehrsflugzeug-Sparte arbeitete sich Airbus als zweitgrößter Flugzeughersteller der Welt fast auf Augenhöhe an den Branchenprimus Boeing heran. Bei den Bestellungen im absatzstärksten Segment der Kurz- und Mittelstreckenjets liegt Airbus dank seiner auf weniger Spritverbrauch getrimmten A320neo-Maschinen bereits vorn. Und nach zwei Abstürzen und dem geltenden weltweiten Flugverbot für Boeings gefragten Flugzeugtyp 737 Max ist der Konkurrent aus den USA in eine schwere Krise geraten.

Und was kommt jetzt für Enders?

Zu den Rückschlägen des im Westerwald geborenen Enders zählt hingegen die 2012 geplatzte Fusion mit dem britischen Luftfahrt- und Rüstungskonzern BAE Systems. Bundeskanzlerin Angela Merkel habe den von ihm betriebenen Zusammenschluss mit einer "Blutgrätsche" verhindert, sagt Enders heute und räumt ein, dass er die Stimmung damals völlig falsch eingeschätzt habe. Statt einen neuen Rüstungs-Champion zu schaffen, setzte der Manager schließlich noch stärker auf das boomende Geschäft mit Passagierflugzeugen. Er dampfte die Verteidigungssparte ein, stieß Beteiligungen ab und strich Tausende Stellen.

Im Rückblick räumt Enders auch teure Fehler ein. "Wir haben bei Airbus jahrelang viel zu viel parallel gemacht." Ausdrücklich nennt er die Entwicklung des A380, des neuen Großraumjets A350 und des pannengeplagten Militärtransporters A400M - "plus das Geld, das wir bei A380 und A400M versenkt haben".

Für den ehrgeizigen Deutschen dürfte das Ende des Luftgiganten A380 ein riesiger Rückschlag gewesen sein. Ausgerechnet bei seinem richtig großen Airbus-Auftritt bei der Pressekonferenz zur Jahresbilanz in Toulouse verkündete er die Hiobsbotschaft. Vorausgegangen war der Entscheidung eine mehrjährige Hängepartie. Am Ende lohnte sich das größte Passagierflugzeug der Welt einfach nicht mehr.

Und was kommt jetzt für Enders? Mit seiner neuen Lebensphase als Rentner muss er sich erst noch anfreunden. "Ich kann mir das Wort Ruhestand bei mir noch nicht vorstellen", räumt der drahtige Major der Reserve der Bundeswehr ein. "Aber irgendwas wird man wohl noch tun dürfen." Das Kapitel in der Luftfahrtindustrie sei für ihn abgeschlossen, und auch als Manager wolle er nicht mehr arbeiten. Entsprechende Anfragen habe er zwar schon erhalten, inzwischen aber begriffen: "Man muss lernen, nein zu sagen."

Ermittlungen setzen Konzern unter Druck

In Frankreich regt sich unterdessen Unmut über Enders Unternehmensrente, die er nach den Jahren bei Airbus einstreicht. Sie ist Berichten zufolge millionenschwer. Wirtschaftsminister Bruno Le Maire kündigte an, diese von Unternehmen gezahlten Renten bei Top-Managern künftig stark deckeln zu wollen. Es handle sich um "exzessive Summen", kritisierte der mächtige Minister auch mit Blick auf die Zahlung an Enders.

Der Airbus-Verwaltungsratsvorsitzende Denis Ranque, der 2020 vom früheren Telekom-Chef René Obermann abgelöst werden soll, betonte in Amsterdam, dass Enders eine "normale Rente" bekomme - ohne dabei eine Summe zu nennen. Verglichen mit den Strafen, die Airbus wegen Korruptionsvorwürfen drohen, dürfte Enders Rente allerdings fast lächerlich sein.

Ermittlungen in Großbritannien und Frankreich setzen den Konzern unter Druck - möglicherweise werden Strafen in Milliardenhöhe fällig. Enders und sein ebenfalls scheidender Finanzchef Harald Wilhelm hatten die Untersuchungen im Jahr 2014 angestrengt. Seit 2016 ermitteln Behörden - Ausgang offen. Enders weiß, dass er damit eine Last an Nachfolger Faury weiterreicht. Doch: "Sie übergeben ein Unternehmen immer im Sprung." Zum Abschiedsfoto im Amsterdam hat Enders dann ein Lied auf den Lippen: "Gute Nacht, Freunde", singt er den Reinhard-Mey-Klassiker. "Es wird Zeit für mich zu geh'n."

Quelle: ntv.de, Steffen Weyer, Julia Naue und Annette Birschel, dpa

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