Wirtschaft

Der hohe Preis des Überlebens Krebsmittel werden für viele unerschwinglich

Nicht jeder kann sich eine teure Krebs-Behandlung leisten.

Nicht jeder kann sich eine teure Krebs-Behandlung leisten.

(Foto: REUTERS)

Die Preise für Krebstherapien explodieren. Einsame Spitze ist das Hirntumor-Medikament Lomustin: Vor vier Jahren war eine Kapsel in den USA für 50 Dollar zu haben, heute sind es 770 Dollar. Ärzte und Behörden sind alarmiert, Patienten hilflos.

Krebs ist die Angstkrankheit Nummer eins: Jedes Jahr erkranken weltweit zehn Millionen Menschen daran - allein in Deutschland 500.000. Noch nie brachte die Pharmaindustrie so viele neue Medikamente auf den Markt. Entsprechend groß sind die Hoffnungen der Betroffenen. Doch die Preise für die Heilsversprechen steigen. Mit der Folge, dass sich auch immer weniger solche Therapien leisten können.

Ein abschreckendes Beispiel ist das Tumor-Medikament Lomustin: Vor wenigen Jahren kostete es in den USA noch 50 Dollar je Kapsel in der höchsten Dosis, heute sind es rund 770 Dollar. Der horrende Preisaufschlag ist für das öffentliche Gesundheitswesen längst nicht mehr tragbar. Was früher eine Standardbehandlung bei bösartigen Gehirntumoren und Hodgkin-Lymphom war und von Krankenkassen übernommen wurde, muss der Patient deshalb heute selber zahlen - oder er muss sich zumindest an den Kosten beteiligen.

Das Millionengeschäft mit Krebs

Bristol-Myers Squibb
Bristol-Myers Squibb 46,26

Die Preisexplosion bei Lomustin geht laut "Wall Street Journal" vor allem aufs Konto eines Besitzerwechsels. Der Pharmahersteller Bristol-Myers, der das Medikament 1976 auf den Markt brachte, verkaufte das Mittel 2013 an ein wenig bekanntes Startup aus Miami namens NextSource. Seitdem gab es neun Preiserhöhungen. Nachdem das in Gleostine umbenannte Medikament im August um 20 Prozent teurer wurde, gab es im November einen weiteren Preisaufschlag um 12 Prozent.

Auf Nachfrage der Zeitung begründet NextSource dies mit den Entwicklungskosten. Branchenkenner wollen das nach 40 Jahren jedoch nicht mehr gelten lassen. Henry S. Friedman, Professor der Neurochirurgie an der Duke University School of Medicine, spricht von nackter "Preistreiberei".

Lomustin ist schon lange keine Ausnahme mehr. Bei Krebsmedikamenten gab es in den vergangenen Jahren viele Preisrunden. Laut einer Studie, die Anfang des Jahres im "Journal of Clinical Oncology" veröffentlicht wurde, verteuerten sich 24 patentierte Krebsmedikamente innerhalb von acht Jahren inflationsbereinigt im Schnitt um 18 Prozent. Bemerkenswert dabei: Einige der Mittel - so wie Lomustin - waren da bereits seit Jahrzehnten auf dem Markt. Die Preise stiegen sogar dann noch, als Konkurrenzprodukte auf den Markt kamen.

Novartis
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In der Regel seien dies keine "Preiserhöhungen über Nacht, sondern schleichende, die nach zehn Jahren signifikant werden", erklärte der Studienleiter Daniel Goldstein von der Emory University in Atlanta bei der Veröffentlichung seiner Untersuchung. Das Mittel Glivec von Novartis zum Beispiel kostete 2001 noch 26.000 Dollar pro Jahr und Patient. Heute sind es 140.000 Dollar. Der Preis für Arranon (Nelarabin), ebenfalls von Novartis, lag bei 18.500 Dollar im Monat, als es auf den Markt kam. In den vergangenen zehn Jahren stieg der Preis sukzessive um über 50 Prozent. Ähnlich ist es bei Rituxan von Genentech und Biogen, hier gab es seit 2005 einen Aufschlag von 49 Prozent. 

Preisabsprachen eine "mögliche Schlussfolgerung"

Biogen Idec
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Die Experten rätseln weiterhin über die Ursachen: "In einem normal funktionierenden Markt sollte der Wettbewerb die Preise senken", stellte  Goldstein bei der Veröffentlichung seiner Studie fest. In diesem Fall sei es jedoch anders: Der zusätzliche Wettbewerb scheine die Preise anzutreiben. "Wir haben keine konkreten Beweise dafür, dass die Unternehmen miteinander sprechen und ihre Preise gleichzeitig erhöhen, aber man könnte dies als eine mögliche Schlussfolgerung aus diesen Ergebnissen betrachten."

Auch die US-Arzneimittelbehörde FDA ist hellhörig geworden. Um dem Preiswucher Einhalt zu gebieten, will sie den Wettbewerb für Mittel, deren Patente ausgelaufen und weiterhin konkurrenzlos sind, nun dadurch anfachen, dass Anträge für Nachahmerprodukte schneller bearbeitet werden. Laut "Wall Street Journal" gilt das mit Lomustin für insgesamt 319 Medikamente. Die ersten Rückmeldungen seien positiv, zitiert die Zeitung eine Behörden-Sprecherin.

Doch Wettbewerb allein scheint nicht das Allheilmittel zu sein, dieses Problem zu lösen. Dafür gibt es zu viele Medikamente, deren Preise weiter gestiegen sind, als es bereits Konkurrenzprodukte auf dem Markt gab. Für Studienleiter Goldstein ist es ein komplexes Thema: Er fordert "eine Art Regulierung für die Preisgestaltung von Arzneimitteln - für Generika und ursprüngliche Arzneimittel, für Medikamente, die gerade auf den Markt kommen und für das, was nach dem Markteintritt passiert".

Der tumorerkrankte Gary Gratzer, dem sein Arzt Lomustin verschrieben hatte, hat das Medikament aufgrund des Preises abgelehnt. Es sei zu teuer für die Familie, sagte seine Frau Andrea dem "Wall Street Journal". Die Ärzte an der Duke University verschrieben ihm stattdessen das preiswertere Medikament Temodar. Neuro-Onkologe Friedman erneuerte seine Kritik angesichts des Preiswuchers bei Lomustin. "Menschen werden nicht in der Lage sein, sich (diese Behandlung) zu leisten. Oder sie zahlen viel Geld dafür und verschulden sich."

Nur einer profitiert garantiert

Möglicherweise war die Entscheidung der Gratzers aber auch aus einem anderen Grund vernünftig. Denn wie ein Medikament bei einem Menschen anschlägt, ist insbesondere bei Krebserkrankungen immer noch schwer vorhersehbar.

Forscher unterscheiden allein zwischen 250 bis 300 Krebsarten und Subtypen. Lomustin beziehungsweise Gleostine in Verbindung mit einigen Chemotherapien hat zwar nach neueren Studien wieder Interesse geweckt. Aber jede Tumorgeschichte ist anders. Eine Erfolgsgarantie gibt es nicht: Und erst jüngst zeigte eine andere im "The New England Journal of Medicine" veröffentlichte Studie zum Beispiel, dass eine zunächst vielversprechende Kombinationstherapie mit den Wirkstoffen Lomustin und Bevacizumab das Leben von Patienten mit bösartigen Hirntumoren eines bestimmten Typs nicht verlängern kann. Profitiert hat am Ende nur einer garantiert: Big Pharma.

Quelle: ntv.de

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