Wirtschaft

Regierung steckt in der Zwickmühle Griechen streiken wieder

In Griechenland gehen die Proteste weiter.

In Griechenland gehen die Proteste weiter.

(Foto: dpa)

Der Regierung in Athen bleibt keine andere Wahl: Sie muss harte Sparmaßnahmen umsetzen, andernfalls fließen keine neuen Milliardenhilfen. Zugleich befindet sich die Konjunktur auf Talfahrt, die Arbeitslosigkeit steigt auf Rekordniveau. In der Bevölkerung wächst der Unmut.

Aus Protest gegen das neue Sparprogramm haben die Gewerkschaften in Griechenland einen 48-stündigen Streik begonnen. Vor allem der öffentliche Verkehr wurde weitgehend lahmgelegt. Tausende Menschen mussten zu Fuß zur Arbeit gehen. Ministerien und staatliche Unternehmen blieben größtenteils geschlossen. Auch Krankenhausärzte und Bankangestellte legten die Arbeit nieder. Später sollten sich die Lehrer dem Ausstand anschließen. "Nein zu Entlassungen! Nein zu Gehaltskürzungen! Nein zu Rentenkürzungen!", skandierten Redner in Lautsprecherdurchsagen auf dem zentralen Syntagma-Platz in der Hauptstadt Athen. "Leistet Widerstand!", appellierten sie an die Demonstrierenden vor dem Parlamentsgebäude.

In der Hauptstadt Athen fuhren keine Busse und Bahnen. Zu den Inseln gab es keine Fährverbindungen. Bis Sonntag sind zudem mehrere Demonstrationen geplant. Mit Blick auf die bevorstehenden Einschnitte rief Finanzminister Evangelos Venizelos die Menschen dazu auf, sich zu überlegen, dass die Alternative zu den harten Maßnahmen der finanzielle Untergang sei. Am Nachmittag sollte der Ministerrat in Athen tagen, um über die das Programm zu entscheiden. Die Billigung durch das Parlament soll voraussichtlich am Sonntagabend stattfinden.

Bei einer Demonstration gegen die griechischen Sparpläne kam es im Zentrum Athens zu Zusammenstößen zwischen Autonomen und der Polizei. Rund 200 Gewaltbereitete lösten sich aus der ansonsten friedlich demonstrierenden Masse und warfen Steine und Brandflaschen auf die Polizisten. Die Beamten setzten Tränengas ein. Angabenzu Verletzten lagen zunächst nicht vor. Nach Schätzungen der Polizei waren rund 11.000 Menschen auf den Straßen der Hauptstadt unterwegs, um gegen die Sparmaßnahmen zu demonstrieren.

Die geplanten Einschnitte sehen unter anderem kräftige Lohnkürzungen im Privatsektor sowie Entlassungen von 150.000 Staatsbediensteten bis 2015 vor. Bis dahin soll Griechenland 14 Mrd. Euro sparen, allein. Das Programm ist Voraussetzung dafür, dass das Griechenland neue Milliarden-Hilfen bekommt. Der Chef der griechischen Rechten kündigte an, das mit der EU, EZB und IWF vereinbarte Sparpaket im Parlament nicht mitzutragen. Im Parlament haben Sozialdemokraten und Konservative dennoch eine große Mehrheit.    

Polizisten drohen der Troika

Die Versprechen Athens
  • Die Troika aus EU, IWF und EZB will das staatliche Rentensystem mit Kürzungen auf Nachhaltigkeit trimmen. In den Verhandlungen war zunächst von Einschnitten bei Zusatzrenten um 35 Prozent die Rede. Später signalisierte die Troika, sich auch mit weniger zufrieden zu geben. Die griechischen Parteien hatten 20 Prozent angeboten. Eine Einigung steht noch aus. Es geht um ein Volumen von 300 Mio. Euro.
  • Die Koalitionsspitzen in Athen haben sich generell auf Ausgabenkürzungen in diesem Jahr von 1,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) verständigt. Dies entspricht einem Einsparvolumen von 3,3 Mrd. Euro. Unter anderem sollen bei öffentliche Investitionen 400 Mio. Euro eingespart werden, beim Militärhaushalt 300 Mio. Euro.
  • Eine neue Regierung muss ab Sommer zudem ehrgeizige Sparpläne für die Jahre 2013 bis 2015 auflegen. Ende 2015 soll ein Primärüberschuss im Haushalt erzielt werden. Das heißt, die Staatseinnahmen sollen die Ausgaben übersteigen – Zinszahlungen werden jedoch herausgerechnet.
  • Bei Geldinstituten mit größeren Problemen stärkt der Staat die Kapitalbasis mit Stammaktien. Bei Banken, die weniger stark unter Druck stehen, kommen Wandelanleihen infrage. 
  • Die Löhne werden um 22 Prozent gekürzt. Rund 15.000 Staatsbedienstete werden in eine "Arbeitsreserve" eingruppiert, d.h. sie werden ein Jahr lang auf Teilzeit gesetzt und danach entlassen.  Bis 2015 soll der Staatssektor insgesamt 150.000 Stellen abbauen.

Der Generalstreik soll am Samstag fortgesetzt werden. Er gilt auch als Stimmungstest, inwieweit die Bevölkerung sich gegen die Kürzungen stemmt oder diese zähneknirschend duldet. Viele Griechen sind zunehmend zornig über den Sparkurs, der bereits zu spürbaren Wohlstandseinbußen geführt hat und die gebeutelte Wirtschaft zusätzlich schwächt. Seit fünf Jahren steckt das Land in der Rezession. Seit Verschärfung der Krise gibt es zwar immer wieder Demonstrationen in Griechenland. In den vergangenen Monaten waren die Teilnehmerzahlen allerdings relativ schwach.

"Die Maßnahmen, die das neue Memorandum vorsieht und auf die sich drei Parteiführer mit der Regierung und der Troika geeinigt haben, sind der Grabstein für die griechische Gesellschaft", warnte die Beamtengewerkschaft Adedy. "Es ist Zeit, dass das Volk seine Stimme erhebt."

Die Proteste nehmen unterdessen kuriose Züge an: Der Vorstand der Gewerkschaft der Polizisten des Landes (Poesy) drohte mit der Festnahme der Kontrolleure der EU, des Internationalen Währungsfonds und der Europäischen Zentralbank. "Wir warnen Sie, dass wir die sofortige Ausgabe von Haftbefehlen fordern werden", hieß es in einer schriftlichen Erklärung, die an die Troika-Vertreter geschickt wurde. Zudem wurde ein Flugblatt verteilt, auf dem "Wanted" stand und das für die Festnahme der "Troikaner" einen Euro als Belohnung in Aussicht stellte.

Nach Ansicht der Gewerkschaft versucht die Troika, mit den harten Sparmaßnahmen die demokratische Ordnung umzuwerfen. Zudem versuche sie, die "nationale Souveränität" zu verletzen und vom griechischen Volk wichtige Güter zu rauben.

Arbeitslosigkeit steigt

Wegen des Sparzwangs und der Rezession sind so viele Griechen ohne Arbeit wie nie zuvor. Die Arbeitslosenquote kletterte im November auf das Rekordniveau von 20,9 Prozent, wie die am Donnerstag vorgelegte offizielle Statistik zeigt. Besonders schlimm sieht es demnach bei den Jüngeren aus: Fast die Hälfte der 15- bis 24-Jährigen haben keinen Job. Das sind mehr als doppelt so viel wie im Jahr 2008 vor der Zuspitzung der griechischen Schuldenkrise.  

Insgesamt ist die Arbeitslosigkeit in dem Land in etwa doppelt so hoch wie im Durchschnitt der Euro-Länder. Dort betrug die Quote im November 10,4 Prozent. Diese Zahl ist allerdings anders als die für Griechenland saisonbereinigt.          

Düster sieht es auch für die Konjunkturentwicklung aus. Die griechische Industrieproduktion fiel im Dezember um 11,3 Prozent. Damit beschleunigte sich der Rückgang deutlich. Im November lag er noch bei 7,8 Prozent.

Der Zeitplan der Griechenland-Rettung
  • 20. und 21. Februar: In Brüssel treffen sich hintereinander erst die Eurogruppe, dann die Finanzminister aller 27 EU-Länder. Die Beratungen sind eine weitere Möglichkeit, die Weichen für die Rettung oder die Pleite Griechenlands zu stellen.
  • 1. und 2. März: Der nächste EU-Gipfel ist angesetzt. Zu diesem Zeitpunkt soll Griechenland mit seinen privaten Gläubigern den Anleihenumtausch im Rahmen des Schuldenschnitts abgeschlossen haben.
  • 20. März: Griechenland muss Altschulden in Höhe von 14,5 Mrd. Euro zurückzahlen. Hat das Land bis dahin nicht die ersten Zahlungen aus dem neuen Hilfspaket erhalten, steht es vor der Pleite. Die Folge wäre wohl ein Austritt aus der Eurozone.

Griechenland befindet sich in einer Zwickmühle. Um die dringend benötigten Milliardenhilfen zu bekommen, muss die Regierung in Athen weitere tiefgreifende Einschnitte akzeptieren. Die Streichungen hemmen die Konjunktur, was zu geringeren Steuereinnahmen führt und zugleich zu höheren Sozialaufwendungen, weil immer mehr Menschen ihre Arbeit verlieren. Griechische Politiker warnen daher davor, das Land kaputtzusparen. Die Gewerkschaften machen seit langem gegen die Kürzungspläne mobil.

Athen muss nachsitzen

Die Euro-Finanzminister hatten ihren Beschluss für das Griechenland-Hilfsprogramm am späten Donnerstagabend auf kommenden Mittwoch vertagt. Nur wenn Athen innerhalb einer Woche mehrere Bedingungen erfüllt, kann Griechenland mit dem dringend benötigten zweiten Rettungspaket von mindestens 130 Mrd. Euro rechnen. Ohne die Hilfskredite droht dem Land im März die Staatspleite, da Mitte des Monats alte Schulden in Höhe von rund 14 Mrd. Euro getilgt werden müssen.

Griechenland kann nur mit dem raschen Beschluss weiterer Milliardenhilfen rechnen, wenn es vorher mehrere Bedingungen erfüllt. Die Euro-Länder stellten der Regierung in Athen dafür ein Ultimatum bis Mittwoch, bevor sie einem zweiten Hilfspaket zustimmen, wie Eurogruppenchef Jean-Claude Juncker am Donnerstag in Brüssel sagte. Das Land muss sich zudem auf eine deutlich strengere Überwachung einstellen.

"Trotz des wichtigen Fortschritts, den wir in den vergangenen Tagen erreicht haben, hatten wir nicht die notwendigen Elemente auf dem Tisch, um heute Entscheidungen zu treffen", sagte Juncker nach einem Treffen der Eurogruppe. Der Luxemburger stellte der Regierung in Athen aber eine weitere Sitzung am Mittwoch in Aussicht, um dann ein zweites Hilfspaket in Höhe von 130 Milliarden Euro zu beschließen. Juncker nannte jedoch drei Bedingungen, die das hochverschuldete Land erfüllen dafür muss.

Griechenland soll weitere Einsparungen in Höhe von 325 Mio. Euro für dieses Jahr benennen. Zudem verlangen die Euro-Länder von den Chefs der Koalitionsparteien schriftliche Verpflichtungen auf den vereinbarten Spar- und Reformkurs, damit dieser auch nach den für April geplanten Wahlen fortgeführt wird. Schließlich muss das griechische Parlament einem weiteren Sparpaket zustimmen, auf das sich die Athener Koalition am Donnerstag nach langem Ringen verständigt hatte. Die Abstimmung ist für Sonntag geplant.

Stärkere Kontrolle angestrebt

Erfüllt die Regierung in Athen die Forderungen, wollen die Euro-Länder neben dem zweiten Hilfspaket auch einem Schuldenschnitt für Griechenland zustimmen. Dabei verzichten die privaten Gläubiger des Landes auf 100 Mrd. Euro. Ziel beider Schritte ist es, den griechischen Schuldenstand bis zum Jahr 2020 auf ein einigermaßen erträgliches Maß zu senken.

In den vergangenen Monaten hatten die Euro-Länder die Athener Regierung wiederholt kritisiert, weil vereinbarte Maßnahmen nicht umgesetzt oder durch den Parteienstreit in Griechenland aufgehalten wurden. Daher fordern die Euro-Länder nun weitere Absicherungen, bevor sie grünes Licht für weitere Hilfen geben. "Griechenland muss noch Hausaufgaben machen", sagte der niederländische Finanzminister Jan Kees de Jager.

Die Eurozone will zudem die Umsetzung der Sparmaßnahmen strenger überwachen. Es gehe darum, Griechenland "institutionell in den Stand zu versetzen, seine Schulden zu bedienen", sagte Juncker. "Ernsthaft geprüft" wird dafür auch der deutsch-französische Vorschlag für ein Sonderkonto, auf das Geld für die Abzahlung von Schulden fließen soll, wie EU-Währungskommissar Olli Rehn ankündigte. Die Kommission soll am Mittwoch weitere Vorschläge machen.

Ein solches Sperrkonto hatten Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Staatschef Nicolas Sarkozy vorgeschlagen. Die Idee ist, dass Staatseinnahmen auf das Sperrkonto fließen und allein für die Zurückzahlung der griechischen Schulden eingesetzt werden. Besonders Deutschland fordert eine strengere Kontrolle, war aber auf breite Ablehnung mit der Idee gestoßen, einen "Haushaltskommissar" in Athen einzusetzen.

Quelle: ntv.de, jga/dpa/AFP

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