Wirtschaft

Bau-Boom in Deutschland Geld flutet den Wohnungsmarkt

Der Neubau der EZB in Frankfurt am Main: Haben die Notenbanker die Lage im Griff?

Der Neubau der EZB in Frankfurt am Main: Haben die Notenbanker die Lage im Griff?

(Foto: dpa)

Nach der Krisenpolitik der Euro-Retter zeichnet sich die nächste große Blase ab: Im deutschen Wohnungsmarkt blicken Statistiker auf den stärksten Zulauf seit fast zwei Jahrzehnten. Fachleute warnen vor einer Überhitzung und schmerzhaften Preisrückschlägen. "Wir müssen den Immobilienmarkt kritisch beobachten."

Unbewusste Alarmsignale: "Wir können in den besten Lagen abenteuerliche Preise erzielen."

Unbewusste Alarmsignale: "Wir können in den besten Lagen abenteuerliche Preise erzielen."

(Foto: picture alliance / dpa)

Der Boom am Wohnungsmarkt hat 2011 zu der größten Zunahme an Baugenehmigungen seit 18 Jahren geführt. Die Behörden gaben grünes Licht für 228.400 Wohnungen, wie das Statistische Bundesamt mitteilte. Dies waren 21,7 Prozent mehr als im Jahr davor.

Damit setzte sich der Trend der vergangenen Jahre fort: 2010 hatten die Statistiker ein Plus von 5,5 Prozent verzeichnet. In der Schuldenkrise setzen viele Privatbauherren und Investoren wegen der niedrigen Zinsen verstärkt auf Immobilien. Die Angst vor neuen Turbulenzen an den Aktienmärkten und eine drohende Geldentwertung durch Inflation tat ein Übriges.

Die absolute Zahl der Baugenehmigungen schnellte auf den höchsten Stand seit 2006. Allerdings war das Volumen der neu erteilten Genehmigungen seit dem Ende des Wiedervereinigungsbooms Anfang der 1990er Jahre drastisch zurückgegangen.

Im Jahr 1994 wurden noch gut 712.000 Wohnungen genehmigt. Seit Anfang 2006 läuft die Eigenheimzulage aus. Deshalb sei der Wohnungsbau anfangs in einen "komaähnlichen Zustand" gefallen, erklärte jüngst der Präsident der Bundesvereinigung Bauwirtschaft (BVB), Karl-Heinz Schneider.

Seit 2009 und 2010 gehe es dank steigender Einkommen und des stabilen Arbeitsmarktes wieder leicht bergauf. Dies füllt auch die Kassen der Baufirmen, wenn auch etwas weniger stark als zuletzt. Für den Wohnungsbau rechnet die BVB 2012 mit einem Umsatzplus von 5,0 Prozent, nach fast 18 Prozent im vorigen Jahr.

Bei Nichtwohngebäuden stiegen die Baugenehmigen 2011 ebenfalls, aber mit gut 11 Prozent deutlicher geringer als bei den Eigenheimen. Private Bauherren erhielten 16 Prozent mehr Genehmigungen, während die Erlaubnisse für die öffentliche Hand wegen der auslaufenden Konjunkturpakete um knapp 25 Prozent einbrachen.

Beobachter warnen seit längerem vor Auswirkungen der Krisenpolitik auf den Immobilienmarkt. Erst kürzlich verschärfte zum Beispiel Sparkassenpräsident Heinrich Haasis seine Kritik an den großzügigen Liquiditätshilfen der Europäischen Zentralbank (EZB) für den Finanzsektor. " und für uns Sparkassen im Wettbewerb mit anderen auch ärgerlich", sagte Haasis der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung".

Billiges Geld verführe die Banken zu riskanten Geschäften, wie sie die Ursache der Finanzkrise 2008 gewesen seien. Eine solche Politik drohe neue Preisblasen in Teilen der Wirtschaft auszulösen. "Wir müssen vor diesem Hintergrund auch den Immobilienmarkt in Deutschland kritisch beobachten", warnte er. Neben Stabilitätsgefahren bemängelt Haasis insbesondere, dass die dreijährigen EZB-Hilfen von zusammen einer Billion Euro "den beteiligten Banken einfache Gewinne ins Haus" trage.

Paralleln zum US-Häusermarkt

Niedrige Kreditzinsen, die Risikoscheu der Investoren und reichlich Liquidität im Markt treiben derzeit in vielen deutschen Städten die Preise hoch. Immobilien Immobilien- und Grundstücksmakler haben Hochkonjunktur. "Wir können in den besten Lagen abenteuerliche Preise erzielen", schwärmte zum Beispiel unlängst der Chef des Berliner Liegenschaftsfonds, Holger Lippmann. Wie in anderen Großstädten suchten Kapitalanleger in der Hauptstadt verstärkt .

Die Unsicherheit an den Finanzmärkten hätten diese Investoren satt, erklärte Lippmann. Das betrifft nicht nur Fonds und andere Großanleger: Bundesweit wollen auch Privatleute ihr Geld mit "Betongold" vor der Inflation retten. Doch das Angebot ist knapp, die Preise steigen. Experten warnen schon jetzt vor einem bösen Erwachen.

Besonders die Preise in den Top-Lagen von Metropolen wie Hamburg, München oder Köln seien in den vergangenen Jahren stark gestiegen, heißt es in einer Auswertung des Hypoport Hauspreis-Index. Die Marktbeobachter richteten ihren Blick deshalb längst schon auf die zweite Reihe, auf Städte wie Mainz, Magdeburg und Kiel.

Doch neu gebaut werden in den Zentren der Metropolen vor allem höherwertige Wohnungen. Dies gilt auch für Städte wie Berlin, wo erst kürzlich ein Report des Immobilienunternehmens GSW Belege dafür lieferte, dass ärmere Familien aus der Innenstadt in die Großsiedlungen am Stadtrand umziehen. Viele Arbeitnehmer könnten sich die stark anziehenden Mieten im Zentrum schlicht nicht mehr leisten. Der Unmut über die "Verdrängung" wächst.

Schlimmer als in Berlin ist die Lage in den westdeutschen Metropolen. In München fehlten derzeit 31.000 Mietwohnungen, in Frankfurt 17.500 und in Hamburg 15.000, heißt es in einer Studie des Pestel-Instituts aus Hannover.

Ein Bündnis der Bau- und Immobilienbranche will mit einer Kampagne "Impulse für den Wohnungsbau" geben. Dies gehe aber nicht ohne den Staat, der sich aus der Förderung viel zu stark zurückgezogen habe. "Die Wohnungsnot ist hausgemacht", meint der Bochumer Immobilienexperte Volker Eichener. Vor allem die steuerliche Abschreibung bei Wohnungsneubauten müsse deutlich erhöht werden.

Die demographische Keule

Doch die mahnenden Stimmen mehren sich. "Noch erscheint das Rückschlagspotenzial für die Preise überschaubar", heißt es im jüngsten Monatsbericht der Deutschen Bundesbank. Sie erinnert aber daran, dass die Bevölkerung sinke und damit auch die Perspektiven für Wirtschaftswachstum. Damit sei nicht gesichert, dass bei den Mieten so viel zu holen sein wird, wie es bei den gestiegenen Kaufpreisen nötig wäre. Wer sein Geld in Wohnungen parken wolle, müsse das Risiko eines Preisrückschlags ins Auge fassen.

Was die Notenbank andeutet, ist für den Bankenfachmann Bernd Nolte eine reale Gefahr. Der Berater und Professor an der privaten Steinbeis-Hochschule in Berlin sieht eine Immobilienblase, die in zwei oder drei Jahren platzen werde - sobald es auch in Deutschland Rezensionstendenzen gebe. "Dann bekommen mit Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit die Leute Probleme, die kreditfinanziert und ganz eng auf Kante kalkuliert haben."

Die Banken vergäben derzeit leichtfertig Kredite an Bauherren und Käufer, die sich die Immobilie eigentlich nicht leisten können. Und weil schon ganze Marktsegmente leergekauft seien, versenkten mehr Käufer ihr Geld in Schrottimmobilien. Deshalb rät Nolte: "Keine Inflationsangstkäufe, und nicht jede Immobilie zu jedem Preis!"

Quelle: ntv.de, mmo/dpa/rts

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