Wirtschaft

Schlechte Erinnerungen Fusionsfieber schürt Angst vor Crash

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(Foto: REUTERS)

Nach einem langjährigen Aufschwung der Konjunktur und am Aktienmarkt kommt es üblicherweise zu einem Boom bei Fusionen und Übernahmen. Bedeutet dies gleichzeitig das Ende der Börsenrally?

Die Stimmung vieler Konzernchefs ist grandios. Ihr Optimismus scheint berechtigt, immerhin läuft der weltweite Aktienmarkt von einem Rekordhoch zum nächsten, während der Internationale Währungsfonds (IWF) die Prognose für das Wachstum der Weltwirtschaft für dieses und das kommende Jahr angehoben hat. Er erwartet ein Plus von jeweils 3,9 Prozent, das wäre das stärkste Wachstum seit 2011. Für den verbesserten Ausblick machten die Analysten des IWF vor allem die US-Steuerreform verantwortlich, durch die die US-Wirtschaft angekurbelt werden soll.

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In einem Umfeld, in dem die Gewinne der US-Unternehmen im laufenden Jahr wegen der kräftigen Steuersenkung auf Rekordwerte klettern dürften, sollte sich das Übernahmekarussell schneller drehen. Wegen der Unsicherheit, ob US-Präsident Donald Trump die Reform tatsächlich durch den Kongress bringen kann, hatten sich viele Firmen im vergangenen Jahr mit Fusionen und Übernahmen (englisch Mergers & Acquisitions, kurz M&A) zurückgehalten, weshalb das Volumen in den USA laut der Researchfirma FactSet um 9,5 Prozent auf 1,76 Billionen Dollar gesunken ist.

Allerdings hat das Geschäft bereits im November begonnen, deutlich Fahrt aufzunehmen. So hat die Apothekenkette CVS angekündigt, den Krankenversicherer Aetna für 67,8 Milliarden Dollar zu kaufen. Mitte Dezember hat dann der Medienriese Walt Disney gemeldet, den Konkurrenten 21st Century Fox für 54,7 Milliarden Dollar zu übernehmen - alles große Übernahmen.

Fusionitis greift um sich

Anfang 2018 ging es nahtlos weiter. So akquiriert der US-Kaffeeröster Keurig Green Mountain für 18,7 Milliarden Dollar den Getränkehersteller Dr. Pepper Snapple. Auf dem europäischen Markt schnappt sich der französische Pharmakonzern Sanofi für 3,9 Milliarden Euro die belgische Biotechfirma Ablynx, während Sanofi kurz zuvor die Akquisition der US-Firma Bioverativ für 11,6 Milliarden Dollar angekündigt hatte. Damit setzt sich der Boom bei weltweiten Fusionen und Übernahmen fort, der laut dem "Institute of Mergers, Acquisitions and Alliances" (IMAA) 2017 auf den Rekordwert von 50.626 Deals gestiegen war. Allerdings war der Wert der Transaktionen leicht gesunken - auf umgerechnet 3,56 Billionen Dollar. Und in Deutschland? Hierzulande wartet Bayer auf die Genehmigung der US-Kartellbehörde, damit die 66 Milliarden Dollar schwere Übernahme von Monsanto vollzogen werden kann.

Laut der Finanznachrichtenagentur Bloomberg erlebt der weltweite M&A-Markt den stärksten Jahresauftakt seit dem Jahr 2000. Allein in den ersten drei Wochen des Jahres seien Deals im Volumen von 152,5 Milliarden Dollar angekündigt worden.

Das Fusionsfieber lässt bei einigen Finanzprofis allerdings die Warnglocken schrillen. Sie fühlen sich an die Übernahme von Mannesmann durch Vodafone AirTouch erinnert, als sich die beiden Konzerne im Februar 2000 auf einen Preis von rund 190 Milliarden Euro geeinigt hatten - die größte Akquisition aller Zeiten. Wenige Wochen später erreichte der Dax sein Rekordhoch, kurze Zeit später begann der langjährige Börsenabstieg. Außerdem hatte im Januar 2000 hatte der Internetdienstleister AOL den Medienreisen Time Warner für 112,1 Milliarden Dollar gekauft.

Vor dem 2008er-Crash grassierte ebenfalls das Fusionsfieber. Der Pharmariese Pfizer hatte im Januar den Konkurrenten Warner-Lambert für 111,8 Milliarden Dollar übernommen, während im gleichen Monat der Tabakkonzern Altria den Wettbewerber Philip Morris für 111,3 Milliarden akquiriert hatte.

Könnte auch 2018 ein M&A-Boom auf einen Höhepunkt beim S&P 500 und am weltweiten Aktienmarkt hindeuten? Dafür gibt es derzeit noch keinen Hinweis. Die Weltwirtschaft wächst, und auch die moderat steigenden Zinsen lösen keine Störfeuer aus. Erst wenn sie stärker zulegen, könnten steigende Zinsen für die hochverschuldete US-Wirtschaft zu einer Gefahr werden. Noch signalisieren die gestiegenen Zinsen eine robuste Wirtschaftsentwicklung. Erst wenn sie deutlich fallen, droht Gefahr, so wie 2000 und 2008: Wenige Monate vor dem Beginn der Crashs am Aktienmarkt aus den Jahren 2000 und 2008 hatten die Zinsen ihren Höhepunkt erreicht und waren anschließend deutlich nach unten gedreht.

Für Störfeuer könnte allerdings sorgen, wenn US-Präsident Donald Trump durch mögliche neue Strafzölle auf Stahl und Aluminium sowie andere Maßnahmen einen Handelskrieg mit China und anderen Ländern auslöst. Das würde für Verunsicherung sorgen und damit das Wachstum der Weltwirtschaft dämpfen -  zumal wenn Länder wie China energisch zurückschlagen.

Zinsen im Fokus

Sollte dieses Negativszenario nicht eintreten, könnte die Hausse am weltweiten Aktienmarkt weitergehen. Zwar ist der S&P 500 mit einem 2018er-Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von 18,5 sehr hoch bewertet, allerdings sind die Gewinnschätzungen für 2018 seit der Verabschiedung der Steuerreform nach oben geschossen und zeigen nun einen Anstieg der Profite der Unternehmen aus dem Index um beachtliche 16,3 Prozent. Für zusätzlichen Rückenwind sorgt der Kursrückgang des Dollar, wodurch das Geschäft der US-Exporteure zusätzlich angekurbelt wird. Gleichzeitig deuten die steigenden Zinsen für zehnjährige US-Anleihen auf eine Beschleunigung des langfristigen Wirtschaftswachstums hin.

Ohne einen deutlichen Kursrückschlag am US-Aktienmarkt dürfte es kaum etwas Vergleichbares an den Börsen beispielsweise in der Eurozone geben, immerhin ist der Dax mit einem KGV von 13,5 bei Weitem nicht so hoch bewertet wie der S&P500. Vielmehr könnte die Rekordfahrt am weltweiten Aktienmarkt weitergehen - wenngleich die Dynamik nachlassen könnte. Anleger sollten jedoch die Entwicklung gerade bei den US-Zinsen und am US-Aktienmarkt genau im Auge behalten, um nicht irgendwann auf dem falschen Fuß erwischt zu werden.

Quelle: ntv.de

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