Wirtschaft

Auf dem Weg in die Pleite? Finanzmärkte setzen Italien zu

In Italien wächst die Angst, dass die Schuldenkrise auf das Land übergreift. Die Regierung stemmt sich gegen den Druck der Finanzmärkte, doch diese verlangen weiterhin hohe Zinsen für Staatsanleihen. Eine britische Denkfabrik geht deshalb davon aus, dass Italien eine Zahlungsunfähigkeit kaum noch verhindern kann.

Ministerpräsident Silvio Berlusconi und Finanzminister Giulio Tremonti.

Ministerpräsident Silvio Berlusconi und Finanzminister Giulio Tremonti.

(Foto: ASSOCIATED PRESS)

Italien steht unter massiven Druck der Finanzmärkte. Die Zinsen für zehnjährige Staatsanleihen liegen bei rund sechs Prozent und damit auf einem kritischen Niveau. Die meisten Händler gehen davon aus, dass Italien höchstens Zinsen zwischen vier und fünf Prozent verkraften kann, um flüssig zu bleiben.

In Rom wächst die Nervosität. Ministerpräsident Silvio Berlusconi verwies vor dem Parlament auf die "soliden Grundlagen" des Landes und das milliardenschwere Sparpaket. Doch die Märkte zeigen sich davon unbeeindruckt.

Zwar hat Italien als drittgrößte Volkswirtschaft der Eurozone in der Tat eine ganz andere Substanz als beispielsweise Griechenland. Das ändert aber nichts daran, dass auch Rom angesichts seines Schuldenbergs in ernsthafte Schwierigkeiten kommt, wenn die Kosten für die Refanzierung stark ansteigen.

Zudem fehlt dem 48 Mrd. Euro schweren Sparpaket die nötige Überzeugungskraft. Das liegt offensichtlich daran, dass die derzeitige Regierung bis zum Ende ihrer Amtszeit im Frühjahr 2013 nur ein Fünftel des Sparvolumens umsetzen muss. Alles andere bürdet das Sparpaket dem nächsten Kabinett auf. Ob Italien tatsächlich wie angekündigt 2014 einen ausgeglichenen Haushalt vorlegt, wird vielfach bezweifelt.

Denkfabrik rechnet mit Pleite

Angesichts des steigenden Drucks der Finanzmärkte gilt es nicht mehr als ausgeschlossen, dass Italien zahlungsunfähig werden könnte. Nach Ansicht der britischen Denkfabrik CEBR kann das Land trotz des Sparkurses eine Pleite kaum noch abwenden. Das könne nur dann gelingen, wenn die Wirtschaft kräftig wachse. Doch im ersten Quartal hatte die Wirtschaft nur 0,1 Prozent zugelegt.

Die derzeitige Gesamtstaatsverschuldung in Höhe von 128 Prozent des Bruttoinlandsprodukts werde bis 2017 auf 150 Prozent ansteigen, wenn die Zinsen für Staatsanleihen über den derzeitigen sechs Prozent verharrten und das Wirtschaftswachstum weiter stagniere, erklärte das CEBR. Auch wenn die Kosten für das Leihen von Geld auf vier Prozent sänken, betrüge die Staatsverschuldung im Jahr 2018 angesichts des erwarteten eher schwachen Wachstums 123 Prozent der Wirtschaftsleistung. Das Fazit der Forscher: "Realistisch betrachtet steht Italien die Zahlungsunfähigkeit bevor."

EZB unter Zugzwang

Unterdessen forderte die Ratingagentur Standard & Poor's (S&P) die Europäische Zentralbank auf, in den Anleihemarkt einzugreifen. "Wir brauchen jemanden, der interveniert", sagte der Chefökonom für Europa, Jean-Michel Six. "Der einzige Feuerwehrmann, der uns schnell aus dem brennenden Haus tragen kann, ist die EZB, die seit Beginn der Krise bei der Beruhigung der Märkte eine bewundernswerte Rolle gespielt hat."

Die EZB entscheidet am frühen Nachmittag über ihren weiteren Kurs. Zuletzt waren wiederholt Forderungen laut geworden, die Währungshüter sollten wieder am Anleihemarkt aktiv werden. Das Argument der Befürworter: Nur die Zentralbank mit ihrer theoretisch unbegrenzten finanziellen Feuerkraft sei in der Lage, entsprechend stark als Käufer aufzutreten und so die Märkte wieder zu beruhigen. Kritiker wie Deutschland sperren sich jedoch gegen weitere Staatsanleihenkäufe. In ihren Augen gibt die Zentralbank damit ihre Unabhängigkeit von der Politik auf.

Die Bank hat seit Mai 2010 für gut 74 Mrd. Euro Staatsanleihen von Schuldenländern gekauft. Das entsprechende Programm ruht allerdings seit 18 Wochen.

Die EZB steht unter Zugzwang. Zwar vereinbarten die Staats- und Regierungschefs der 17 Euro-Länder vor zwei Wochen, dass in Zukunft der Euro-Rettungsschirm EFSF im Notfall Staatsanleihen kaufen darf. Diese Aufgabenerweiterung muss jedoch in mehreren Ländern noch von den Parlamenten genehmigt werden. Bis dieser Prozess abgeschlossen ist, kann nur die EZB am Markt aktiv werden.

Quelle: ntv.de, jga/rts/dpa/AFP

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