Wirtschaft

US-Institute verlieren Vorsprung Europas Banken machen Tempo

Der Vorsprung schmilzt,

Der Vorsprung schmilzt,

(Foto: picture alliance / dpa)

Milliardengewinne auf der einen Seite des Atlantiks, Sparkurs auf der anderen: US-Banken und ihre europäischen Pendants haben die Finanzkrise sehr unterschiedlich verkraftet. Jetzt wendet sich das Blatt, und Börsianer werden aufmerksam. Das Spotlight richtet sich auch auf ein kleineres deutsches Institut.

Die Unterschiede hätten deutlicher nicht sein können. Amerikanische Banken fahren aufgrund der sehr lockeren US-Geldpolitik Rekordgewinne ein, während ihre europäischen Pendants schwer unter der Wirtschaftsschwäche in Europa leiden. Aber die Perspektiven für die hiesigen Institute hellen sich auf und gewinnen deutlich an Attraktivität.

Die US-Banken haben die Belastungen aus der Finanzkrise nach einer Studie der Beratungsfirma EY (ehemals Ernst & Young) deutlich schneller verarbeitet als europäische Geldhäuser: Denn die angeschlagenen US-Institute waren zwangskapitalisiert worden, woraufhin sie die Milliardenverluste schneller verkraften konnten. Entsprechend sind die US-Banken nun wesentlich profitabler.

"Der Nettogewinn der größten zehn US-Banken lag im ersten Halbjahr mit 96 Milliarden Euro viermal so hoch wie der Nettogewinn der europäischen Top-Banken", erklärten die EY-Experten. In den Jahren 2004 bis 2007 wären die Profite diesseits und jenseits des Atlantiks noch gleich groß gewesen. Laut EY-Experte Dirk Müller-Tronnier profitierten die US-Institute zuletzt von der besseren Wirtschaftsentwicklung auf dem Heimatmarkt und der Erholung am Immobilienmarkt.

Geldpolitik bringt US-Banken auf Kurs

Während die US-Wirtschaft im Jahr 2012 real offiziell ganze fünf Prozent stärker war als im Jahr 2007, war die Wirtschaft der 27 Staaten der Europäischen Union 0,6 Prozent schwächer. Der Hauptgrund für die bessere Entwicklung der amerikanischen Wirtschaft ist die ultra-lockere Geldpolitik der Notenbank, die monatlich für 85 Milliarden Dollar Staats- und Hypothekenanleihen aufkauft und so die Zinsen künstlich niedrig hält.

Der Chef der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi, kauft zwar keine Anleihen. Er hatte jedoch im Sommer angekündigt, dass ein Ausstieg der EZB aus der lockeren Geldpolitik noch in weiter Ferne sei und daran erinnert, dass er notfalls Anleihen der angeschlagenen Staaten kaufen könne. Seit damals sind die Zinsen für zehnjährige italienische Staatsanleihen von 4,86 Prozent auf zuletzt 4,25 Prozent gesunken. Im Gegenzug sind die Aktien der italienischen Banken kräftig gestiegen. Sie besitzen große Bestände an heimischen Staatsanleihen, und wenn deren Kurse steigen, nimmt der Druck auf die Geldhäuser merklich ab.

Zeiten werden schwieriger

Hingegen hatten die US-Institute zuletzt merklichen Gegenwind. So hatten die zwischenzeitlich gestiegenen US-Zinsen das Handelsgeschäft mit Anleihen deutlich belastet. Zudem kam das Hypothekengeschäft wegen der höheren Zinsen unter Druck. Der US-Branchenprimus JP Morgan musste zudem Rückstellungen von 9,2 Milliarden Dollar vor Steuern für Rechtsstreitigkeiten und im Zusammenhang mit den Untersuchungen der US-Behörden zur Immobilienkrise verbuchen. Deswegen wies der Konzern für das dritte Quartal die ersten roten Zahlen seit 2004 aus. Die Rückstellungen könnten möglicherweise aber nicht ausreichen, da sich eine Einigung über rund 13 Milliarden Dollar abzeichnet.

Vorstandschef Jamie Dimon räumte daher ein, dass die Belastungen aus dem Bereich in den nächsten ein oder zwei Jahren hoch bleiben würden. So will der US-Staat Kalifornien die US-Bank immer noch vor Gericht bringen. Auch Bank of America drohen Milliardenstrafen im Zusammenhang mit der US-Immobilienkrise. So ist es kein Wunder, dass die US-Institute zuletzt schlechter performt haben als die europäischen Banken.

Europa holt auf

Letztere bekommen nun Rückenwind durch die Konjunkturerholung in Europa. Die lockere Geldpolitik der EZB zeigt ihre Wirkung, vor allem bei den Immobilienpreisen. Sie waren in Deutschland im zweiten Quartal um 4,1 Prozent gestiegen. In Frankreich sinken die Häuserpreise zwar noch, doch sollte sich die Wirtschaftserholung fortsetzen, dürften die Preise schon bald nach oben drehen. Die Immobilienpreise in England waren zuletzt auf das höchste Niveau seit November 2006 geklettert. Die Analysten der Citigroup kommen daher zu dem Schluss, dass den europäischen Banken bessere Zeiten bevorstehen. "Der europäische Bankensektor steht in den nächsten zwölf Monaten vor einer Trendwende – bei der Kapitalausstattung, der Restrukturierung und der Realwirtschaft", erklärte Analyst Kinner Lakhani. Damit erhöhten sich die Chancen auf steigende Gewinnschätzungen.

Die Analysten der Citigroup haben die Aktien der BNP Paribas und der ING Groep auf ihre Empfehlungsliste für den Bankensektor genommen. Frankreichs größte Bank, BNP Paribas, hat in den vergangenen Jahren kräftig Schulden abgebaut und die Bilanzsumme auf 1,86 Billionen Euro stark verkürzt und spielt nun ihre Größenvorteile aus. Zum Halbjahr wies der Konzern eine Eigenkapitalquote von 3,4 Prozent aus. Zudem überzeugt die Kernkapitalquote von 10,4 Prozent Investoren. Kein Wunder, dass die Aktie seit dem Sommer um mehr als 30 Prozent gestiegen ist.

Klein, aber fein: Aareal Bank

Aussichtsreich ist auch ein Wert aus Deutschland, der sonst nicht so stark im Rampenlicht steht wie etwa die Dax-Titel Commerzbank und Deutsche Bank: die Aareal Bank. Hier kann sich die Performance sehen lassen. Seit einem Monat hat die Aktie rund 20 Prozent und seit einem Jahr etwa 60 Prozent zugelegt. Die Bank ist in der Immobilienfinanzierung, vor allem von Gewerbeimmobilien, aktiv und spielt ihre Vorteile als Nischenplayer aus. Rund 85 Prozent des Immobilienportfolios sind in Europa. Im zweiten Quartal hatte der Konzern ein Betriebsergebnis von 45 Mio. Euro erwirtschaftet. Das entsprach genau dem Schnitt der vergangenen vier Quartale.

Weil der Konzern beim Abschluss von neuen Geschäften stark auf die Marge achtet, war der Zinsüberschuss im zweiten Quartal auf 126 Mio. Euro geklettert. Das war der zweite Anstieg in Folge, und zeigt, dass der Konzern dem Niedrigzinsumfeld trotzt. Entsprechend ehrgeizig sind die Ziele von Aareal-Chef Wolf Schumacher, der für 2015/16 eine Eigenkapitalrendite vor Steuern von etwa 12 Prozent erwirtschaften will. Davon können sich Konkurrenten wie die Commerzbank eine Scheibe abschneiden.

Quelle: ntv.de

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