Wirtschaft

Autoexperte Helmut Becker im Interview "Es gibt zwei Autos des Jahres 2013"

BMW i3 setzt auf Karbon und Elektrizität.

BMW i3 setzt auf Karbon und Elektrizität.

(Foto: picture alliance / dpa)

Global gesehen, steigt der Autoabsatz auch in diesem Jahr. Allerdings gibt es auf den verschiedenen Märkten Licht und Schatten. Gewinner und Verlierer gibt es auch bei den Herstellern. Wer überrascht, wer enttäuscht? Und was bleibt vom Autojahr 2013 im Gedächtnis? Die Antworten liefert n-tv.de Autoexperte und Ex-BMW-Chefvolkswirt Helmut Becker.

Helmut Becker schreibt als anerkannter Autoexperte und Volkswirt für teleboerse.de und n-tv.de eine monatliche Kolumne rund um den Automarkt.

Helmut Becker schreibt als anerkannter Autoexperte und Volkswirt für teleboerse.de und n-tv.de eine monatliche Kolumne rund um den Automarkt.

n-tv.de: Herr Becker, boomende Märkte in Übersee, schrumpfende und stagnierende in Europa, Russland, Indien und Japan. In Deutschland wurden rund fünf Prozent weniger Neufahrzeuge verkauft. Das abgelaufene Jahr war für die Automobilindustrie also kein einfaches - aber war es ein gutes oder schlechtes?

Es war ein Jahr ohne große Überraschungen - insofern war es ein mittelprächtiges Jahr - mit Licht und Schatten, nicht schlecht, aber auch kein Boomjahr.

2012 waren die Gewinner für Sie die deutschen Hersteller im Allgemeinen. Wie schnitten sie 2013 ab?

Dabei ist es geblieben, die deutsche Automobilindustrie - Hersteller wie Zulieferer - steht weiterhin an der Spitze der internationalen Automobilskala. Dieser Trend hat sich 2013 sogar verstärkt. Dazu ein Beispiel: Vor wenigen Tagen ist der Innovationspreis der deutschen Wirtschaft 2013 an das Forschungscluster Universität Jena, den Laserhersteller Trumph und die Firma Bosch für die Entwicklung einer neuartigen Kraftstoff-Einspritzdüse vergeben worden. Mit dieser Technologie werden die künftigen Verbräuche von Verbrennungsmotoren nochmals um 20 Prozent gesenkt, eine Revolution! Dadurch erhöht sich natürlich auch schlagartig die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Autos.

Wie erging es den deutschen Premiumherstellern im Speziellen?

Audi, BMW und Daimler haben sich auch 2013 hervorragend geschlagen und weltweit neue Absatzrekorde erzielt. Am stärksten ist abermals BMW gewachsen, aber auch Daimler hat deutlich aufgeholt. Bei diesen Herstellern macht sich bemerkbar, dass der Weltmarkt 2013 weiter - um 5 Prozent auf 72 Millionen Pkw - gewachsen ist. Rückgänge in Europa und Deutschland konnten dadurch mehr als wettgemacht werden.

Opel schockte Ende 2012 mit der Nachricht, ab 2016 keine Autos mehr in Bochum bauen zu wollen. Ein Jahr später sieht die Mutter General Motors den Turnaround näher rücken und stärkt Opel den Rücken, indem Chevrolet weitgehend aus Europa verschwinden soll. Also ein gutes Jahr für Opel, oder täuscht der Eindruck?

(Lacht) Vielleicht hat GM mit Turnaraound die Ankündigung gemeint, Chevrolet vom europäischen Markt abzuziehen und Opel/Vauxhall das Leben nicht noch zusätzlich zu erschweren. Aber im Ernst: Auch wenn Opel mit den neuen Modellen Adam und Mokka auf einem guten Weg ist - nicht Werksschließungen, sondern die Modellpolitik sind die Voraussetzungen für Erfolg -, kann bei Opel von einem wirklichen Turnaround keine Rede sein. Sonst würde das Opel-Werk Eisenach in Thüringen Sonderschichten und keine Kurzarbeit melden müssen. Allerdings hat Opel auf dem deutschen Markt 2013 gegenüber der französischen, italienischen sowie japanischen Konkurrenz Marktanteile zurückgewonnen. Um dauerhaft zu überleben, reicht das aber nicht.  

Für eine Überraschung sorgte Saab, die nach einer wahren Pleite-Odyssee nun einem chinesisch-japanischen Konsortium gehören und wieder produzieren. Die Ausrichtung zielt dabei klar auf China, wo Luxusmodelle boomen, wie auch die deutschen Hersteller wissen. Ist Saab überlebensfähig?

Überlebensfähig mag Saab sein - allerdings nur auf dem chinesischen Markt selbst oder in Schwellenländern, die vom chinesischen Markt aus beliefert werden können. Auf den hochentwickelten europäischen Märkten räume ich der Marke keine Chance ein, für die homöopathischen Stückzahlen rechnet sich hierzulande keine Vertriebsorganisation. Dafür ist die Marke zu verbrannt, dazu ist der Wettbewerb zu hoch und die Konkurrenz, allen voran die deutschen Premiumhersteller, zu stark.

Auch Jaguar ist zurück auf der Autobühne. Wie schätzen Sie deren Position ein?

Jaguar gibt den Phönix aus der Asche und legt 2013 ein fulminantes Comeback hin! Eine Zahl als Beleg: In Deutschland wuchsen die Jaguar-Neuzulassungen von Januar bis November um 30 Prozent. Allerdings ist der Weg noch weit - und milliardenschwer. Die Stückzahlen beweisen das: Rund 3800 Autos verkaufte Jaguar bisher in Deutschland in diesem Jahr. Zum Vergleich: Audi, BMW und Mercedes haben in der gleichen Zeit über 700.000 Fahrzeuge in Deutschland abgesetzt.

Dennoch ein erfolgreiches Jahr für Jaguar. Was ist der Grund dafür?

Vereinfacht ausgedrückt: Die Kombination von Geist und Geld. Der Vater des heutigen Erfolgs, der neue Vorstandschef Ralf Speth, hat sein Handwerk in der Produktplanung von BMW und später unter Wolfgang Reitzle in der Ford Premium Group gelernt. Er bringt sozusagen die "automobile Intelligenz" mit - die Firma Tata Motors aus Indien und die dahinterstehende milliardenschwere indische Familie Tata das nötige Kleingeld, um die Reanimation der alten Luxusmarke Jaguar zu finanzieren. Um die Erfolgsfaktoren auf den Punkt zu bringen: Designelemente einer erfolgreichen deutschen Nobelmarke, deutsches Engineering, hohe Qualität und deutsches Management, kombiniert mit indischem Kapital.

Wer blieb dagegen hinter den Erwartungen zurück?

Zum einen die Japaner, zum anderen Volkswagen. Alle japanischen Marken - mit Ausnahme von Mazda, die mit einem europäischen Design aufwarten - haben erhebliche Einbußen hierzulande zu verzeichnen gehabt. Toyota fällt dabei noch negativ heraus: Deren Absatz in Deutschland schrumpfte um 17 Prozent, bei der Nobeltochter Lexus gar um mehr als 40 Prozent. Das sind unglaubliche Einbrüche.

Und warum Volkswagen?

Volkswagen hat enttäuscht, weil es Winterkorn und Co. auch 2013 nicht gelungen ist, auf dem wichtigen US-Markt Fortschritte auf dem Weg zur geplanten Weltspitze 2018 zu erzielen. Im Gegenteil: Während der US-Markt 2013 um etwa 7 Prozent auf 15,5 Millionen Zulassungen wächst, ist der VW-Absatz  bis November um 5 Prozent auf nur rund 375.000 geschrumpft. Nur zum Vergleich: Toyota verkauft die gleiche Anzahl Autos in den USA in nur zwei Monaten!

Was ist 2013 aus dem "schlafenden Riesen" China geworden? Ist er erwacht?

Der war noch gar nicht richtig eingeschlafen. So wie in Berlin die Kneipen sind in Schanghai die Geschäfte und Baustellen rund um die Uhr geöffnet. Das allgemeine Wirtschaftswachstum dort ist nach wie vor erheblich, auch wenn sich das Tempo etwas verringert. Vor diesem Hintergrund hat der chinesische Automarkt auch 2013 um 21 Prozent  zugelegt, dreimal so stark wie der US-Markt. Mit über 16 Millionen verkauften Pkw wird China in diesem Jahr erstmals der weltgrößte Automarkt sein - vor den USA!

Die Bedeutung Chinas haben allen voran die deutschen Hersteller erkannt. Vor allem Luxusmodelle "made in Germany" sind gefragt. Daimler schickt 2013 die neue S-Klasse ins Rennen um den weltweiten Premiumthron, BMW fährt dagegen elektrisch mit dem i3 in den Fokus. Zwei Neuheiten des vergangenen Jahres. Gibt es für Sie ein "Auto des Jahres"?

Wenn es ein "Auto des Jahres" gäbe, dann wären es eigentlich zwei - und genau die beiden, die Sie gerade genannt haben, wobei der i3 von BMW die Nase aus meiner Sicht vorn hat. Denn er punktet mit einer neuen Technologie und einem innovativen Gesamtkonzept, Stichwort Karbon-Karosserie. Das ist Innovation pur. Die neue S-Klasse hingegen ist als Produkt ein technologisches Meisterwerk - und bleibt damit die Benchmark der deutschen Automobilindustrie. Diese beiden Autos ragen 2013 klar heraus.

Noch ein allgemeines Fazit: Was bleibt von diesem Autojahr im Gedächtnis?

Wenig. 2013 ist ein Übergangsjahr gewesen. Die Marktschwäche und der Abschwung in Europa gehen allmählich zu Ende, der Weltautomobilmarkt ist dank des anhaltenden Booms in China und der weiteren Erholung in den USA weiter gewachsen. Das ist mit 5 Prozent kein exorbitantes Wachstum, kann sich aber dennoch sehen lassen. Kein Durchbruch in der Elektromobilität, dafür sinkende Kraftstoffpreise. Auf das kommende Jahr darf man also gespannt sein!

Den Ausblick auf das Autojahr 2014 gibt es am 6. Januar 2014.

Mit Helmut Becker sprach Thomas Badtke

Quelle: ntv.de

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