Wirtschaft

Ohne Schuldenschnitt droht Staatspleite Endspiel in Athen

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(Foto: dpa)

In Griechenland steht es Spitz auf Knopf. Nur noch wenige Tage bleiben der Regierung von Ministerpräsident Papademos, um den Schuldenverzicht privater Gläubiger unter Dach und Fach zu bringen. Scheitern die Verhandlungen, ist die Zahlungsunfähigkeit des Landes kaum zu vermeiden. Die Folgen für die Eurozone wären unabsehbar.

Klappern gehört zum Handwerk. In diesem Sinne machen die griechische Regierung und ihre Gläubiger gleichermaßen gute Arbeit: In den Verhandlungen über einen Schuldenschnitt bei privaten Finanziers wechseln sich Erfolgsmeldungen über eine bald bevorstehende Einigung und Hiobsbotschaften wegen praktisch unüberbrückbarer Differenzen ab.

Doch die Zeit im Poker mit den Banken spielt gegen Griechenland. Mit jedem Tag ohne Einigung wird eine unkontrollierte Staatspleite wahrscheinlicher, denn am 20. März muss Athen liefern. An diesem Tag wird die nächste Anleihe über rund 15 Milliarden Euro zur Rückzahlung fällig. Und damit nicht genug: Insgesamt muss Griechenland in diesem Jahr Schulden über rund 50 Milliarden Euro tilgen und zudem rund 11 Milliarden Euro Zinsen zahlen. Die Termine sind gesetzt. Kann Griechenland nicht pünktlich zahlen, tritt der lange befürchtete Finanz-Gau ein: Der Staatsbankrott.

Sparkurs drückt Konjunktur

Aus eigener Kraft kann Griechenland die Rückzahlung auf absehbare Zeit nicht stemmen. Das Land erhöht Steuern und spart hinter der Rezession hinterher, was die konjunkturelle Lage zusätzlich verschlechtert. Vor wenigen Tagen musste Wirtschaftsminister Michaelis Chrysochoidis einräumen, dass das Haushaltsdefizit 2011 statt der bisher anvisierten 9 Prozent wohl auf 9,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts steigen wird. Doch das sind nur die neu hinzukommenden Schulden. Das gesamte Staatsdefizit erhöht sich auf rund 160 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung.

Auch für andere Sorgenstaaten in Europa bessert sich die Lage derzeit nur scheinbar. Zwar konnten sich Spanien und Italien jüngst überraschend gut am Markt refinanzieren. Das ist jedoch keineswegs ein Zeichen dafür, dass das Vertrauen an die Märkte zurückkehrt, im Gegenteil: Die Angst der Banken, dem Falschen zu vertrauen, treibt sie immer weiter in die Arme der EZB. Fast täglich erreichen die Pegelstände des bei der EZB sicher geparkten Geldes neue Höchststände.

Wie groß die Unsicherheit eigentlich ist, verwischen die geglückten Anleiheauktionen lediglich. Eigentlich sind sie das Ergebnis einer beispiellosen Liquiditätsschwemme der Europäischen Zentralbank für Europas Banken. Ende 2011 konnten sich die Banken insgesamt fast eine halbe Billion Euro zu extrem niedrigen Zinsen für drei Jahre leihen. Dieses Geld fließt nun auch in frische europäische Staatsanleihen, was die Renditen nach unten drückt. Für die Banken ist das ein sehr gutes Geschäft: Sie erhalten durch die Anleihen deutlich mehr Zinsen als sie selbst für ihr geliehenes Geld zahlen müssen. Außerdem können die Finanzhäuser die Anleihen gleich wieder als Sicherheit an die EZB weiterreichen, um sich dafür im Gegenzug Geld zu leihen. Am Risiko einer Staatspleite ändert all das jedoch nichts.

Schicksal hängt am Schnitt

Weil eine Staatspleite in Europa nicht nur Griechenland ins wirtschaftliche Chaos stürzen, sondern auch den Euro und das Finanzsystem bedrohen würde, vereinbarten Europas Regierungschefs mit dem Internationalen Währungsfonds im vergangenen Jahr eine zweite Runde massiver Finanzhilfen. Aus Europa und vom IWF soll Athen Hilfskredite über 100 Milliarden Euro erhalten, die griechischen Banken sollen mit weiteren 30 Milliarden Euro gestützt werden. Dafür muss die griechische Regierung jedoch die Troika von EU, EZB und IWF überzeugen, dass die Sparfortschritte ausreichen.

Ob das gelingt, hängt auch davon ab, ob der vereinbarte Schuldenschnitt bei privaten Gläubigern wie Banken, Versicherungen oder Hedgefonds zustande kommt. Sie hatten im vergangenen Jahr in Aussicht gestellt, als Beitrag zur Sanierung Griechenlands im Rahmen eines Anleihetausches auf die Hälfte ihrer Forderungen zu verzichten. Das würde Griechenland auf einen Schlag um rund 100 Milliarden Euro entlasten. Doch nun, wo es an die Umsetzung geht, ziert sich die Branche. Das Problem: Der Internationale Bankenverband IIF hatte den freiwilligen Schuldenschnitt ausgehandelt, doch längst nicht alle großen Gläubiger sind Mitglied in diesem Verband. Die Entscheidung, sich an dem Umtausch zu beteiligen, trifft am Ende jedes Institut für sich selbst. Machen nicht genügend Gläubiger mit, müssten am Ende doch die europäischen Staaten die Lücke mit zusätzlichen Milliarden ausgleichen - oder aber Griechenland wäre offiziell pleite.

Anders als bisher können die Europäer wohl nicht mehr darauf hoffen, dass im Zweifel der Internationale Währungsfonds in die Bresche springt. Zu klar waren die Ansagen der Finanzfeuerwehr aus Washington, dass Griechenlands Gläubiger sich in Gänze beteiligen müssen. Und zu deutlich waren die kritischen Stimmen, die angesichts großer Fragezeichen hinter der Reformfähigkeit Griechenlands den Erfolg der Rettungsmaßnahmen anzweifeln. Eine Aufstockung der Hilfen bliebe also an den starken Staaten Europas hängen.

Pleite träfe auch Deutschland hart

Ein Staatsbankrott Griechenlands hätte eine ganze Reihe gravierender Folgen. Zunächst würden alle Gläubiger den größten Teil ihres Geldes wohl nicht wiedersehen. Das wäre auch für all jene, die sich jetzt gegen einen freiwilligen Schuldenschnitt wenden, ein harter Schlag.

Eine schlechte Nachricht wäre eine unkontrollierte Pleite auch für die übrigen EU-Staaten und den IWF. Im Rahmen des ersten Rettungspakets haben sie bislang rund 73 Milliarden Euro an Athen überwiesen, zwei Drittel davon die EU-Staaten. Der Anteil Deutschlands an den bereits gewährten Krediten liegt bei 15 Milliarden Euro.

Das größte Risiko trägt jedoch die Europäische Zentralbank. Seit Mai 2010 haben die Währungshüter zur Kursstützung gegen erbitterten Widerstand preisstabilitätsorientierter Experten Anleihen europäischer Staaten gekauft. Dafür haben sie bislang rund 213 Milliarden Euro ausgegeben, Schätzungen zufolge rund ein Viertel davon für griechische Staatspapiere. Außerdem dürfen Banken ihre Anleihen auch von Griechenland bei der EZB als Sicherheit für Zentralbankkredite hinterlegen, womit die Notenbank auch hier im Risiko des Ausfalls steht.

Im Poker um eine mögliche Staatspleite hat Griechenland zwar die schlechteren Karten als seine Gläubiger. Wer jedoch am Ende als Sieger vom Tisch geht, steht auf einem anderen Blatt.

Quelle: ntv.de

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