Wirtschaft

Hype oder neue Weltkonzerne? Einhörner als Härtetest für die Börse

Vegetarische Begeisterung: Beyond Meat feiert seinen furiosen Börsenstart.

Vegetarische Begeisterung: Beyond Meat feiert seinen furiosen Börsenstart.

(Foto: REUTERS)

Die Euphorie um Neuemissionen von jungen US-Techunternehmen kennt derzeit kaum Grenzen. Innerhalb von Tagen vervielfachen manche Aktien ihren Kurs. Doch kann diese Generation von Börsenneulingen die hohen Erwartungen der Anleger erfüllen?

Anleger, die auf die aktuell zahlreichen US-Börsengänge setzen, sollten sich gut anschnallen: Innovative aber großteils noch unprofitable Tech-Unternehmen mit einer Milliardenbewertung, sogenannte Einhörner, drängen vom Silicon Valley an die Börse und erzielen teils Kurssteigerungen von mehr als 100 Prozent. Beyond Meat, ein Hersteller von Fleischersatzprodukten, hat es besonders eindrucksvoll vorgemacht und seinen Aktienkurs innerhalb weniger Tage mehr als verdreifacht. Und schon kündigen sich mit Airbnb (Zimmervermittlung), Luckin Coffee (chinesische Kaffeehauskette), Fastly (Software) und CrowdStrike (Cybersicherheit) die nächsten Einhörner an der US-Börse an.

Beyond Meat
Beyond Meat 6,41

Einzige Ausnahme bei den furiosen Börsengängen waren zuletzt die Fahrdienste Uber und Lyft, die sehr ambitioniert bewertet wurden und nach der Neuemission regelrecht abgestürzt sind. Dass diese Entwicklung aber nichts über die langfristigen Aussichten zu sagen hat, zeigt das Beispiel Facebook, die 2012 an die Börse gegangen sind. Damals sank die Facebook-Aktie vom Ausgabepreis von 38 Dollar innerhalb weniger Wochen auf unter 18 Dollar. Aktuell notiert das Social Media-Unternehmen bei 180 Dollar und erzielt fette Gewinne. Abschreiben sollte man diese Börsenneulinge also nicht.

Zwar häufen die beiden Fahrdienste heftige Verluste in Milliardenhöhe an, doch das Wachstum ist enorm. Uber hat seine Buchungen innerhalb von zwei Jahren um 160 Prozent steigern können, und es besteht die Hoffnung, dass sie unser Zusammenleben so nachhaltig verändern wie etwa Facebook, Apple, Amazon, Netflix oder Google, also die sogenannten FAANG-Aktien. Im Autoland USA ist es dank Uber und Lyft möglich, in vielen Städten ohne Auto gut zu leben. 

Auf die Entwicklung kommt es an

Das Problem ist nicht allein die Bewertung, sondern ob diese ambitioniert bewerteten Titel sich tatsächlich positiv entwickeln können. Wer hätte gedacht, dass Amazon, die in den 1990er Jahren Bücher online verkauften, heute mit dem Cloud-Geschäft Geld verdienen und eine führende Rolle in diesem Tech-Segment einnehmen. Andere Börsengänge von Einhörnern wie Beyond Meat, die Fotoplattform Pinterest oder der Videodienst Zoom haben Anleger gleich überzeugt, wobei Beyond Meat mit einem Plus von 163 Prozent am ersten Handelstag der beste Börsenneuling seit 2000 war. Diese Papiere zählten auch hierzulande in ihrer ganzen Breite zu den gefragtesten Titeln: als Zertifikat, Hebelpapier oder auf Handelsplattformen wie etwa gettex oder eToro. 

Der Hype ist ungebrochen, weil derzeit vor allem die "Börsenstory" stimmen muss. Doch langfristig müssen diese Unternehmen in ihre hohen Bewertungen hineinwachsen können. Aktuell scheint Beyond Meat gute Karten zu haben: Die Bevölkerungsexplosion stellt die Nahrungsmittelbranche vor große Herausforderungen, die mit fleischlosen Proteinprodukten bewältigt werden können. Schließlich müssen bis 2050 geschätzt fast zehn Milliarden Menschen ernährt werden. Fleischersatzprodukte werden aber auch aus einem anderen Grund immer beliebter. Eine wachsende Zahl an Menschen legt großen Wert auf gesunde Ernährung. 

Niedrigzinsen sorgen für attraktives Umfeld

Bei Dienstleistern für Videos und Fotos, die ebenfalls fantastische Bewertungen erzielen, ist der Fall nicht ganz so eindeutig. Was vor allem eins zeigt: Anleger sind verzweifelt auf der Suche nach Rendite, die in anderen Bereichen durch die Niedrigzinspolitik der Notenbanken nicht mehr zu holen ist. So sind vor allem in Europa mit Anleihen häufig nur noch Negativrenditen zu erzielen. "Die Anzahl der europäischen Bonds, die eine negative Rendite abwerfen, ist in diesem Jahr um etwa 20 Prozent gestiegen", erklärt Carlo Alberto de Casa, Chefanalyst beim britischen Brokerhaus ActivTrades. 

Diese Entwicklung erinnert an die Jahre um die Jahrtausendwende, als die Zinsen auch niedrig waren und die Anleger vor allem auf die "Story" zum Börsengang achteten. Die Neuemissionsgewinne waren damals ähnlich hoch wie derzeit. Vielleicht fühlt sich mancher aber auch an die jüngere Vergangenheit erinnert. Einhörner wie Twitter, Snap und Spotify schossen in den ersten Tagen und Wochen nach dem Börsengang kräftig nach oben, um anschließend Kursverluste von 50 Prozent und mehr zu erleben. 

Für solche Unternehmen und damit auch für die Aktien wird es dann brisant, wenn die Story alleine nicht mehr zählt, sondern Fakten auf den Tisch kommen: Umsatz, Gewinn und Prognosen. Pinterest ist aktuell das beste Beispiel, deren Verluste im abgelaufenen Quartal drei Mal höher als erwartet waren und die Aktie nun um 15 Prozent einbrechen ließen. Die Hoffnung bleibt dennoch, denn schließlich konnten sich Twitter, Snap und Spotify von ihren Tiefständen auch wieder deutlich erholen.

Quelle: ntv.de

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