Wirtschaft

Abschied von den Niedrigzinsen? Draghi deutet Kurswechsel an

Will Wirtschaftskraft und Inflation mit Nullzinsen und Anleihenkäufe befeuern: EZB-Präsident Mario Draghi (Archivbild).

Will Wirtschaftskraft und Inflation mit Nullzinsen und Anleihenkäufe befeuern: EZB-Präsident Mario Draghi (Archivbild).

(Foto: AP)

Die wirtschaftliche Erholung gewinnt an Fahrt, die Deflationsrisiken schwinden: EZB-Chef Draghi kann die Signale des Aufschwungs in Europa offenbar nicht länger ignorieren. Im portugiesischen Sintra stellt er erstmals einen möglichen Kurswechsel in Aussicht.

Die entscheidenden Worte zum künftigen Kurs der Europäischen Zentralbank (EZB) fallen gegen 10.00 Uhr: Im portugiesischen Sintra tritt Zentralbankchef Mario Draghi ans Rednerpult, um vor Fachleuten die Geldpolitik der Euro-Währungshüter zu erläutern. Dabei spricht er erstmals seit Beginn der historischen Nullzinsphase von der Möglichkeit einer "graduellen Anpassung". Der Kurs des Euro zieht daraufhin steil an. An der Börse geben die Aktienkurse deutlich nach.

Bei dem Auftritt in Portugal signalisierte EZB-Präsident Draghi seine grundsätzliche Bereitschaft zur Anpassung der Geldpolitik an die anhaltende Konjunkturerholung in Europa. Zur Eröffnung des geldpolitischen Forums im portugiesischen Sintra äußerte er zudem die Einschätzung, dass die gegenwärtig inflationsbremsenden Effekte vorübergehender Natur sind.

"Wenn die Erholung anhält, dann wird eine unveränderte Geldpolitik akkommodierender, und die Zentralbank kann die Erholung begleiten, indem sie die Parameter ihrer Politikinstrumente anpasst - nicht, um die geldpolitische Ausrichtung zu straffen, sondern um sie weitgehend unverändert zu halten", sagte Draghi laut vorab verbreitetem Redetext.

An den Märkten lösten diese Aussagen deutliche Reaktionen aus: Der Euro schnellte binnen Minuten in die Höhe und stieg über die Marke bei 1,12 Dollar. An der Börse gingen die Aktienkurse dagegen auf Talfahrt. Der deutsche Leitindex Dax weitete seine Verluste aus dem frühen Handel aus und fiel unter die Kursschwelle bei 12.700 Punkten. Der Bund-Future zehnjähriger Bundestitel gab rund 70 Ticks auf 164,70 Prozent nach.

Worüber die EZB hinwegsehen kann

Der EZB-Präsident äußerte sich zudem zuversichtlich, dass früher oder später auch die Inflation auf das höhere Wachstum reagieren wird. "Es gibt zwar Faktoren, die den Inflationspfad belasten, aber gegenwärtig sind das hauptsächlich vorübergehende Faktoren, über die eine Zentralbank typischerweise hinwegsehen kann", sagte er.

Zugleich erteilte der EZB-Präsident aber einem schnellen Exit eine Absage: "Gleichwohl ist ein beträchtlicher Akkommodationsgrad der Geldpolitik weiter erforderlich, damit die Inflation dauerhaft und selbsttragend an Dynamik gewinnt. Um sicher zu gehen, dass die Inflation zu unserem Ziel zurückkehrt, muss die Geldpolitik ausdauernd sein", sagte Draghi. Anpassungen der EZB-Geldpolitik müssten graduell sein und dürften nur dann stattfinden, wenn es eine ausreichend hohe Sicherheit dafür gebe, dass die Dynamik zunehme.

Draghi hat damit nach Einschätzung von Analysten der Commerzbank weitere Signale für einen - allerdings vorsichtigen - Ausstieg aus der expansiven Geldpolitik gegeben. "Wir sehen unsere Prognose bestätigt, dass die EZB ab Anfang 2018 ihre Anleihenkäufe sehr langsam zurückfahren wird", schreibt Volkswirt Michael Schubert in einem Kommentar. Anzeichen für eine Zinserhöhung vor dem Ende der Käufe könne er unverändert nicht erkennen.

Quelle: ntv.de, mmo/DJ

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