Wirtschaft

Sorgen vor Bankenkrise in Europa Dieser Zinssatz infiziert nicht nur die Banken

US-Banken haben eine negative Entwicklung verkraften können, weil sie in den vergangenen Jahren Rekordgewinne eingefahren haben - in Europa sieht das anders aus.

US-Banken haben eine negative Entwicklung verkraften können, weil sie in den vergangenen Jahren Rekordgewinne eingefahren haben - in Europa sieht das anders aus.

(Foto: picture alliance / Carolyn Kaste)

Die erste Zinsentscheidung des neuen US-Notenbankchefs Powell ist kaum im Markt angekommen, da löst sie schwere Turbulenzen aus. Vor allem der Bankensektor dürfte leiden.

Das Leiden der Aktionäre der Deutschen Bank kennt kein Ende. Das Papier ist auf das Niveau von November 2016 eingebrochen, damit rückt das Rekordtief vom September 2016 zügig näher. "Für den jüngsten Kursrutsch haben die Aussagen von Finanzchef James von Moltke auf einer Investorenkonferenz in London gesorgt", sagt Jochen Stanzl, Chefstratege bei CMC Markets. Demnach muss Deutschlands Branchenprimus im Auftaktquartal eine Belastung von 300 Millionen Euro wegen Wechselkursen und von 150 Millionen Euro wegen steigenden Finanzierungskosten verkraften.

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Die Deutsche Bank bekommt, ebenso wie viele Konkurrenten, den kräftigen Anstieg des Libor (London Interbank Offered Rate) zu spüren. Er bildet die Zinsen am Interbankenmarkt in London ab und ist somit eine Art Referenzzinssatz für Kredite zwischen Banken und anderen institutionellen Anlegern. Der Libor wird für fünf Währungen berechnet: Dollar, Euro, Yen, britisches Pfund und Schweizer Franken, wobei der Großteil der Kredite auf dem Dollar basiert.

Wegen des Zinserhöhungszyklus der US-Notenbank sind nicht nur die Zinsen für kurzfristige US-Anleihen, sondern auch für Libor-Kredite auf Dollar-Basis kräftig geklettert. So ist der Zinssatz für den Drei-Monats-Libor auf Dollar-Basis gegenüber dem Stand von vor einem Jahr um 110 Basispunkte (1,1 Prozentpunkte) auf 2,27 Prozent nach oben geschossen. Die Refinanzierungskosten für die Kreditinstitute haben sich in den vergangenen zwölf Monaten also beinahe verdoppelt.

Das bekommen nicht nur die US-, sondern auch andere Institute wie etwa die Deutsche Bank zu spüren, weil viele von ihnen erhebliche Dollar-Libor-Kredite in den Büchern haben. Daher sind zuletzt bei Investoren Sorgen über eine mögliche Rückkehr der Bankenkrise in Europa hochgekocht. Der Branchenindex Stoxx Europe 600 Banks Index, der die Entwicklung der 48 führenden Institute der Region abbildet, ist auf das niedrigste Niveau seit April 2017 abgerutscht. Die heftigen Bewegungen haben auch zu deutlich höheren Umsätzen bei Brokern wie etwa Degiro oder an den Handelsplattformen wie gettex geführt.

An den Libor sind Billionen-Kredite gekoppelt

Die Rückkehr der Krise hätte massive Auswirkungen für die Realwirtschaft. Wenn es den Instituten nicht gut geht, dürften sie sich bei der Kreditvergabe zurückhalten. Das würde viele hochverschuldete Verbraucher und Unternehmen erheblich belasten. Als Konsequenz könnte die Konjunkturerholung in der Euro-Zone, die in den vergangenen Jahren vor allem von den niedrigen Zinsen angetrieben worden ist, schnell auslaufen. Zum Hintergrund: Weltweit sind Kredite im Volumen von rund 350 Billionen Dollar an den Libor, also an sämtliche fünf Währungen, gekoppelt. Das lässt inzwischen auch den US-Hypothekenmarkt nicht mehr kalt. Der Zinssatz für US-Hypotheken mit variabler Verzinsung ist seit dem Tief von Ende Mai 2017 um 60 Basispunkte auf 3,67 Prozent gestiegen.

Viele Normalverdiener in den USA haben in den vergangenen Jahren diese Kredite in Anspruch genommen und erwartet, dass die Zinsen unten bleiben würden. Jetzt sehen sie sich plötzlich steigenden Belastungen gegenüber. Die zuletzt schwachen Daten vom US-Immobilienmarkt bestätigen zunehmende Probleme.

US-Banken besser gerüstet

US-Banken haben eine negative Entwicklung verkraften können, weil sie in den vergangenen Jahren Rekordgewinne eingefahren haben. Doch ein steigender Libor ist für viele europäische Institute, die nicht zuletzt wegen der Strafzinsen der EZB nur eine niedrige Profitabilität haben, eine erhebliche Belastung.

Die Zeiten könnten nicht nur für die Aktionäre der Deutschen Bank, sondern auch für die vieler anderer Institute noch härter werden. Gleichzeitig dürfte eine heraufziehende Krise im Bankensektor in der Euro-Zone auch den Aktienmarkt insgesamt belasten. Umso genauer werden Investoren die nächsten Aussagen der US-Notenbanker beobachten.

Nur sie haben die Möglichkeit, die Lage im Bankensektor im Speziellen und am Aktienmarkt im Allgemeinen zumindest kurzfristig zu beruhigen. Dazu müsste Jay Powell allerdings signalisieren, dass die Fed ihren Zinserhöhungskurs etwas strecken könnte. Danach sieht es derzeit allerdings überhaupt nicht aus.

Quelle: ntv.de

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