Wirtschaft

Großer Knall im Zollstreit? Die USA und China verzocken sich

US-Präsident Trump und Chinas Staatschef Xi pokern im Handelsstreit immer höher. Bei der Kraftmeierei wird es keinen Sieger geben. Ein schlechtes Vorzeichen für das nächste Schlachtfeld im Zollkrieg: Europa.

Die Dramaturgie bleibt auch nach fast einem Jahr Handelsstreit zwischen den USA und China dieselbe: Die Verhandlungen machen Fortschritte, der Termin für einen Gipfeltermin rückt näher, es wird Optimismus verbreitet, dann platzt jemandem der Kragen - meistens Donald Trump - und alles beginnt von vorne. Die Gesprächsrunde, die für Donnerstag und Freitag in Washington anberaumt ist, ist bereits die elfte. Diesmal könnte der "point of no return", der Punkt, an dem es kein Zurück mehr gibt, jedoch erreicht sein, denn keine Seite ist offenbar verzweifelt genug, um einzulenken.

Entzündet hat sich der Streit zwischen den größten Volkswirtschaften der Welt an einer fast 150-seitigen Vorlage der US-Amerikaner, in der die Chinesen systematisch Passagen gestrichen haben, die zu Kernforderungen der US-Seite gehören. Trump wirft Peking Wortbruch vor. Bereits gemachte Zusagen seien wieder zurückgenommen worden. Die chinesische Regierung hat das mittlerweile zurückgewiesen.

Peking: "Nicht im Interesse beider Länder"

Geplatzt ist die "Bombe" kurz vor Eintreffen der chinesischen Verhandlungsdelegation unter Leitung von Vizepremier Liu He in Washington. Trump kündigte an, die Zölle für chinesische Waren bereits in der Nacht von Donnerstag auf Freitag von 10 auf 25 Prozent zu erhöhen und den Sonderzoll diesmal auf alle Einfuhren aus China auszuweiten. Peking drohte mit Gegenmaßnahmen, falls es dazu komme. Das Land werde seine Interessen verteidigen und habe auch die Mittel, dies zu tun. Welche, hat das chinesische Handelsministerium bislang nicht verraten.

Die Fronten sind so verhärtet wie noch nie. Die Folgen des Scheiterns sind dabei beiden Seiten klar. "Die Eskalation der Handelskonflikte ist nicht im Interesse der Menschen beider Länder und der Menschen auf der Welt", appelliert das chinesische Ministerium an die Regierung in Washington. Die Chancen dafür, dass die USA, wie China noch hofft, Entgegenkommen zeigen werden, stehen jedoch schlecht. Washington stört sich am riesigen Defizit der USA im Handel mit China und fordert eine Öffnung des dortigen Marktes, einen besseren Schutz von geistigem Eigentum und für Firmen ein Ende des bislang erzwungenen Technologie-Transfers in der Volksrepublik. China verteidigt seine Pfründe.

Anleger bekommen kalte Füße

"Ein erfolgreiches Handelsabkommen scheint nahezu vom Tisch", schätzen die Devisenexperten der Commerzbank die Lage ein. Beide Seiten seien dafür zu weit voneinander entfernt. Die Gespräche könnten "vollkommen scheitern und endgültig abgebrochen werden oder vorerst auf Eis gelegt werden". Auf jeden Fall würden die neuen Zölle die zukünftigen Verhandlungen "erschweren", heißt es.

Macht US-Präsident Trump seine Drohungen wahr?

Macht US-Präsident Trump seine Drohungen wahr?

(Foto: REUTERS)

Sowohl die USA als auch China poltern aus vermeintlicher Stärke heraus. Sie meinen, es sich erlauben zu können, aufs Ganze zu gehen. Auf der Suche nach einer Einigung entwickelt sich das zum Problem. Die US-Konjunktur läuft rund, bisher ist kaum ein Effekt durch den Handelsstreit auf die Wirtschaft zu spüren. Das heißt allerdings nicht, dass die Zölle in den USA nicht längerfristig zu höheren Preisen und geringerer Produktivität führen werden. Bislang treffen die US-Zölle vor allem Güter, die US-Verbraucher nicht jeden Tag kaufen. Das wird sich demnächst ändern, wenn Trump seine Drohungen wahr macht. 

Dass die USA an anderer Stelle bereits Schaden nehmen, zeigen die Ausreißer an den Finanzmärkten: Jede Wasserstandsmeldung im Handelsstreit treibt die Kurse - nach oben wie nach unten. Nach Trumps neuesten Drohungen erlitt der Dow-Jones-Index am Dienstag seinen größten Verlust seit Monaten.

Vieles hatte bis zum vergangenen Wochenende für eine Einigung im Handelskonflikt gesprochen. Trump hatte Zuversicht versprüht und die Wall Street hatte es honoriert. Dass so schnell eine neue Eiszeit hereinbricht, bekommt der Börsenanwärter Uber schmerzlich zu spüren. Der Fahrdienstvermittler plant seinen Börsengang am Freitag. Das Timing könnte kaum schlechter sein.

Trump legt sich mit erstarktem China an

Anders als in der US-Wirtschaft hat der Handelsstreit in der chinesischen Konjunktur durchaus deutliche Bremsspuren hinterlassen. Durch die Strafzölle beider Seiten ist der Handel mit den USA zuletzt deutlich eingebrochen - im ersten Quartal um 15,4 Prozent im Vergleich zum Jahr zuvor. Im März fielen Chinas Ausfuhren auf den US-Markt um 8,5 Prozent. Importiert hat China in gleichen Monat knapp 32 Prozent weniger aus den USA als im Vorjahr.

Dass Chinas Premier Xi Jinping den starken Mann markiert, hat damit zu tun, dass die Regierung Vorkehrungen getroffen hat, in dieser Eiszeit mit den USA möglichst gut zu überwintern. Peking hat erfolgreich gleich eine ganze Reihe von Konjunkturmaßnahmen ergriffen. Die Staatsausgaben wurden massiv erhöht, um die heimische Wirtschaft zu stützen. Dazu gehören auch einige Steuervorteile für den privaten Sektor. Den Banken wurde aufgetragen, mehr Kredite zu vergeben. Das fördert den Privatkonsum und treibt die Baubranche an. Auch wenn langfristig so eine Politik gefährlich sei, sei die Zuversicht zurück, die Wirtschaft stabil, urteilen Experten. "China nähert sich dieser Verhandlungsrunde in einer erheblich stärkeren wirtschaftlichen Position als noch vor sechs Monaten," erklärt zum Beispiel der Präsident des in New York ansässigen Asia Society Policy Institute, Kevin Rudd, dem US-Sender CNBC.

Trump versuche die Welt fälschlicherweise glauben zu machen, dass Peking wirtschaftlich "verzweifelt genug" sei, eine Einigung mit Washington unter allen Umständen zu treffen, erklärt Rudd. Wie stark die Chinesen sich derzeit fühlten, wie sehr sie bereit seien, es mit Trump aufzunehmen, zeigen aus seiner Sicht zwei Dinge: erstens die Größe der Delegation, die in Washington weilt. Diese sei erheblich kleiner als geplant. Und zweitens die Tatsache, dass Pekings Abgesandter Liu ausdrücklich nicht mehr als Sonderbeauftragter des chinesischen Präsidenten reise. Die Chinesen demonstrierten so Stärke, sagt Rudd.

Ist an der Front zu China kein Erfolg in Sicht, steht zu befürchten, dass sich Trump einem anderen Gegner im globalen Zollstreit zuwenden wird. Europa steht diesen Monat die große Schlacht um die Autozölle ins Haus. Schon am 18. Mai könnte eine Entscheidung fallen.

Quelle: ntv.de

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