Wirtschaft

Besteuerung von Daten "Die Idee der Kanzlerin ist richtig"

Fairness ist relativ. Apple etwa hat jüngst einen lukrativen Deal mit der US-Steuerbehörde geschlossen.

Fairness ist relativ. Apple etwa hat jüngst einen lukrativen Deal mit der US-Steuerbehörde geschlossen.

(Foto: imago/ZUMA Press)

Der Österreicher Viktor Mayer-Schönberger ist Professor für Internetregulierung an der Uni Oxford. Er will die US-Internetgiganten wie Google und Facebook nicht zerschlagen, sondern ihre Monopole brechen. Und dazu hat er die passende Idee.

n-tv.de: Die deutsche Kanzlerin will Daten in die Besteuerung der Internetgiganten einbeziehen. Was halten Sie davon?

Viktor Mayer-Schönberger: Ich finde das richtig. Firmen wie Facebook und Amazon fahren seit Jahren Riesengewinne ein. Selbst wenn sie sich wie Apple das Wort "Fairness" auf die Fahnen geschrieben haben, zahlen sie - relativ gesehen - deutlich weniger Steuern als andere Konzerne. Apple etwa hat jüngst einen Deal mit der US-Steuerbehörde geschlossen. Danach muss Apple mit 13,5 Prozent weniger als die Hälfte des normalerweise fälligen Steuersatzes abführen. Das ist kleinen und mittleren Unternehmen, aber auch der Gesellschaft gegenüber unfair.  

Das beklagen Kritiker seit Jahren. Trotzdem kommt die Diskussion über eine Web Tax nicht wirklich voran. Was also muss passieren?

Nicht allein die ungerechte Verteilung der Profite ist ein Problem, sondern vor allem wie Gewinne entstehen. Typische Steuern können durch Umverteilung nur Symptome bekämpfen, aber nie die Wurzel des Übels. Denn selbst wenn Apple & Co mehr Steuern zahlen würden, heißt das noch lange nicht, dass kleine und mittlere Mitbewerber eine Chance bekämen. Die Monopolstellung der Internetgiganten bleibt bestehen. Und das ist schädlich für Wirtschaft und Gesellschaft. 

Die Diskussion wird allerdings nicht aus dem Blickwinkel des Wettbewerbs geführt. Sie ist eine Gerechtigkeitsdebatte.

Das ist nachvollziehbar. Aber ein Stück weit sind die Nationalstaaten selber schuld. Denn viele Mitgliedsstaaten der EU haben immer wieder bewusst Steuerschlupflöcher aufgemacht, um erfolgreiche amerikanische Internet-Unternehmen anzulocken. Denken Sie nur an Luxemburg, Holland, Irland, Österreich oder - außerhalb der EU - die Schweiz. Es sind nicht bloß die Konzerne, die sich ständig neue Tricks einfallen lassen, sondern auch Politik und Finanzverwaltung, die als willige Helfer agieren. Das muss aufhören.

Exakt an der Stelle ist aber schon eine Menge passiert.

Richtig. Doch es bleibt noch einiges zu tun. Auch hier müssen die Staaten begreifen, dass Europa nur gemeinsam stark sein kann. Deshalb wäre die noch stärkere EU-weite Harmonisierung der Bemessungsgrundlage der Unternehmensbesteuerung ein echter Fortschritt. Aber wie gesagt: Die eigentliche Herausforderung kann nicht mit dem Steuerrecht bewältigt werden.

Die EU-Staaten sehen es aber so. Um an Geld der Konzerne heranzukommen, will ihr Heimatland Österreich die Internetriesen steuerlich als "virtuelle Betriebsstätte" erfassen, notfalls auch auf nationaler Ebene.

Eine dumme Idee.

Warum?

Der Regierung in Wien geht es nicht um Gerechtigkeit, sondern vor allem darum, sich mit der bloß scheinbaren Verteidigung der Besitzstände kleinerer und mittlerer Unternehmen zu brüsten. Es ist ja nicht so, dass Google, Apple & Co keine physische Präsenz in Europa hätten. Apple beschäftigt alleine in Irland tausende Mitarbeiter. Da brauche ich die "virtuelle Betriebsstätte" nicht.

Allerdings hat die EU-Kommission den Vorschlag aufgegriffen.

Ja, aber noch wird dort über Details gerungen. Mit ihrem angedrohten Alleingang hat die österreichische Regierung vor allem intellektuelle Unbelecktheit gezeigt: Sie fokussiert auf ein Problem, das so nicht besteht, mit einer Lösung, die deshalb kaum etwas bringt. Viel wichtiger wäre, die Weichen für einen fairen Wettbewerb zu stellen und sich nicht bloß in Verteilungskämpfen des 20.Jahrhunderts zu verfangen. Wir müssen neue Wege einschlagen.

Die da wären?

Wir müssen dafür sorgen, dass die Superstarfirmen echte Konkurrenz bekommen - etwa indem wir sie verpflichten, Mitbewerbern Zugriff auf einen Teil ihrer Daten zu gewähren, natürlich nachdem sie anonymisiert wurden. Denn diese sind das Rohmaterial für den Erfolg. Das sichert Wettbewerb und Innovation. Und indem es europäischen Unternehmen neue Chancen einräumt, führt es letztlich auch zu höheren Steuereinnahmen.  

Dann sind sie nah bei dem, was Angela Merkel gemeint hat?

Ganz genau. Man könnte sogar so weit gehen, den Konzernen eine Wahlmöglichkeit zu geben: Entweder sie zahlen mehr traditionelle Steuern oder sie "kaufen" sich davon frei, indem sie ihre in Europa gesammelten Daten anonymisiert kleineren Mitbewerbern zur Verfügung stellen.

Wie soll das funktionieren?

Ich weiß, dass das futuristisch klingt. Aber es gibt Beispiele, etwa in den USA. Dort verpflichtete das Justizministerium Google schon vor Jahren, einen Teil seiner Daten anderen - auch direkten Mitbewerbern wie Microsoft - zu fairen Konditionen zur Verfügung zu stellen. Technisch ist das ohne Problem machbar.

Sie wollen also nicht die Konzerne zerschlagen, sondern ihre Marktmacht brechen?

So ist es. Denn es ist diese konzentrierte Macht einiger weniger Konzerne, die nicht nur Wettbewerb verhindert, sondern vor allem den Markt an sich verletzlich macht.

Halten Sie das für gefährlich für die Demokratie?

Absolut. Der Markt ist deshalb so robust, weil alle Teilnehmer für sich entscheiden. Macht jemand einen Fehler und kauft etwas Falsches, bricht damit der Markt noch zusammen. Ähnlich ist es in der Demokratie. Auch sie ist so robust, weil alle und nicht bloß ein Führer entscheiden. Die Internetgiganten aber zentralisieren die Entscheidungen. Sie geben über die Produktempfehlungen und digitalen Assistenten immer stärker vor, was wir kaufen. 30 Prozent des Umsatzes aus Empfehlungen soll es bei Amazon sein. Wir entscheiden nicht mehr individuell, sondern durch Amazon. Das ist Planwirtschaft zum Wohle sehr weniger Konzerne.

Man könnte nun sagen: Wir Verbraucher sind doof und machen das Spiel mit.

Nein. Wir können ja bei Amazon nur Amazons Empfehlungsassistenten nutzen. Viel besser wäre es, wir könnten unsere Entscheidungshilfe wählen, und etwa bei Amazon die Kaufempfehlungen der Stiftung Warentest bekommen. Es ist diese Vielfalt der Entscheidungshilfen, die wir brauchen.

Mit Viktor Mayer-Schönberger sprach Thomas Schmoll

Quelle: ntv.de

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