Wirtschaft

Egal ob Premium- oder Massenhersteller Deutscher Automarkt bricht massiv ein

Volkswagen bekommt die Absatzkrise in Europa immer deutlicher zu spüren.

Volkswagen bekommt die Absatzkrise in Europa immer deutlicher zu spüren.

(Foto: picture alliance / dpa)

Daimler kappt die Prognose. VW, Audi und BMW melden Gewinnrückgänge: Das erste Quartal deutet bereits an, dass die Absatzkrise auch an den deutschen Herstellern nicht spurlos vorübergeht. Aktuelle Daten zeigen es, die Lage ist ernster als gedacht.

Passend zur derzeitigen Hochwasserlage in Deutschland meldet auch die deutsche Autobranche hierzulande Land unter und keine Spur von Frühlingserwachen: Die Pkw-Neuzulassungen gingen nach neuesten Daten im Mai um fast ein Zehntel zurückt. Die zarte Hoffnung auf eine Erholung des krisengebeutelten europäischen Marktes könnte damit bereits wieder dahin sein.

In der Bundesrepublik schrumpften die Verkäufe im Mai nach Angaben des Kraftfahrtbundesamtes um 9,9 Prozent auf nur noch 261.316 Pkw. Der Vorjahresvergleich ist zwar etwas verzerrt, weil es im Vormonat weniger Verkaufstage gab als noch 2012. Der Rückblick auf die ersten fünf Monate zeigt allerdings wie nachhaltig der Abwärtstrend ist: Die Verkäufe gaben im bisherigen Jahresverlauf um 8,8 Prozent nach.

Viele Kunden griffen lieber zu Gebraucht- und Jahreswagen, wie aus den Zahlen hervorgeht: Seit Jahresbeginn wechselten 2,97 Millionen Autos den Halter. Die Zahl wuchs gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 2,4 Prozent.

Experten sind enttäuscht

Vor allem die gewerblichen Zulassungen schrumpften zuletzt deutlich. Den heftigsten Rückgang musste im Mai insgesamt gesehen die italienische Marke Alfa Romeo hinnehmen, bei der die Verkäufe um fast zwei Drittel einbrachen. Außer bei Jaguar, Mazda, Land Rover, Seat, Dacia und Porsche gaben die Absätze sämtlicher Marken nach. Auch deutsche Hersteller verbuchten fast ausnahmslos prozentual zweistellige Minuszeichen.

Experten zeigten sich enttäuscht von der Entwicklung im Mai. Jürgen Pieper vom Bankhaus Metzler hatte einen nur halb so hohen Rückgang erwartet. "Zwar wird sich der Markt im Jahresverlauf leicht bessern, aber nicht wirklich gut werden", prognostiziert er. "Zwischenzeitlich wird es mal bessere und mal schlechtere Monate geben." Unterm Strich wird nach Piepers Einschätzung 2013 ein Minus der deutschen Neuzulassungen von bis zu fünf Prozent zu Buche stehen.

Entsprechend negativ fällt die Reaktion am Aktienmarkt auf die Zulassungszahlen aus: Die Volkswagen-Aktie gibt beispielsweise 1,2 Prozent nach und Daimler 0,9 Prozent. BMW zieht dagegen rund 0,1 Prozent an. Die deutschen Automobiltitel gehören zu den größten Tagesverlierern.

Absatzprognose hinfällig

Der deutsche Verband der Automobilindustrie kappte angesichts des schwachen Jahresstarts erst im Mai die Prognose für den Heimatmarkt. Der VDA rechnet zwar weiter mit einer Besserung der Lage im zweiten Halbjahr, aber trotzdem nur noch mit einem Absatz zwischen 2,9 und 3 Millionen Pkw. Zuvor hatte der Lobbyverband mindestens gut 3 Millionen Verkäufe erwartet und sogar den Vorjahreswert von 3,1 Millionen Autos für erreichbar gehalten.

Der deutsche Automarkt ist der größte Europas und war lange Zeit der Stabilitätsanker. Auch wenn es in Europa im April leicht nach oben ging und erstmals seit September 2011 die monatlichen Verkäufe zulegten, rechnen Experten doch damit, dass die weltweit drittgrößte Vertriebsregion in diesem Jahr zum sechsten Mal in Folge deutlich schrumpfen wird. Das würde das niedrigste Niveau seit Anfang der 1990er Jahre bedeuten.

"Von einer Trendwende in Westeuropa kann vorerst keine Rede sein - im besten Fall ist nun die Talsohle erreicht", sagt Peter Fuß, Partner und Automobilexperte bei Ernst & Young. Die Absatzzahlen dürften nach seiner Einschätzung vorerst auf niedrigem Niveau stagnieren: "Natürlich haben viele Europäer in der Krise Autokäufe aufgeschoben, sodass der Bedarf an Neuwagen grundsätzlich hoch ist. Allerdings befindet sich die Konjunktur in den europäischen Krisenländern nach wie vor im Abwärtsstrudel und die Arbeitslosigkeit steigt weiter".

Mehr Klarheit in zwei Wochen

Etwas mehr Klarheit über die Entwicklung in Europa könnte der 18. Juni bringen. Dann wird der europäische Branchenverband Acea die neuesten Zahlen zu den Europa-Zulassungen im Mai veröffentlichen. Die Vorzeichen sind alles andere als gut. Denn auch auf zwei anderen maßgeblichen Märkten, Italien und Frankreich, ging es im Mai deutlich bergab - und zwar um acht beziehungsweise zwölf Prozent, wie in den vergangenen Tagen veröffentlichte Zahlen belegen.

Besonders betreffen dürfte die Schwäche des deutschen und europäischen Marktes die hiesigen Hersteller. Schließlich seien die europäischen Konzerne in besonderem Maß vom westeuropäischen Markt abhängig, rechnet Fuß vor: Die deutschen Hersteller verkauften mehr als jedes dritte Auto in Westeuropa, bei den südeuropäischen Herstellern PSA, Renault und Fiat seien es sogar vier von zehn Fahrzeugen.

"Aufgrund der Absatzkrise in Westeuropa und des anhaltenden Preisdrucks im Volumengeschäft bleibt die Situation vor allem für die südeuropäischen Hersteller extrem schwierig", sagt Fuß. "Die fetten Jahre sind vorerst vorbei - der Wettbewerb ist gnadenlos und die Ausgangslage für europäische Hersteller derzeit denkbar ungünstig."

Dass das schwierige Marktumfeld auch an den bis dato so krisenfesten deutschen Autoherstellern nicht mehr spurlos vorübergeht, hatte sich bereits in den Erstquartalsbilanzen gezeigt. So musste beispielsweise Daimler nach nur wenigen Wochen die Jahresprognose kappen und BMW, Volkswagen und Audi mussten Gewinnrückgänge hinnehmen. 

Kontakt zum Autor: nico.schmidt@dowjones.com  Mitarbeit: Ilk

Quelle: ntv.de, Nico Schmidt , DJ

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