Wirtschaft

Im Fadenkreuz der Hedgefonds Deutsche Firmen leiden unter US-Attacken

RTX2997K.jpg

(Foto: USA Today Sports)

Erst Wirecard, dann Ströer - wer ist der nächste? Deutsche geraten zusehends unter Beschuss durch spekulative Investoren aus den USA.

Die Verunsicherung bei den Aktionären von Ströer hält an: Nach einer kurzen Erholung tendiert die Aktie seit etlichen Tagen lediglich seitwärts. Was war passiert? Ein Hedgefonds hatte dem Unternehmen unterstellt, unter anderem falsche Angaben zum Wachstum gemacht zu haben. Ströer wies das als "vollkommen haltlos" zurück und will rechtliche Schritte prüfen. Doch zeitweise waren die Ströer-Aktie um ein Drittel eingebrochen.

Ströer
Ströer 61,25

Bei Ströer, immerhin ein Titel aus dem MDax und vielen im Straßenbild durch bewegliche und digitale Werbetafeln bekannt, war es ein Hedgefonds namens Muddy Waters – kein unbekannter Akteur in der Branche – der sich die Aktie vorgenommen hatte.

Die Idee ist dabei immer die gleiche: Die US-Hedgefonds spekulieren auf fallende Kurs, gehen also short, im Anschluss daran gibt es eine umstrittene Studie zum jeweiligen Unternehmen, die Schwächen in Bilanz oder Geschäftsmodell unterstellt - und natürlich eine geringere Bewertung annimmt. Und die Aktienkurse geraten unter Druck.

Und wie profitieren Investoren von fallenden Aktienkursen? Sie verkaufen geliehene Aktien und versuchen, diese bis zur Rückgabe billiger zurückzukaufen, um damit die Differenz als Gewinn einzustreichen. Diese so genannten Leerverkäufe funktionieren auch dann, wenn sich Investoren die Aktien nicht einmal geliehen haben. Das heiß: Investoren können eine große Zahl von Aktien auf den Markt werfen, die sie nicht besitzen – und damit die Kurse drücken.

Eine Auswertung der Pflichtmitteilungen über Leerverkäufe im elektronischen Bundesanzeiger sowie der Daten des Dienstleisters Markit für das Wirtschaftsmagazin "Capital" hat ergeben, dass die Leerverkaufsattacke von rund einem Dutzend Hedge-Fonds auf die Aktien des Zahlungsdienstleisters Wirecard im Frühjahr kein Einzelfall war. Zum Kreis der Abschusskandidaten gehören auch so bekannte Unternehmen wie der Kali- und Salzproduzen K+S und der Bau- und Dienstleistungskonzern Bilfinger. Bei letztgenannten wusste man schon länger davon, doch auch der Roboter- und Anlagenbauer Kuka ist auf der Liste.

Die US-Adressen sind seit der zweiten Jahreshälfte vermehrt aktiv, Berechnungen bei der Bafin offenbaren zudem Probleme, die Leerverkaufspositionen rechtzeitig zu enttarnen. Zu den größten Leerverkäufern zählen die Hedgefonds Coatue Asset Management sowie Theleme Partners.

Beide Hedgefonds setzen auch bei Ströer auf fallende Kurse, hinzu kam besonders Muddy Waters mit seiner Studie. Insgesamt summieren sich die öffentlich bekannten Leerverkaufspositionen bei Ströer auf 4,5 Prozent. Die tatsächliche Quote liegt laut "Capital" jedoch nochmals deutlich darüber, da die Positionen lediglich beim Überschreiten von Schwellenwerten veröffentlicht werden müssen.

Ströer ist die am stärksten leerverkaufte Aktie

Insgesamt sind nach Berechnungen des Datendienstleisters Markit bei Wirecard 24,5 Prozent und bei Ströer 14,8 Prozent der Aktien leer verkauft. Damit ist Ströer laut Markit die am stärksten leerverkaufte Aktie unter sämtlichen Werten aus Dax und MDax. Bei Ströer entspricht dies einem Drittel aller frei gehandelten Aktien. Der US-Hedgefonds Muddy Waters geht mit seinen Interessen übrigens ganz unverblümt um und erklärte im Dezember 2015 in einem Interview: "Europäische Konzerne sind reif für Leerverkäufe aufgrund ihrer Verschuldung und einem Mangel an Kontrolle durch Investoren."

Anleger sollten nicht übersehen, dass sich Muddy Waters in den vergangenen Jahren einen bekannten Namen als Short Seller erarbeitet hat und damit nicht vergleichbar ist beispielsweise mit Zatarra Research, die einen Angriff auf Wirecard gestartet hatte. So hatte Muddy Waters im Juni 2011 dem Besitzer von Waldflächen in China Sino-Forest Betrug vorgeworfen. Im März 2012 hatte die Firma dann Insolvenzantrag gestellt und wird seitdem von den Anleihegläubigern des Unternehmens kontrolliert.

Wichtig bei Attacken der Leerverkäufer ist, ob das Unternehmen wirklich Schwächen aufweist. Denn sonst kann das Ganze ein Strohfeuer sein, sich der Kurs erholen - und der Spekulant dumm dastehen. Denn jede Leerverkaufsposition muss wieder geschlossen werden, gut abzulesen auch am größten Short-Spekulation in diesem Jahr am US-Markt. Dort war mit Tesla ein großer Fisch unter Beschuss und die Aktie erholte sich in einer Phase von Short-Eindeckungen, sprich Auflösen dieser Positionen von 140 bis auf 260 Dollar. Das schmerzt jedem Short-Spekulanten und gibt im Gegenzug allen eine Chance, die sich wiederum gegen die Angreifer stellen.

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen