Wirtschaft

Überraschend große Verluste Deutsche Bank schockt Analysten

Die Umbrüche gehen bei der Deutschen Bank gewaltig ins Geld: Deutschlands größtes Geldhaus rauscht mit der Bilanz des zurückliegenden Jahres unerwartet tief in die roten Zahlen. Börsianer reagieren gespalten auf die Verlustwarnung.

Die erste Jahresbilanz des neuen Deutsche-Bank-Chefs John Cryan fällt den am Vorabend präsentierten Kennzahlen zufolge brutaler aus als von Experten erwartet. Vor Steuern muss das Kreditinstitut für 2015 einen Verlust von 6,1 Milliarden Euro ausweisen, wie Deutschlands größtes Geldhaus am Vorabend überraschend mitteilte.

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Die Hiobsbotschaft dürfte viele Anleger auf dem falschen Fuß erwischen: Die Mehrheit der Analysten hatte sich im Vorfeld mit weit weniger schlimmen Zahlen gerechnet. Unter dem Strich - als nach Abzug der Steuerlasten - beläuft sich das Minus sogar auf 6,7 Milliarden Euro. So schlecht hatte die Bank nicht einmal auf dem Höhepunkt der Finanzkrise 2008 abgeschnitten.

Ein Grund für die horrenden Ergebnisse liegt in den nach wie vor schwelenden Rechtsstreitigkeiten mit seinen schwer kalkulierbaren Risiken. Zudem hat Cryan der Deutschen Bank einen weiteren teuren Umbau verordnet. In einem Brief an die Mitarbeiter rechtfertigte er die kostspielige Neuausrichtung als unbedingt erforderlich: "Die genannten Belastungen sind die Konsequenz aus den notwendigen Entscheidungen, die wir im Rahmen der Strategie 2020 getroffen haben", erklärte er. Diese Entscheidungen würden die Bank einfacher und effizienter machen.

Erste Reaktionen an der Börse

An der Börse löste die am Vorabend überraschend vorgelegte Gewinnwarnung unterschiedliche Reaktionen aus: In ersten Einschätzungen zeigten sich Händler gespalten auf die vorläufigen Zahlen der Deutschen Bank.

Optimistischere Stimmen hoben hervor, dass es sich um ein "Großreinemachen" bei der Bank handele. Daher sei der nun avisierte Jahresverlust von rund 6,7 Milliarden Euro als Tiefpunkt in der Bankgeschichte zu betrachten. Zudem sei die Kernkapitalquote gut.

"Dazu zeigt sich, dass es kein Risiko einer weiteren Kapitalerhöhung gibt", wie ein Händler anmerkte. Dies dürfte für eine Erleichterungsrally sorgen, da dieses Thema immer über der Aktie geschwebt habe. Zudem sei der Kurs nach unten derart ausgereizt worden, dass allein Short-Eindeckungen für Kursgewinne sorgen sollten.

"Zahlen sind horrend schlecht"

Andere Marktteilnehmer äußerten sich dagegen "entsetzt" über die Höhe des Verlustes und der zusätzlichen, operativen Schwäche der Bank. "Der Verlust ist fast 2 Milliarden Euro höher als die Erwartungen und auch operativ läuft es nicht", sagte ein Händler: "Die Zahlen sind horrend schlecht". So werde etwa im Investmentbanking "nicht nur kein Geld verdient", sondern auch der Umsatz lasse nach und liege mehr als 600 Millionen Euro unter den Erwartungen.

Dazu überrasche die Höhe der Rückstellungen für Rechtsstreitigkeiten, hieß es im Lager der pessimistischen Stimmen weiter. Hier sei kein Ende dieses Problemkomplexes zu erkennen. Die geringe Reaktion im nachbörslichen Handel solle daher nicht überbewertet werden, so der Händler weiter: "Dabei dürfte es sich eher um Lähmung aus Entsetzen gehandelt haben. Die echte Verkaufswelle dürfte erst im Kassahandel kommen".

John Cryans klare Warnung

Aufmerksame Investoren waren allerdings vorgewarnt: Cryan hatte bereits im Herbst davon gesprochen, dass die Deutsche Bank, wenn kein Wunder geschehe, im Gesamtjahr einen Verlust ausweisen werde. Die Dividende strich er deshalb vorsorglich komplett, und auch die Beschäftigten müssen sich auf Einschnitte einstellen - etwa bei den sonst so üppigen Bonuszahlungen.

Details zum abgelaufenen Geschäftsjahr will der neue Mann an der Spitze zwar erst am 28. Januar präsentieren. Doch schon mit der Vorlage der ersten Eckdaten zur Jahresbilanz ist klar, dass die Deutsche Bank weit davon entfernt ist, wieder in ruhiges Fahrwasser zu kommen.

Anleger brauchen wohl weiter viel Geduld: Noch immer sind nicht alle juristischen Altlasten aus der Finanzkrise, etwa US-Hypothekenklagen, abgeräumt. Die Rückstellungen für solche und andere Skandale belaufen sich nun im Gesamtjahr auf 5,2 Milliarden Euro - allein im Schlussquartal kam noch einmal eine gute Milliarde dazu. Und ein Ende dieser Belastungen ist Insidern zufolge auch in diesem Jahr nicht absehbar.

Zur radikalen Schrumpfkur, die Cryan der vergleichsweise renditeschwachen Bank verordnet hat, gehört auch der Abbau von unter dem Strich 9000 Stellen im Konzern. Knapp die Hälfte davon entfällt auf Deutschland und das hiesige Privatkundengeschäft. Hier werden - wegen geplanter Abfindungen - Kosten von rund einer Milliarde Euro erwartet, die ebenfalls schon ins Schlussquartal gebucht wurden.

In den letzten drei Monaten des zurückliegenden Jahres steht daher ebenfalls ein Verlust zu Buche: vor Steuern beläuft er sich auf rund 2,7 Milliarden Euro, nach Steuern auf 2,1 Milliarden. Bremsspuren gibt es aber auch im Tagesgeschäft, insbesondere im Investmentbanking, wie die Deutsche Bank einräumte. Details nannte sie zwar nicht, sondern sprach lediglich von "herausfordernden Marktbedingungen", die zu einem Ertragsrückgang zum Jahresende beigetragen hätten.

Aktienkurs erreicht neuen Tiefstand

Wie stark der Gegenwind in der Branche der internationalen Großbanken derzeit bläst, konnten Beobachter bereits an der Bilanz des Deutsche-Bank-Wettbewerbers Goldman Sachs ablesen. Die Zahlen der US-Großbank hatten erst vor wenigen Tagen das gesamte Ausmaß der Misere demonstriert: Der einst so lukrative Handel mit festverzinslichen Wertpapieren steckt dauerhaft in der Krise.

Cryan will dieses Geschäft zwar zurückfahren, um das knappe Kapital zu schonen. Doch noch ist die Deutsche Bank hier ein großer Spieler und dürfte entsprechend hart getroffen werden. Am Markt haben einzelne Anleger ihren Glauben an eine schnelle Genesung der Deutschen Bank offenbar verloren: Im späten Mittwochshandel fielen die Aktien der Deutschen Bank um rund sechs Prozent zurück auf 17,78 Euro. Damit lag der Kurs so niedrig wie zuletzt im März 2009.

Quelle: ntv.de, mmo/DJ/rts

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