Wirtschaft

Marchionne und Fiat Chrysler Der unbeliebte Retter wird ersetzt

Sergio Marchionne leitete 14 Jahre lang die Geschicke von Fiat und Fiat Chrysler - nun folgt ihm Mike Manley (r.) nach.

Sergio Marchionne leitete 14 Jahre lang die Geschicke von Fiat und Fiat Chrysler - nun folgt ihm Mike Manley (r.) nach.

(Foto: AP)

Sergio Marchionne hat Italiens Autobauer Fiat vom schrottreifen Unternehmen zum Global Player gemacht. Jetzt kämpft er um sein Leben. Die Italiener zeigen sich tief betroffen, obwohl sie sich mit ihm nie wirklich anfreunden konnten.

Wie es Sergio Marchionne, dem 66-jährigen Chef des Autobauers FCA, wirklich geht, ist schwer zu sagen. Italienische Medien berichten, er liege im Koma. Dabei war er doch nur für eine Schulter-Operation nach Zürich geflogen. Doch der Beschluss des Aufsichtsrats, ihn sofort zu ersetzen, macht stutzig. An seine Stelle wurde gestern Jeep-Chef Mike Manley berufen, zum Präsidenten der Tochterfirma Ferrari John Elkann, während der langjährige Chef von Philip Morris, Louis Carey Camilleri, die Ferrari-Geschäftsführung übernimmt.

14 Jahre lang war Marchionne am Ruder von Fiat, das er eigentlich 2019 abgeben sollte. 14 Jahre, in denen er ein schrottreifes Unternehmen zum siebtgrößten Autobauer der Welt machte, mit 237.000 Arbeitnehmern weltweit und einem Umsatz von 110 Milliarden Euro. Der Kapitalwert liegt heute - alle Ausgliederungen mitgezählt - bei 60 Milliarden Euro. 2004, als Marchionne antrat, waren es noch 5,5 Milliarden.

Eine Erfolgsgeschichte also, die zweifelsohne Sergio Marchionne zu verdanken ist, diesem Italo-Kanadier, dem Sohn eines Carabiniere aus der süditalienischen Region Abruzzen. Ohne ihn gebe es wahrscheinlich Fiat nicht mehr. Beziehungsweise keine FCA (Fiat Chrysler Automobiles), wie der Konzern seit der Übernahme der US-amerikanischen Chrysler Group im Januar 2014 heißt.

Dabei versprach der Anfang nichts Gutes. "Zahlenmäßig gesehen steht Fiat vor dem Aus. Wir verlieren jeden Tag zwei Millionen. Wenn das Wort bankrott bedeutet, kein Geld mehr für die Schulden zu haben, sind wir soweit", erklärte Marchionne dem damaligen Geschäftsführer der Firmenholding Ifi Gianluigi Gabetti, während er sich in der Kochnische hinter seinem Büro ein paar Spiegeleier machte. An diese Szene, die sich Anfang 2003 in Turin, im damaligen Hauptquartier von Fiat, abspielte, erinnert der ehemalige Chefredakteur der Tageszeitung "La Repubblica", Ezio Mauro.

"Maulesel aus den Abruzzen"

Am 24. Januar 2003 war Gianni Agnelli gestorben und hatte ein seit Jahren marodes Unternehmen hinterlassen. Agnelli galt als der Übervater der 1899 gegründeten Fabbrica Italiana Automobili. Außerdem war er wegen seiner Eleganz, seinem dandyhaften Lebensstil und dem guten Draht zu den italienischen Machthabern so etwas wie ein Aushängeschild der Firma. Dass das Unternehmen den Bach hinunterging, schien stattdessen zweitranging, denn der Staat war immer wieder zu finanziellen Belebungsspritzen bereit.

Es ist nicht so, dass Marchionne kein Netzwerk zu den Mächtigen aufgebaut hat. Im Gegenteil: Dass er Chrysler übernehmen konnte, verdankt er dem guten Draht zum damaligen US-Präsidenten Barack Obama. Und auch mit Donald Trump nahm er sofort Kontakt auf.

Allerdings wird Marchionne von den Italienern als das genaue Gegenteil von Agnelli wahrgenommen. Der ehemalige Chefredakteur der Tageszeitung "Il Foglio", Giuliano Ferrara, schreibt über ihn: "Marchionne ist ein Maulesel aus den Abruzzen, der in Kanada und der Schweiz zum Weltbürger wurde. Der sich mit Finanzen bestens auskannte, aber ein Neuling in der Autoindustrie, in der Leitung eines Unternehmens, in der Entwicklung neuer Modelle, in den Verhandlungen mit den Gewerkschaften war. Nichtsdestotrotz scheute er sich nicht, das ein Jahrhundert alte Wrack, längst verflossenes Symbol des italienischen Wirtschaftswunders, mit wenig finanziellem Freiraum für Investitionen und Innovation, also auch für Produktion und Verkauf, zu übernehmen." Eine Waghalsigkeit, die belohnt wird.

Doch der Großteil der Italiener hat sich trotz des Erfolges nie wirklich mit Marchionne anfreunden können. Zwar fand man seinen Tick, nur in Kaschmirpullis aufzutreten, schrullig. Man verübelt es ihm jedoch bis heute, das Hauptquartier von Turin nach Detroit verlegt zu haben - wobei der rechtliche Sitz in Amsterdam ist und die Hauptzentrale in London. Auch das lange Kräftemessen mit den italienischen Gewerkschaften, die Aushebelung des Kollektivvertrags, bleibt unvergessen. So wie der im Herbst 2011 gefasste Beschluss, aus dem italienischen Industrieverband Confindustria auszutreten. Marchionne weiß von diesem Misstrauen. Einsilbig, wie er schon immer war, bemerkte er dazu nur: "Wer wirklich führen will, der ist immer allein."

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen