Wirtschaft

Zwischenstopp in Berlin Der chinesische Besucher

Auf seiner Europa-Reise macht der chinesische Vize-Premierminister Li Keqiang Halt in Berlin. Mit dabei: Eine pralle Agenda zu den deutsch-chinesischen Wirtschaftsbeziehungen. Doch während die Politiker sich die Hände schütteln, gibt es auch Stirnrunzeln. Wer profitiert von wem?

Der chinesische Vize-Premierminister Li Keqiang schaut in Europa vorbei.

Der chinesische Vize-Premierminister Li Keqiang schaut in Europa vorbei.

(Foto: REUTERS)

Li Keqiang hat das Feld gut vorbereitet: In einem Gastbeitrag in der "Süddeutschen Zeitung" lobte der chinesische Vize-Premierminister bereits vor seiner Ankunft in Berlin die deutschen Tugenden Fleiß und Weisheit und bewunderte die Qualität der Produkte "Made in Germany". Die Chinesen hegten eine starke Sympathie für die Deutschen, versicherte der 55-Jährige, der als künftiger Premierminister Chinas gehandelt wird. Und sicher wollten auch die Deutschen China besser verstehen und kennenlernen?

Ziel dieser chinesischen Charmeoffensive sind die deutschen Investoren. Sie sollen verstärkt in das Reich der Mitte investieren, vorzugsweise in den Bereichen moderne Landwirtschaft, neue und Hochtechnologien, Energieeinsparung und Umweltschutz, neue Energien und Materialien. Gleichzeitig sollen sich auch mehr chinesische Unternehmen auf den deutschen Markt etablieren können. Chinas und Deutschlands Wirtschaft seien "in hohem Maße komplementär", schreibt der für Reformen und Wirtschaftsfragen zuständige Politiker.

In Spanien wurde er herzlich willkommen geheißen: Sowohl Premierminister Zapatero...

In Spanien wurde er herzlich willkommen geheißen: Sowohl Premierminister Zapatero...

(Foto: REUTERS)

Schon vor seinem Besuch in Spanien hatte Li die Presse genutzt und in der spanischen Zeitung "El Pais" China als verantwortlichen, langfristigen Investor angepriesen und sein Hauptanliegen für den Besuch in Madrid, die Ankündigung des Kaufes weiterer spanischen Staatsanleihen, klar gemacht. Auch in Deutschland fand seine Vorankündigung Gehör: Die Bundesregierung begrüßte bereits den Vorstoß Chinas für engere Wirtschaftsbeziehungen zwischen den beiden größten Exportnationen. "Chinesische Investoren sind in Deutschland willkommen", sagte ein Sprecher von Wirtschaftsminister Rainer Brüderle. Die deutsche Exporteure reagierten ebenfalls wohlwollend: "Wir begrüßen den Vorstoß, weil er für beide Seiten von Vorteil ist", sagte der Präsident des Bundesverbandes Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen, BGA, Anton Börner. "Ausländische Investoren sind uns sehr willkommen. Wir haben einen freien Wettbewerb – da sind die Chinesen herzlich eingeladen, sich hier zu engagieren."

Nach den Höflichkeiten das "Aber"

Trotz gegenseitiger Komplimente besteht jedoch noch jede Menge Gesprächsbedarf. So forderte Brüderle, der Li bei seinem dreitägigen Besuch in Berlin ebenso zu Gesprächen treffen wird, wie Bundeskanzlerin Angela Merkel, Bundespräsident Christian Wulff und Außenminister Guido Westerwelle, China zu mehr Transparenz und Berechenbarkeit auf. "In letzter Zeit haben sich Klagen gehäuft, dass einheimische Unternehmen gegenüber ausländischen Unternehmen bevorzugt würden", sagte Brüderle dem "Handelsblatt". Auch beim Schutz geistigen Eigentums hapere es nach wie vor bei der Durchsetzung dieser Gesetze.

Ähnliche Sorgen bewegen die Wirtschaft. Damit die chinesisch-deutsche Zusammenarbeit gelinge, müssten noch Hemmnisse beseitigt werden, sagte BGA-Präsident Börner. "Deutsche Unternehmen werden oft angehalten, ein Gemeinschaftsunternehmen mit einem chinesischen Partner zu gründen und ihre Technologien offenzulegen", beklagte er sich, räumte gleichzeitig aber ein, dass hier bereits Fortschritte erzielt worden seien. "Für den weiteren Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen mit China sind offene Märkte und fairer Wettbewerb entscheidende Rahmenbedingungen", sagte auch DIHK-Präsident Hans Heinrich Driftmann. Es sei daher ein gutes Signal, dass Li Keqiang sich gegen Protektionismus und für eine weitere Liberalisierung bei Handel und Investitionen ausgesprochen habe.

.. als auch König Juan Carlos zeigten sich über den Besuch erfreut.

.. als auch König Juan Carlos zeigten sich über den Besuch erfreut.

(Foto: REUTERS)

Doch auch die Klagen des chinesischen Politikers wurden gehört. Li habe zu Recht darauf hingewiesen, dass die deutschen Investitionen in China ein Vielfaches der chinesischen Investitionen in der Bundesrepublik betrügen, sagte Brüderle. Bei seinem Werben um eine bessere Zusammenarbeit hatte Li zudem beklagt, dass Deutschland derzeit nur zwei Prozent seiner Auslandsinvestitionen in China tätige. Umgekehrt hätten chinesische Unternehmen in Deutschland auch nur etwas mehr als eine Milliarde US-Dollar investiert. Dieses Potenzial müsse weiter ausgeschöpft werden, forderte Li.

Umstrittene Europa-Tour

Nach seinen Visiten in Spanien und Deutschland wird der chinesische Vize-Premier nach Großbritannien weiterreisen. Dass Li dabei nicht nur für bessere Wirtschaftsbeziehungen wirbt, sondern mit der Ankündigung weiterer Hilfen für die angeschlagenen Länder Spanien, Portugal und Griechenland den Euro-Retter gibt, wird jedoch kritisch gesehen. China müsse doch ohnehin die Gelder aus seiner gigantischen Devisenreserve von 2,6 Billionen US-Dollar irgendwo anlegen, heißt es beispielsweise an den Devisenmärkten. Dass das Land in der Euro-Krise offensiv als finanzkräftiger Ritter auftrete, sei dabei alles andere als selbstlos.

So wolle die Exportnation offenbar den eigenen Schaden begrenzen, den die Europa-Schwäche mit sich brächte. Und nicht zuletzt habe Peking geopolitische Motive. Als Ziele gelten unter anderem die Aufhebung des seit 1989 geltenden Waffenembargos. Zudem will China endlich den Status als Marktwirtschaft eingeräumt bekommen, um sich gegen Dumpingvorwürfe schützen zu können. Schließlich wäre noch ein Ende der Ausfuhrbeschränkungen für hochtechnologische Güter nach China willkommen.

China nicht für europäische Probleme zuständig

Dass die chinesischen Bemühungen in Europa so misstrauisch beäugt werden, stößt wiederum auf der anderen Seite auf Missbilligung. Es scheine als ob Europa gegenüber chinesischen Investitionen zwiegespalten sei, heißt es bei dem chinesisch-deutschen Blog CIIC (China Internet Information Center). Einerseits benötige Europa die chinesische Hilfe bei der Finanzkrise, andererseits sei es wachsam gegenüber Chinas Aufstieg. Die These, dass China Europa kaufe, spiegele die Theorie "China sei eine Bedrohung" wider, heißt es weiter. Angesichts dieser Entwicklung sollten die chinesischen Investitionen in Europa die Kapazitäten der Volkrepublik nicht überschreiten. "China hat keine Pflicht, das Problem der Europäer zu lösen, ohne sein Volk zu berücksichtigen."

Die Sorgen um einen chinesischen Ausverkauf dürften jedoch übertrieben sein. Analysten zufolge sind die chinesischen Investitionen in europäische Anleihen trotz des großen medialen Echos eher gering. Das Reich der Mitte hat demnach vor allem in Anleihen großer Staaten wie Deutschland und Frankreich investiert. In griechischen Anleihen stecke bislang die eher unbedeutende Summe von mehreren hundert Millionen Euro und ein paar Milliarden Euro in portugiesischen Anleihen. Das politische Signal sei weitaus größer. Und da die Signale zumindest bei den europäischen Politikern gut ankommen, könnte sich die Europa-Reise des Herrn Li am Ende als voller Erfolg erweisen.

Quelle: ntv.de, mit rts/dpa/AP

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