Wirtschaft

Schäubles großer Kraftakt Der Griechenland-Deal im Detail

Griechenland bekommt die nächste Tranche: Wohl dem, der geduldige und finanzstarke Partner hat.

Griechenland bekommt die nächste Tranche: Wohl dem, der geduldige und finanzstarke Partner hat.

(Foto: picture alliance / Simela Pantza)

Nach sieben Jahren Dauerkrise könnte Griechenland bald wieder auf eigenen Füßen stehen. Noch ist das Euro-Land jedoch auf Hilfe seiner Partner angewiesen. Jetzt kann frisches Geld endlich fließen. Auf was haben sich Athens Retter geeinigt?

Seit Monaten währte das Gefeilsche, und am Ende wurde die Zeit mal wieder knapp. Aber letztlich schaffte die Eurogruppe am Abend in Luxemburg den Kraftakt und wendete eine neue Krise ab. Griechenland bekommt frisches Geld, und zwar rechtzeitig, bevor wieder das Schreckgespenst der Staatspleite umgeht. Schon im Juli soll die Auszahlung von 8,5 Milliarden Euro beginnen. Ein Überblick:

Frisches Geld für Griechenland: Worum geht es?

Euro / US-Dollar
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Für den völlig überschuldeten Eurostaat Griechenland wurde 2015 kurz vor der Staatspleite ein Rettungspaket im Umfang von bis zu 86 Milliarden Euro geschnürt, um das Land vor der Pleite zu bewahren. Das damals vereinbarte Hilfsprogramm läuft bis 2018. Das Geld kommt nicht auf einmal, sondern in einzelnen Portionen. So wollen die Geldgeber sicherstellen, dass die Regierung in Athen ihre Zusagen bei den vereinbarten Reformen einhält.

Knapp 32 Milliarden Euro sind bereits ausgezahlt, nun ging es um die nächste Tranche. Das Geld wird dringend benötigt: Etwas mehr als sieben Milliarden Euro muss die Regierung in Athen im Juli bei internationalen Gläubigern abzahlen. Das übrige Geld soll Außenstände decken, die die Regierung bei Auftragnehmern im eigenen Land hat.

Was mussten die Griechen dafür tun?

Die Hilfsgelder sind an Sparprogramme, Privatisierungen und Strukturreformen geknüpft. Einzelne Tranchen fließen nur, wenn die beteiligten Institutionen - die EU-Kommission, die Europäische Zentralbank, der Eurorettungsschirm ESM und der Internationale Währungsfonds (IWF) - Reformfortschritte beglaubigen. 140 Forderungen musste Athen erfüllen.

Zuletzt wurde in Athen ein weiteres hartes Sparprogramm im Umfang von knapp fünf Milliarden Euro beschlossen: Die Renten sollen vom 1. Januar 2019 an um bis zu 18 Prozent gekürzt werden. Vom 1. Januar 2020 an soll der jährliche Steuerfreibetrag von 8636 Euro auf 5700 Euro sinken.

In der griechischen Öffentlichkeit sind die neuen Einschnitte unpopulär. Die Verabschiedung des jüngsten Reformpakets im Parlament wurde in Athen von teils heftigen Protesten begleitet. Die Gläubiger sind mit den Fortschritten der griechischen Regierung zufrieden. "Griechenland hat geliefert", betonte die EU-Kommission.

Wo lag dann das Problem?

Die Beteiligten waren zerstritten über eine grundsätzliche Frage: Kann Griechenland seinen Schuldenberg von derzeit 180 Prozent der Wirtschaftsleistung ohne zusätzliche Hilfe jemals wieder abtragen? Die Prognose dazu hängt von vielen Faktoren ab, vor allem vom Wirtschaftswachstum und von der Haushaltsdisziplin.

Der IWF geht von nur einem Prozent Wachstum im Schnitt der nächsten Jahre aus und kommt zu dem Schluss: Die Schuldenlast ist nicht tragfähig. Ergo verlangt die Washingtoner Institution Erleichterungen für Athen, bevor sie frisches Geld gibt. Schäuble glaubt an höheres Wachstum und will erst 2018 - und damit nach der anstehenden Bundestagswahl - prüfen, ob gegebenenfalls Erleichterungen nötig sein könnten.

Allerdings musste Schäuble darauf achten, den IWF für das Programm unbedingt mit an Bord zu behalten. Sollte der IWF aus der Griechenlandhilfe aussteigen, müsste Schäuble die Freigabe deutscher Steuergelder zur Rettung des griechischen Staatshaushalts im Bundestag neu beantragen. Immerhin konnten es Schäuble und seine Verhandlungspartner erreichen, dass der Währungsfonds weiter dabei bleibt.

Wie sieht die Lösung aus?

Gefunden wurde eine Kompromissformel: Der IWF sagt im Prinzip seine Beteiligung zu, zahlt aber erst, wenn der Schuldenstreit beigelegt ist - also erst 2018, wenn klarer wird, welche Prognosen eintreffen. Dazu legt der IWF formal ein eigenes Kreditprogramm auf, zahlt aber zunächst kein Geld aus. Dies soll erst fließen, wenn der Streit über mögliche weitere Schuldenerleichterungen beigelegt ist.

Schäuble hofft, dass es Griechenland dann so gut geht, dass weitere Schuldenerleichterungen nicht nötig sind.  Gemeint sind mit Schuldenerleichterungen zunächst nur die Stundung von Zinsen oder die Streckung der Tilgung. Von einem echten Schuldenschnitt, also einem Verzicht der Gläubiger auf einen Teil der ausstehenden Forderungen, ist bislang nicht die Rede.

Ist das Problem damit gelöst?

Zumindest vorerst. Zwar wollte auch Griechenland dringend Erleichterungen beim Schuldendienst, kam damit aber nicht wesentlich weiter. Die Interessenlage ist klar: Jede Milliarde an Zinsen oder Tilgung, die Athen nicht oder erst später zahlen muss, gibt dem Land mehr Spielraum.

Für die Bundesregierung verhält es sich umgekehrt: Jede Milliarde, die nicht zurückgefordert wird, schürt innenpolitisch Unmut. Schäubles Ministerium hat neulich gerechnet und ließ durchsickern, dass eine Stundung von Zinsen die Schuldner bis 2040 bis zu 120 Milliarden Euro kosten könnte. Vor der Bundestagswahl sollte es keine Festlegung mehr geben. Und genau so ist es gekommen.

Was wurde vereinbart?

Die Euro-Finanzminister einigten sich nun lediglich darauf, etwas genauer zu sagen, was sie 2018 an Erleichterungen ins Auge fassen könnten, wenn es denn nötig würde. Aufgenommen wurde dabei eine sogenannte Wachstumsklausel, die der neue französische Finanzministers Bruno Le Maire ins Spiel gebracht hatte: Sollte die griechische Wirtschaft, wie von Berlin erwartet, in den kommenden Jahren deutlich wachsen, zahlt Athen mehr Schulden zurück. Kommt es zu der vom IWF befürchteten Flaute, dann erhält Athen Erleichterungen.

Die Bundesregierung ist mit dem Vorschlag einverstanden. Und auch der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras war angetan, obwohl nicht sofort Schuldenerleichterungen in Aussicht stehen. Denn Tsipras steht wegen der harten Reformen innenpolitisch unter starkem Druck. Er brauchte einen Erfolg und ein positives Signal, um die Wirtschaft anzukurbeln und die Arbeitslosigkeit abzubauen.

Quelle: ntv.de, Takis Tsafos und Verena Schmitt-Roschmann, dpa

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