Wirtschaft

Raimund Brichta im Interview "Der Euro wird auseinanderbrechen"

Nur die Vereinigten Staaten von Europa könnten den Euro zusammenhalten, glaubt Raimund Brichta

Nur die Vereinigten Staaten von Europa könnten den Euro zusammenhalten, glaubt Raimund Brichta

(Foto: dpa)

Seit Jahren wird - auch bei n-tv – über die Finanzkrise geredet. Doch wer versteht noch wirklich, worum es geht? Um Abhilfe zu schaffe, verrät Telebörse-Moderator Raimund Brichta in seinem neuen Buch nicht nur die "Wahrheit über Geld", sondern erklärt ausführlich wie Geld überhaupt entsteht. Im Interview verrät er auch, wie man sein Geld vor einem Währungscrash schützen kann. 

n-tv.de: Herr Brichta, in Ihrem neuen Buch "Die Wahrheit über Geld", das Sie gemeinsam mit dem Wirtschaftsjournalisten Anton Voglmaier geschrieben haben, steht im Klappentext ein Lob von Rainer Brüderle. Kommt da das Ergebnis der Bundestagswahl etwas ungelegen?

Raimund Brichta: Wir haben ihn ja mit Absicht nur mit der FDP genannt, keine Bezeichnung dahinter, warum sollte das jetzt ungelegen kommen? Wahlverlierer gibt es immer. Das Buch ist für Linke und Rechte, der Kabarettist HG Butzko, der auch im Klappentext steht, ist etwa ein Linker. Das Thema hat ja ein weites Spektrum, das hat nichts mit politischen Richtungen zu tun, auch wenn Herr Brüderle es gelesen hat und gut findet. Das kann man auch als Linker gut finden.

Herr Brüderle sollte ja eigentlich auch als Laudator zur Buchvorstellung nach Berlin kommen.

Ja, Herr Brüderle hat leider abgesagt, er hatte die Sorge, dass die Journalisten nur nach der FDP fragen. Die Gefahr wäre sicherlich da gewesen. Auf der andere Seite hat er die Zusage nun einmal gegeben – unter dem Vorbehalt möglicher Koalitionsverhandlungen. Aber die gibt es ja jetzt nicht. Aber gut, es war trotzdem eine schöne Buchpräsentation.

Kommen wir zu Ihrem Buch: "Die Wahrheit über Geld." Warum fällt es den Menschen so schwer, über das Wesen des Geldes nachzudenken? Wir benutzen es doch jeden Tag.

Das ist ja das Interessante und Spannende. Wir benutzen es jeden Tag, aber die wenigsten machen sich Gedanken darüber, wo es herkommt. Oder denken: Es ist einfach schon da. Wenn ich es vom Arbeitgeber kriege, hat er es und überweist es mir. Nehme ich einen Kredit auf, hat es die Bank und überweist es mir auch. Ich habe oft den Eindruck, dass die meisten Leute in Sachen Geld auf dem Stand des Klapperstorches sind. Aber das ist auch verständlich, weil viele es erstens nicht besser wissen, und zweitens nicht glauben, es zu brauchen. Aber wenn man verstehen will, was Geld bewirkt und wenn man n-tv.de und telebörse.de liest und n-tv im Fernsehen schaut und das ganze Gerede über Eurokrise, Schuldenkrise, Finanzkrise und so weiter verstehen will, braucht man das Rüstzeug, das in diesem Buch steckt.

Im Interview mit n-tv haben Sie gesagt "Wir werden über die Herkunft des Geldes im Unklaren gelassen, teilweise vielleicht auch mit Absicht um die Stabilität zu wahren." Ist es nicht eher so, dass sich die Mehrheit der Menschen nicht dafür interessiert und einfach nur zum Geldautomaten geht?

Das kann ich nicht beurteilen, ob sie sich nicht dafür interessieren. Ich meine, wir werden im Unklaren gelassen und zwar aus folgendem Grund: Wenn alle wüssten, dass das Geld, das sie bei der Bank haben, nur zu weniger als zehn Prozent tatsächlich mit Zentralbankgeld unterlegt ist, könnte das destabilisierend wirken. Ein Dreivierteljahr nach der Lehman-Pleite wurde beispielsweise in der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" veröffentlicht, dass tatsächlich Kunden schon Geld aus den Banken abgezogen haben. Die Bundesbank hat erst im Nachhinein Zahlen dazu veröffentlicht, acht Monate später, als alles vorbei war. Da konnte man sehen, dass in der Zeit der Lehman-Pleite die Bargeldabhebungen rasant gestiegen sind. Vor allen Dingen wurden viele 500-Euro-Scheine abgehoben. Das ist zwar nur ein Aspekt, aber ein wichtiger für die Stabilität. Deshalb meinen auch viele Politiker oft, dass es gut ist, dass die Leute nicht über Geld Bescheid wissen.

Außerdem ist das Thema Geld sehr kompliziert und wird häufig noch komplizierter gemacht. Selbst Banker wissen oft nicht, wie alles zusammenhängt. Der Deutsche-Bank-Chef Anshu Jain hat kürzlich in einem Interview, das im Internet noch zu sehen ist, auf die Frage, ob die Deutsche Bank Geld macht, geantwortet: Nein. Die Deutsche Bank nehme Einlagen ein und vergebe auf der anderen Seite Kredite. Ob er es besser weiß, weiß ich nicht. Aber er sagt es zumindest nicht. Aber wenn er es wirklich nicht besser weiß, dann weiß er auch nicht, wie Geld entsteht. Denn auch durch seine Kreditvergabe entsteht ja Geld. Unser Ziel war, möglichst einfach und für jeden verständlich zu erklären: So und so funktioniert es. Es ist ein Aufklärungsbuch.

Nicht unbedingt die Kehrseite, aber die zweite Seite von Geld sind Schulden. Sie schreiben in Ihrem Buch: "Schulden, und damit auch Staatsschulden sind eine Voraussetzung für Vermögen." Jetzt gab es in Europa immer wieder Überlegungen, wie man der Schuldenkrise beikommen könnte. Was halten Sie von Ansätzen, etwa den Ländern der südlichen Euro-Peripherie die Schulden zu erlassen? Zum Beispiel ein Ablassjahr einzuführen, wie es etwa der Anthropologe und Vordenker der Occupy-Bewegung David Graeber vorschlägt?

Da Geld und Schulden auf Dauer nachhaltig wachsen – und zwar exponentiell – geht es gar nicht anders, als dass beide Seiten irgendwann gestrichen werden müssen, auf welchem Weg auch immer. Der Schuldenerlass ist eine Möglichkeit. Da werden auf der einen Seite Schulden erlassen, aber auf der anderen Seite auch Geldvermögen vernichtet. Das ist Griechenland ja passiert. Das war ein - halbfreiwilliger – Schuldenerlass und die Gläubiger mussten verzichten. Und nicht anders werden Schulden im großen Stile, vor allem auch Staatsschulden, abgebaut. Anders geht es nicht.

Graeber denkt aber nicht nur an einen Teilerlass, er will ein Ablassjahr wie in der Bibel einführen.

Dann würden praktisch also jegliche Schulden getilgt? Der jüdische Glaube sieht so etwas auch vor und zwar alle 7x7 Jahre ein vollkommener Schuldenerlass. Das ist ja heutzutage nicht machbar. Wenn jeder das wüsste, könnte er sich ein Jahr vorher schön Schulden aufhalsen, wenn er weiß, dass sie nächstes Jahr wieder weg sind. Da sprechen Eigentumsrechte und die Frage der Durchführbarkeit dagegen. Aber tatsächlich ist es nötig, man will es aber nicht auf einer freiwilligen Basis machen, weil es dann rechtliche und organisatorische Probleme gibt. Deshalb versucht man die Schulden so lange wie möglich aufrecht zu erhalten, um dann zwangsweise Pleiten durchzuführen. Der Endeffekt ist aber der Gleiche.

In Ihrem Buch stellen Sie fest, die Schuldenbremse funktioniert nicht, der öffentlichen Hand bleibe auf lange Sicht nichts anderes übrig, als sogar immer mehr Schulden zu machen. Dennoch würden die Schulden nicht das Wirtschaftswachstum ankurbeln – das sollte doch aber eigentlich das Ziel staatlicher Schulden sein, oder?

Das Buch ist Börsenbuchverlag erschienen, hat 314 Seiten und kostet 24,90 Euro.

Das Buch ist Börsenbuchverlag erschienen, hat 314 Seiten und kostet 24,90 Euro.

Umgekehrt wird ein Schuh daraus! Das Geldsystem funktioniert von sich aus, wie es funktioniert. Und das erfordert eine ständige Steigerung der Schulden und des Geldes. Dann muss sozusagen die Wirtschaft wachsen, um dem Geldsystem einen plausiblen Rahmen zu geben. Wenn wir in der Frühphase einer Wirtschaft sind, wie etwa Deutschland nach dem Zweitem Weltkrieg, sind die Faktoren, die da wirken, die gleichen. Das macht aber keine Probleme, weil die Wirtschaft entsprechend mitwächst. Nur kommen wir irgendwann zu einer Sättigung des Wirtschaftswachstums, wie jetzt überall in den westlichen Ländern. Es gibt dann zwar noch Wachstum, aber man erreicht nicht mehr die Raten, wie beispielsweise jetzt in China. Aber die Geldmenge muss trotzdem weiter wachsen und das ist dann das Problem. Die wirtschaftliche Entwicklung und die Geldentwicklung driften auseinander und es entstehen Blasen.

Damit wären wir dann wieder am Anfang…

Genau. Dann gibt es kleine Korrekturen, wie jetzt die Finanzkrise, aber die haben am Geldmengenwachstum nichts geändert, sondern es noch befeuert, weil die Notenbanken jetzt eingesprungen sind.

Sie beschäftigen sich aber nicht nur mit der globalen Schuldenkrise, sondern auch mit der Euro-Krise. Sie schreiben: "Der Euro ist am Ende. Eine Euro-Austritt wird Ländern wie Griechenland Abwertungen ermöglichen, die die griechische Wirtschaft braucht, um wettbewerbsfähig zu werden." Aber was passiert dann mit den Schulden?

Erst einmal: Schuldenabbau durch Währungsabwertung ist ein Ding der Unmöglichkeit. Die Abwertungen haben also nichts mit einem Schuldenabbau zu tun, sondern nur etwas mit der griechischen Wettbewerbsfähigkeit, also mit der Wirtschaftsentwicklung im Land. Der Schuldenabbau ist etwas ganz anderes. Wie ich auch im Buch geschrieben habe, macht ein alleiniger Austritt Griechenlands aus dem Euro ohne einen gleichzeitigen Schuldenschnitt, oder einen Staatsbankrott keinen Sinn. Der Schuldenstand muss deutlich runter. Nur die Drachme einführen und die hohen Schulden in Euro behalten, wo die Drachme doch abwertet, funktioniert nicht. Dann werden die Schulden immens! Das ist ganz wichtig.

Sie schreiben, dass das Konstrukt Euro auseinanderbrechen wird. Wann, lasse sich nicht prognostizieren, nur dass es passieren werde, sei so gut wie sicher, heißt es da. Gleichzeitig könnte es danach mit einer politischen Union zu einem neuen Anlauf für den Euro kommen und vielleicht einen Euro II geben. Könnte die politische Union aber nicht vorher zustande kommen und den Euro wieder auf die richtige Spur bringen?

Da müsste es aber rasch gehen! Sobald wir die Vereinigten Staaten von Europa sind, macht der Euro Sinn. Wenn man das noch schafft, bevor er auseinanderbricht, ja, selbstverständlich. Das ist aber auch eine politische Frage, die kann ich nicht entscheiden. Mein Gefühl ist, dass das nicht so schnell geht, dass wir die Vereinigten Staaten von Europa kriegen.

Jetzt wird es aber viele Freunde der DM überraschen, wenn sie bei Ihnen lesen, dass die Umstellung zurück zur DM gar nicht so einfach wird, sondern im Gegenteil erst einmal eine steigende Arbeitslosigkeit und sinkende Exporte auf sie warten.

Das ist wie ein Weisheitszahn, den man sich ziehen lässt. Wir werden einige Tage, wenn nicht Jahre, mit dicker Backe im Bett liegen. Weil die DM dann urplötzlich aufwerten würde und das gerade dem Export erst einmal einen Schock versetzt. Das versucht etwa die AfD zu umgehen, indem sie alles langfristig vorbereiten will. Aber ich weiß nicht, ob das funktioniert, so ein langfristiger Austritt. Peu à peu wäre sehr schwierig.

Schwieriger, als der plötzliche Austritt?

Ich glaube, der plötzliche Austritt würde gezwungenermaßen kommen, aufgrund von schlimmen Umständen.

Sind Sie denn überzeugt, dass das Ende des Euros kommt?

Ja, aber es sind auch Übergangsphasen denkbar. Nordeuro, Südeuro zum Beispiel. Dann könnten die Schwachwährungsländer wenigstens eine Abwertung in eine Richtung vornehmen. Das wäre ja vielleicht schon mal ein Schritt, der kommen könnte. Aber ich glaube nicht, dass man sich politisch zu so etwas entscheiden wird. Denn man will ja in ganz Europa sagen, wir haben eine Währung und da gehören alle dazu. Das wird man wahrscheinlich bis zum bitteren Ende durchführen wollen. Um dann irgendwann einen Zerfall gegenüber zu stehen, der durch was-auch-immer ausgelöst wird.

Ich glaube, der wichtigste Indikator ist Frankreich. Ein Euro ohne Frankreich ist politisch nicht denkbar. Allerdings sind Deutschland und Frankreich währungsmäßig auf Dauer nicht kompatibel. Und das ist der Knackpunkt. Selbst wenn es einen Nordeuro geben würde, würden die Franzosen auf jeden Fall dabei sein wollen. Und damit wäre schon wieder der Zündstoff gelegt für den nächsten Krach innerhalb des Euros.

Sollte eines dieser Szenarien eintreten: Was sollen die Leute denn nun konkret mit ihrem Geld machen?

Die Entwicklung, die wir voraussehen, ist langfristig, wie gesagt, der Währungscrash, Geldcrash, diese Währungsreform. Was aber nichts mit dem Euro-Zerfall zu tun hat, das sind zwei verschiedene Dinge! Der Euro ist das eine Problem. Aber das Geldsystem, mit wachsenden Schulden und Geldvermögen muss irgendwann insgesamt korrigiert werden. Das kommt nicht heute und nicht morgen.

Trotzdem kann man sich in gewisser Weise darauf einstellen. Natürlich nicht, in dem man sagt, ich setze auf die Währungsreform in fünf oder sechs Jahren. Sondern in dem ich bei langfristigen Anlagen in "wahre Werte" investiere, die Sachvermögen dahinter haben. Das wären Immobilien, Edelmetalle und Aktien. Vor allem Aktien von gesunden Unternehmen mit guter Marktstellung und niedriger Verschuldung. Das sind auch Sachwerte. Gleichzeitig sollte man bei der langfristigen Anlage Geldwerte meiden. Also Bankeinlagen, Schatzbriefe, Anleihen, Lebensversicherungen. Denn Lebensversicherungen basieren auch hauptsächlich auf Geldforderungen.

Das wird für viele Leser aber schwer einzusehen sein, schließlich gelten Lebensversicherungen als gute Absicherung.

Ja, aber Kapitallebensversicherungen sind ein Bestandteil des wachsenden Geldvermögens. Die Allianz hat erst kürzlich gemeldet, dass das weltweite Geldvermögen auf ein Rekordhoch gestiegen ist. Den zweiten Teil hat die Allianz aber nicht verraten, dass nämlich auch die Schulden gewachsen sind. Da stand in den Berichten und Kommentaren darüber oft sogar "trotz Schuldenkrise".

Risikolebensversicherungen sind hier natürlich ausgenommen, die kosten ja nur ein paar Euro im Monat und sind eine Absicherung, falls ein Unfall oder ähnliches passiert.

Für wen ist das Buch etwas?

Für viele Leute. Aber vor allem für diejenigen, die täglich mit Meldungen über die Euro, Schuldenkrise, Finanzkrise überhäuft werden, aber wenn sie ganz ehrlich sind, nur einen Bruchteil davon verstehen. Wenn sie richtig verstehen wollen, was dahinter steckt, dann ist das Buch zu empfehlen.

Die Fragen stellten Samira Lazarovic und Benjamin Feingold

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Quelle: ntv.de

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