Wirtschaft

Auf dem Weg in die Crashzone Dax im Drogenrausch

Wie im Rausch blenden die Dax-Anleger dank des Geld-Dopings der Notenbank die Risiken aus.

Wie im Rausch blenden die Dax-Anleger dank des Geld-Dopings der Notenbank die Risiken aus.

(Foto: picture alliance / dpa)

Wie im Rausch blenden die Dax-Anleger dank des Geld-Dopings der Notenbank die Risiken aus.

Wie im Rausch blenden die Dax-Anleger dank des Geld-Dopings der Notenbank die Risiken aus.

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Die Aktienmärkte taumeln von Rekord zu Rekord. Die Anleger dröhnen sich mit dem Billig-Geld der Notenbanken zu und blenden die Realität aus: China, die USA und Europa stecken tief in der Krise. Je stärker sich die Blase aufbläht, desto lauter wird sie platzen.

Von Frankfurt bis New York herrschte am vergangenen Freitag grenzenlose Euphorie: Der Dax kletterte erstmals über 9000 Punkte auf den höchsten Stand seiner 25-jährigen Geschichte. Die US-Technologiebörse Nasdaq markierte ein neues Jahreshoch. Der Dow-Jones-Index notierte nahe seinem höchsten Stand aller Zeiten, den er im September erreicht hatte.

Hätte ein Außerirdischer an diesem Tag auf die Aktienmärkte der Erde geschaut, hätte er glauben müssen, dass es der Welt noch nie besser ging. Eigentlich gilt an den Börsen eine einfache Regel: Je besser es der Wirtschaft geht, desto mehr steigen die Kurse. Brummt die Konjunktur, machen Unternehmen mehr Gewinn, ihr Börsenwert steigt. Gute Wirtschaftsdaten beflügeln die Aktienmärkte, ebenso wie gute Unternehmenszahlen. So einfach war die Rechnung bisher.

Doch mit diesen fundamentalen Gesetzen hat die unheimliche Kursexplosion der vergangenen Wochen und Monate längst nichts mehr zu tun: Am Tag des historischen Dax-Rekords trübte sich die Stimmung in der deutschen Wirtschaft ein. Der ifo-Index ging zurück. Überall auf der Welt jagen die Märkte wie im Rausch von Rekord zu Rekord. Und blenden dabei im irrationalen Überschwang das gigantische Crash-Potenzial völlig aus.

Ob China, Amerika oder Europa: Alle entscheidenden Wirtschaftsräume der Welt stecken tief in der Strukturkrise. Jegliche Reformversuche der Regierungen haben die Probleme bislang nicht gelöst. Das Einzige, was die Wirtschaft am Leben erhält, sind die Geldspritzen der Notenbanken. Die amerikanische Fed pumpt jeden Monat 85 Milliarden Dollar in die Anleihemärkte. Die EZB hat den Geldhäusern der Eurozone für drei Jahre über eine Billion Euro geliehen. Die chinesische Zentralbank stützt ihre maroden Finanzinstitute bedingungslos.

Das globale Geld-Doping hebt die Welt aus den Angeln: Es ist, als ob die Zentralbanker Monat für Monat in der ganzen Welt Drogen aus dem Helikopter abwerfen. Die Anleger dröhnen sich damit hemmungslos zu. Weil es rund um den Globus viel mehr Grund zur Panik als zum Feiern gibt.

China ächzt unter faulen Krediten

China ist die Konjunkturlokomotive der Welt. Viele internationale Konzerne sind vom Riesenmarkt im Reich der Mitte abhängig, das Wachstum zwischen Peking und Schanghai treibt die Weltwirtschaft an. Nach zwei Jahrzehnten hemmungsloser Expansion bekommt das chinesische Wirtschaftswunder nun aber Risse: Die Exporte schwächen sich ab und auch das Wachstum verlangsamt sich.

Es sind womöglich die ersten Anzeichen der schwelenden Finanzkrise im Reich der Mitte: Chinas Banken haben ein gigantisches Kreditmüllproblem. Um die Wirtschaft anzukurbeln, hat die chinesische Regierung die Wirtschaft mit Billigkrediten angeheizt. Ihre Staatsbanken pumpten Milliarden in politisch motivierte Projekte und marode Staatsfirmen und sitzen nun auf einem Berg fauler Kredite. Dubiose Geldverleiher und Vermögensverwalter heizen den Kreditrausch zusätzlich an. Geldhungrige Lokalregierungen umschiffen mit diesen Schattenbanken die offiziellen Kreditlimits.  

Gleichzeitig hat sich durch die Verschuldungsorgie am Immobilienmarkt eine riesige Blase gebildet. Die Häuserpreise steigen jährlich im Schnitt um fast zehn Prozent, in Großstädten wie Peking und Schanghai fast 20 Prozent. Inzwischen fingieren viele Chinesen sogar schon ihre Scheidung, um den drakonischen Strafsteuern zu entgehen, die die Preisexplosion eigentlich eindämmen sollen.

Die Regierung hat bislang wenig getan, um die Probleme anzugehen: Der Immobilienmarkt ist einer der größten Wachstumstreiber Chinas. Und die Kreditvergabe der Staatsbanken der Schlüssel zu Wirtschaftswachstum und damit dem Machtanspruch der Kommunistischen Partei. Als die chinesische Zentralbank sich im Juni kurzzeitig weigerte weiter billiges Geld in den Markt zu pumpen, herrschte sofort Panik an den Börsen – die Notenbanker ruderten zurück. Sollte die Blase platzen, dürfte die Euphorie an der Wall Street schnell vorbei sein.

Amerika blutet im Schuldenkrieg

Dabei gibt es schon in den USA selbst für Anleger eigentlich genug Grund zur Sorge. Das Land ist tief gespalten zwischen staatsfeindlichen Republikanern und ausgabenfreudigen Demokraten. Die einen dominieren das Abgeordnetenhaus, die anderen den Senat – und liefern sich im Haushaltsstreit ein immer bizarreres Parlaments-Ping-Pong. Dabei zocken sie mit der Schuldenobergrenze und der Zahlungsfähigkeit der USA.

Immerhin hat der US-Kongress notgedrungen Strukturreformen zumindest in Angriff genommen. Doch selbst die automatischen Haushaltskürzungen mit dem Rasenmäher, die seit Anfang des Jahres greifen, entfalten bislang keine abschreckende Wirkung auf die Konfliktparteien. Zudem würgen sie die Wirtschaft ab. Republikaner und Demokraten haben nun im Schuldenkrieg bis Anfang des Jahres einen Waffenstillstand geschlossen. Eine Lösung ist nicht in Sicht. Gerade erst haben die US-Staatsschulden die Schallmauer von 17 Billionen Dollar durchbrochen.

Trotzdem feiert die Wall Street Party. Denn im Mutterland des Kapitalismus hat sich die Grundregel der Börse sogar ins Gegenteil verkehrt: Je schlechter es der Wirtschaft geht, desto höher klettern die Kurse. Zu verdanken ist das einzig und allein dem Doping der US-Notenbank: Solange die Wirtschaft leidet, will die Fed die Geldschleusen weit geöffnet lassen.

Wann der Ausstieg beginnt, ist unklar. Chef-Notenbanker Ben Bernanke will die milliardenschweren Hilfen erst zurückfahren, wenn es der Wirtschaft nachhaltig besser geht. Eigentlich rechneten die meisten Analysten schon im September damit. Doch Bernanke verschob den Exit.

Inzwischen wächst an den Märkten die Überzeugung, dass der Ausstieg frühestens 2014 beginnt. Unter Janet Yellen, die ab Februar den Posten der Fed-Chefin übernimmt, dürfte die Politik des billigen Geldes eher später als früher enden. Jim Reid, Kreditanalyst der Deutschen Bank, hat sogar eine noch radikalere Idee ins Spiel gebracht: Die Geldspritzen könnten einfach endlos weitergehen.

Nur die Bazooka rettet Europa

Auch in Europa bewahren nur die Notenbanker die Wirtschaft vor dem Kollaps. Zwar hat sich die Eurozone gerade nach anderthalb Jahren Wirtschaftsflaute aus der Rezession herausgekämpft. Doch die Strukturprobleme sind kaum gelöst: Die hohe Staatsverschuldung in Südeuropa hemmt das Wachstum. Die Krise in Griechenland, Spanien, Portugal, Zypern und Italien kann jederzeit wieder aufflammen. Und die EU hat immer noch keine einheitliche Wirtschaftsregierung, die Schuldensündern verbieten könnte, über ihre Verhältnisse zu leben.

Mit dem Rettungsschirm ESM gibt es nun zwar ein Instrument, um neue Ansteckungsgefahren des Euro-Virus frühzeitig einzudämmen. Eine zentrale Aufsicht soll ab 2014 Bankenpleiten besser verhindern. Doch richtig beruhigt hat sich die Krise erst, seit EZB-Chef Mario Draghi im September 2012 die "Bazooka" herausgeholt und versprochen hat, im Zweifelsfall unbegrenzt Staatsanleihen von Schuldenstaaten aufzukaufen.

Wie Wasser sucht sich das Billiggeld auch in Europa seitdem den Weg des geringsten Widerstands. Aus Angst vor der Euro-Krise reichen die Banken den EZB-Zaster nicht als Kredite an die Wirtschaft weiter. Mit Anleihen von Staaten oder Firmen verdienen die Geldhäuser dank der Nullzinspolitik der Notenbanken auch nichts mehr. Also pumpen sie das Geld in den Aktienmarkt. So schließt sich der Kreis: Aus der Notenpresse fließen die Milliarden direkt in die Papier-Profite der Börsen-Blase. Das Spiel dürfte noch eine Weile weitergehen: EZB-Chef Draghi erfreute die Märkte erst im September, dass die Zinsen noch lange Zeit niedrig bleiben oder sogar sinken werden.

Gerade einmal drei Monate brauchte der Dax, um bis März die 1000 Punkte zwischen der Schwelle von 7000 und 8000 Zählern zurückzulegen. Für die nächsten 1000 Punkte bis zur magischen 9000er-Latte waren noch einmal sechs Monate nötig. Wenn die Notenbanken den Märkten den Geldhahn zudrehen, dürfte es genauso schnell wieder abwärts gehen: Wenn die Mehrheit der Börsianer erkennt, wie aufgebläht die Kurse und wie untragbar die globalen Risiken inzwischen geworden sind. Je heftiger die Party, desto schlimmer wird am Ende immer der Kater.

Quelle: ntv.de

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