Wirtschaft

MSCI degradiert Griechenland Das erste Schwellenland der Eurozone

Die Wirtschaftskrise in Europa ist zu einer sozialen Krise geworden: Das verdeutlichen Berichte über zunehmende Obdachlosigkeit, lange Menschenschlangen vor Suppenküchen in Athen, Zwangsräumungen in Spanien, aber auch über Selbstmordwellen in Italien.

Die Wirtschaftskrise in Europa ist zu einer sozialen Krise geworden: Das verdeutlichen Berichte über zunehmende Obdachlosigkeit, lange Menschenschlangen vor Suppenküchen in Athen, Zwangsräumungen in Spanien, aber auch über Selbstmordwellen in Italien.

(Foto: REUTERS)

Die Lage in Griechenland ist miserabel: Das Land steckt im sechsten Rezessionsjahr in Folge, das Sparkorsett der Troika ist zu eng gezurrt, um Wachstum zu fördern. Und jetzt bescheinigt der Indexanbieter MSCI dem Land auch noch das, was viele Anleger schon lange geahnt haben: Griechenland ist ein Schwellenland.

Die Sanierung der maroden Staatsfinanzen ist und bleibt ein Kraftakt für die griechische Regierung. Angesichts der exorbitanten Schulden und der harten Sparauflagen der internationalen Geldgeber, der Troika, ist die Regierung zu höchst unpopulären Sparmaßnahmen gezwungen. Der große Wurf ist damit leider aber bislang nicht gelungen. Im Gegenteil, eine Hiobsbotschaft jagt die andere: Jetzt gruppiert MSCI Griechenland auch noch unter der Kategorie "Emerging Markets". Das ist nicht nur eine weitere schmerzliche Entwicklung für das Land, es ist auch ein Novum in Europa. Seitdem der Indexbetreiber 1987 den MSCI Emerging Markets Index aufgelegt hat, ist es nicht vorgekommen, dass ein Land aus der Kategorie "Developed Markets" auf den Status eines Schwellenlands zurückgestuft wurde.

MSCI begründete die neue Einstufung Griechenlands unter anderem damit, dass die dortige Börse nicht mehr die modernen Rahmenbedingungen für Kapitalanlagen erfülle. Auch von den Umsätzen her biete der griechische Markt nicht mehr das, was von einem Industrieland erwartet werde. Der griechische Aktienindex ist seit 2007 um 83 Prozent eingebrochen. MSCI folgt damit dem Beispiel von Russell Indexes, die Griechenland bereits im März zu einem Schwellenland heruntergestuft haben. Index-Anbieter FTSE prüft einen ähnlichen Schritt.

Anleger suchen das Weite

Die Entscheidung vom Vorabend bestätigt das, was Anleger schon seit Jahren glauben. Seit 2010 vom Kapitalmarkt ausgeschlossen, musste Griechenland bereits mehrfach finanzielle Unterstützung der Europäischen Union (EU) und des Internationalen Währungsfonds (IWF) in Anspruch nehmen. Mit seiner schrumpfenden Wirtschaft und der hohen Staatsverschuldung steht das Euro-Mitgliedsland eher auf einer Stufe mit Ungarn als mit Frankreich. Die Athener Börse reagierte so auch mit heftigen Kursverlusten auf das ungenügende MSCI-Zeugnis.

Der Aktienindex ASE verlor im frühen Mittwochshandel bis zu 2 Prozent. In den vergangenen beiden Tagen hatte sich bereits ein Minus von zehn Prozent angesammelt. Der Abzug der von Geldern und die Flucht in "sichere Häfen", die seit längerem zu beobachten sind, dürfte sich durch die MSCI-Entscheidung noch verschärfen, sagte Peter Sorrentino, Vermögensverwalter bei Huntington Asset Advisors in Cincinnati, in einem Telefoninterview mit Bloomberg News.

Der Abstieg zwingt Pensionsfonds und andere, auf Sicherheit bedachte Aktien-Anleger dazu, griechische Aktien zu verkaufen oder von einem Einstieg Abstand zu nehmen. Auf MSCI-Indizes basieren Aktiendepots mit einem Volumen von weltweit sieben Billionen Dollar. Davon entfallen 1,3 Billionen Dollar auf Schwellenländer-Investments.

Griechenland schaltet Staatssender ab

Die Nachricht kommt zu einem Zeitpunkt, wo Griechenland sich wieder einmal vergeblich müht, seine straffen Sparvorgaben zu erfüllen. In der Nacht gab die Regierung überraschend die Schließung des öffentlich-rechtlichen Fernsehsenders ERT bekannt. Zur Begründung verwies ein Regierungssprecher in Athen auf die schlechte Führung und Verwaltung des Senders. Der Sender sei ein außerordentliches Beispiel für "fehlende Transparenz" und "unglaubliche Ausgaben", sagte Simos Kedikoglou. Das werde ein Ende haben.

Die Ankündigung der Regierung fiel zusammen mit der Anwesenheit der Vertreter der Gläubiger-Troika aus EU,  EZB und IWF. Die neue Mission soll dazu dienen, den Fortgang der Reformen  zu überprüfen, so dass in den kommenden Wochen eine weitere Zahlung  von 3,3 Mrd. Euro für das überschuldete Land freigegeben werden kann.

Athen wird Staatsbesitz nicht los

Anfang der Woche war bereits bekannt geworden, dass es mit der Privatisierung des Tafelsilbers nicht vorangeht. Griechenland fand keinen einzigen Bieter für das staatliche Erdgas-Unternehmen Depa. Das fehlende Interesse am Kronjuwel des griechischen Privatisierungsprogramms war ein schwerer Rückschlag für Athens Bemühungen, bis zum Ende des Jahres Milliarden durch Vermögensverkäufe einzunehmen. Am griechischen Aktienmarkt sorgte die Nachricht für deutliche Kursverluste.

Ein Verpassen der Privatisierungsziele macht es für Athen noch einmal deutlich schwerer, seine Schuldenziele zu erreichen. Die Regierung könnte sich gezwungen sehen, weitere Sparmaßnahmen durchzuführen, was wiederum die rezessionsgebeutelte Wirtschaft des Landes belasten würde. Laut Rettungsprogramm muss Griechenland jede Verfehlung ihrer Ziele an Privatisierungs-Einnahmen zur Hälfte durch zusätzliche Ausgabenkürzungen wettmachen.

Brüssel macht Druck bei Privatisierung

Nach dem Scheitern des Verkaufs der griechischen Gasversorgung an den russischen Branchenriesen Gazprom erhöht die EU-Kommission wieder den Druck. Die Privatisierung des Versorgers Depa müsse so schnell wieder aufgenommen werden, sagte der Sprecher der EU-Währungskommissar Olli Rehn am Vortag in Brüssel. Da der Verkauf von Staatsunternehmen ein Teil des Hilfsprogramms internationaler Geldgeber für das Krisenland sei, wache die EU-Behörde über die Umsetzung.

Ein erneutes Eingreifen lehnte die EU-Kommission im krisengeschüttelten Griechenland jedoch explizit ab. Mit Blick auf mögliche Erleichterungen bei der Schuldenlast sagte Rehn: "Es ist verfrüht, darüber zu debattieren." Aus den Reihen des Internationalen Währungsfonds (IWF) war ein zusätzlicher Schuldenerlass für Athen ins Gespräch gebracht worden - allerdings nicht als offizielle Forderung.

Quelle: ntv.de, ddi/rts

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