Wirtschaft

Was tun? Boeing verliert Milliarden an Wert

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(Foto: REUTERS)

Der Absturz zweier 737 Max 8 bringt Boeing in erhebliche Schwierigkeiten. Der Firmenwert schrumpft um fast fünfzig Milliarden Dollar - zu Recht?

Manchmal wird aus Fiktion traurige Wirklichkeit. Im ersten James-Bond-Film mit Daniel Craig, "Casino Royale", versucht ein Spekulant durch Sabotage den Erstflug eines Prototyps des Herstellers Skyfleet zu torpedieren und mit dem dann fallenden Aktienkurs Kasse zu machen. Für den Dreh wurde eine Boeing 747-236B benutzt. Im wirklichen Leben hat Boeing jetzt ein ähnliches Problem, nachdem innerhalb weniger Monate zwei Maschinen vom Typ 737 Max 8 abgestürzt sind.

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Eine Boeing dieses Typs war am Sonntag in Äthiopien abgestürzt, alle 157 Menschen an Bord kamen dabei ums Leben. Behörden verhängen Flugverbote,und Boeing stoppt die Auslieferung der Maschinen. Die Absturzursache ist noch unklar, Experten vermuten aber ein technisches Problem bei der Maschine. Erst im Oktober war in Indonesien eine Maschine des gleichen Typs der Gesellschaft Lion Air wenige Minuten nach dem Start abgestürzt. Satellitendaten zeigen, dass es Ähnlichkeiten beim Flugverlauf der beiden Unglücksmaschinen gab.

Die Boeing 737 Max ist erst seit Mai 2017 in Betrieb. Weltweit sind rund 450 Maschinen des Typs registriert. Wegen des geringen Spritverbrauchs war das Flugzeug bislang sehr begehrt. Für Boeing ist der Absturz ein schwerer Imageschaden, der den Konzern teuer zu stehen kommen könnte, denn 78 Prozent der Bestellungen in den Auftragsbüchern betreffen die Max-Familie; rund hundert Airlines haben bereits mehr als 5000 Maschinen bestellt.

Der Aktienkurs des US-Flugzeugbauers brach nach dem Absturz in Äthiopien ein, der Börsenwert schmolz in der Spitze um fast 50 Milliarden US-Dollar. Der erneute Absturz sei für Boeing ein Supergau, schrieben die Analysten der NordLB. Die Belastungen seien derzeit "nicht seriös abschätzbar." Für Boeing ist das ein erhebliches Problem, ist die 737-Max-Serie doch der gefragteste Flugzeugtyp des Unternehmens.

Erhebliche Kosten

Nun drohen neben einem immensen Imageverlust massive Umrüstkosten, Lieferprobleme sowie Schadensersatzforderungen. Den Anfang machte Norwegian Air Shuttle. Der Billigflieger besitzt 18 Maschinen des Unglücksmodells und kündigte bereits Entschädigungsforderungen an.

Jeder Tag, an dem die Flugzeuge nicht eingesetzt werden können, verursacht bei den Airlines Kosten, weil sie Ersatzflugzeuge einsetzen und Piloten und Flugbegleiter umdisponieren müssen. Hinzu kommen Zahlungen an Leasingfirmen, die anfallen, auch wenn die Flugzeuge nicht fliegen, ebenso wie Kosten, um die Maschinen auf den Flugplätzen zu parken. Das alles könnte sich Schätzungen zufolge auf 150.000 Dollar pro Flugzeug und Tag summieren.

Die fertig produzierten Flugzeuge müssen nun erst einmal bei Boeing gelagert werden. Analysten schätzen, dass das Flugverbot den US-Konzert jeden Monat 1,8 bis 2,5 Milliarden Dollar an Umsatz kosten könnte, auch wenn der sich vermutlich nur verschiebt.

Genau beziffern lässt sich der Schaden für Boeing nicht. Das liegt vor allem daran, dass es ungewiss ist, wann der Fehler behoben sein wird beziehungsweise wie lange die Flieger auf dem Boden bleiben müssen. Boeing will an den Fliegern festhalten: Die 737 Max-Serie soll weiter produziert werden, der Konzern plant auch weiterhin mit 52 hergestellten Flugzeugen pro Monat.

"Dauern die Flugverbote länger an als ein bis zwei Wochen, wäre das für Boeing schon bedenklich", sagt Klaus-Heiner Röhl, Luftverkehrs-Experte des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW). Schon jetzt hänge Boeing auf der Kurz- und Mittelstrecke hinter Airbus zurück. Das direkte Konkurrenzmodell A320 neo des europäischen Luftfahrtkonzerns mit 6500 Bestellungen und 687 Auslieferungen seit 2016 verkauft sich besser als die 737 MAX 8. "Airbus war einfach schneller im Markt und hat daher einen Vorteil", so Röhl.

Mehrere Fluglinien - etwa die von dem Absturz in Indonesien betroffene Lion Air oder die indonesische Airline Garuda - denken darüber nach, die Boeing-Maschinen abzubestellen. Doch ein Umschwenken auf Airbus-Flugzeuge sei nicht so einfach, gibt Robert Stallard, Analyst bei Vertical Research Partners, zu bedenken. Airbus sei bei der Produktion auf Jahre hinaus ausgelastet.

Was macht die Aktie?

In einem solchen Umfeld ist der Einbruch des Aktienkurses möglicherweise kurzlebig. Denn die vor dem Absturz gemeldeten Unternehmensergebnisse bei Boeing waren überzeugend. Der Konzern profitiert ebenso wie Airbus vom Wachstum in der Reisebranche und knackte im vergangenen Jahr zum ersten Mal beim Umsatz die 100-Milliarden-Marke.

Mutige Anleger, die auf eine kurz- oder mittelfristige Kurserholung wetten wollen, können  direkt die Boeing-Aktie kaufen. Sehr Risikofreudige kaufen einen so genannten Turbo, mit dem sie  ihren Einsatz vervielfachen können. Die angebotenen Hebel beginnen in etwa bei zwei: Anleger vollziehen damit die Kursbewegungen der Boeing-Aktie mit dem Faktor zwei nach. Allerdings stehen den Chancen entsprechende Risiken gegenüber.

Wer nach den jüngsten Entwicklungen eine Stabilisierung der Boeing-Aktie auf dem aktuellen Kursniveau erwartet, kann Discountzertifikate in Erwägung ziehen. Anleger sollten dabei die Schwankungsbreite in dem Papier beachten, wie Heiko Geiger, Zertifikateexperte von Vontobel sagt. "Durch den jüngsten Kurssturz ist die Volatilität in der Aktie deutlich gestiegen. Gleichzeitig profitieren bestimmte Produkte wie etwa Discountzertifikate von dieser Entwicklung, weil die Konditionen dieser Papiere sich verbessern. So sind größere Risikopuffer nach unten beziehungsweise höhere Renditechancen möglich", so Geiger.

Ein Beispiel: Ein Boeing-Discountzertifikat mit einer Laufzeit von sechs Monaten, dass von einer künftig stabilen Kursentwicklung profitiert, erleidet derzeit einen Verlust, wenn die Aktie um mehr als rund neun Prozent fällt - vor dem Kurseinbruch lag dieser Risikopuffer bei etwa sechs Prozent. Die maximal mögliche Renditechance beträgt bei solchen Papieren derzeit etwa 18 Prozent. Zum Zeitpunkt vor der gestiegenen Volatilität betrug die Renditechance etwa 15 Prozent.

Quelle: ntv.de, mit rts/AFP

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