Wirtschaft

Kurswechsel im Flugzeugmarkt Boeing baut weniger Jumbos

Im Flugzeugbau kein leichtes Unterfangen: Wer die Produktion halbieren will, muss mit massiven Mehrkosten rechnen.

Im Flugzeugbau kein leichtes Unterfangen: Wer die Produktion halbieren will, muss mit massiven Mehrkosten rechnen.

(Foto: Boeing.com)

Neigt sich die Ära der Riesenjets ihrem Ende zu? Die mangelnde Nachfrage nach vierstrahligen Maschinen macht nicht nur Boeing schwer zu schaffen. Um die Giganten der Lüfte vor dem Aus zu retten, hoffen die Airlines auf einen globalen Megatrend.

Dem legendären Jumbo-Jet - einem der kommerziell erfolgreichsten Flugzeugmodelle der Welt - droht ein Abschied auf Raten: Der Luftfahrt- und Rüstungskonzern Boeing streicht wegen ausbleibender Neuaufträge die Produktion des größten Flugzeugtyps 747-8 in der Frachtvariante kräftig zusammen. Ab September sollen nur noch sechs Maschinen pro Jahr die Werkshallen verlassen, teilte der Airbus-Rivale aus den USA mit.

Derzeit werden jährlich noch mehr als 15 Maschinen vom Typ 747-8 gefertigt, überwiegend mit großem Laderaum für Kunden im Luftfrachtverkehr. Doch für die jüngste Generation des seit den 1960er Jahren gebauten, einst größten Verkehrsjets der Welt findet Boeing kaum noch interessierte Abnehmer. Die mangelnde Nachfrage geht für Boeing ordentlich ins Geld: Wegen der Produktionskürzung muss Boeing bereits in der Bilanz für 2015 eine Sonderbelastung verbuchen, die das Ergebnis nach Steuern im vierten Quartal um 569 Millionen US-Dollar nach unten zieht.

An der Börse kommen die neuen Aussichten nicht gut an: Der Kurs der Boeing-Aktie ist in den vergangenen Woche um mehr als 20 Dollar gefallen. Noch rätseln Analysten, wie schwer Boeing unter den Einschnitten im Bau von Großflugzeugen leiden wird. Weitere Details erhoffen sich Branchenkenner von der Bilanzvorlage am kommenden Mittwoch (27. Januar). Dann will Boeing seine kompletten Jahreszahlen und auch eine Prognose für 2016 vorlegen.

Die Schwierigkeiten beim größten Modell aus der 747-Familie waren abzusehen: Die Auftragslage für den Jumbo-Jet wurde zuletzt immer dünner. Zum Jahreswechsel hatte Boeing nur noch Bestellungen für 20 Jets in den Büchern, davon 13 Passagier- und 7 Frachtmaschinen.

Mit der Drosselung des Produktionstempos stelle sich der Hersteller nun auf die herrschende Marktlage ein, sagte der Chef der Verkehrsflugzeug-Sparte, Ray Conner. Boeing fuhr die Produktion der neuesten Jumbo-Generation seit dem Start 2011 schrittweise herunter. Anfangs wurden zwei Maschinen pro Monat gebaut, derzeit sind es noch 1,3 Stück. Ab März soll es eine monatlich sein, ab September nur noch eine alle zwei Monate.

Eigentlich wollte Boeing mit der 747-8 dem Airbus A380 Paroli bieten, der 2007 in den Linienbetrieb ging und dem Jumbo den Titel des weltgrößten Passagierjets abjagte. Boeing reagierte mit einer verbesserten, verlängerten und vor allem sparsameren Jumbo-Version, der 747-8.

Kampfansage an die A380

Den Erstflug der modernisierten 747-8 konnte Boeing 2011 feiern. Gefeierter Erstkunde der neuen Passagierversion war ausgerechnet eine prominente Fluggesellschaft aus Europa: Die Deutsche Lufthansa nahm ihren neuen Riesenjet im Mai 2014 stolz entgegen. Von den 121 Bestellungen, die Boeing für die neue Generation einsammelte, entfiel allerdings der Großteil auf die Frachtvariante. Im sehr viel größeren Segment der Passagierluftfahrt gelang Boeing der Durchbruch nicht.

Jumbo-Produktion bei Boeing: Ab Herbst soll nur noch alle zwei Monate eine neue 747-8 aus der Halle rollen.

Jumbo-Produktion bei Boeing: Ab Herbst soll nur noch alle zwei Monate eine neue 747-8 aus der Halle rollen.

(Foto: Boeing.com)

Ausgerechnet im Luftfrachtmarkt macht Boeing nun ernste Probleme aus. Während die Zahl der Flugpassagiere weltweit steige, sei die Erholung im Frachtgeschäft zum Stillstand gekommen, berichtete Sparten-Chef Conner. Boeing versuche weiterhin, Aufträge für den Fracht-Jumbo zu gewinnen, um die Produktion des Fliegers aufrechtzuerhalten. Gerüchte um eine Einstellung der 747-Baureihe gibt es schon länger.

Die fehlende Nachfrage nach vierstrahligen Riesenjets macht allerdings nicht nur Boeing, sondern auch Airbus zu schaffen. In den kommenden Jahren dürfte die Produktionsmenge von zuletzt 27 ausgelieferten Maschinen pro Jahr in Richtung 20 Flugzeuge sinken, kündigte Airbus-Verkehrsflugzeugchef Fabrice Brégier zuletzt an.

Verstädterung als Rettungsanker

Mit einem Auftragsbestand von 140 Maschinen zum Jahreswechsel hat Airbus jedoch einen größeren Puffer als Boeing. Ende 2014 hatte Konzern-Finanzchef Harald Wilhelm zeitweise sogar ein mögliches Aus für den Flieger ins Spiel gebracht. Inzwischen hofft die Airbus-Spitze, dass mit der zunehmenden Konzentration der Bevölkerung in großen Städten auch die Nachfrage nach Flugzeugen mit mehr als 500 Sitzplätzen wächst.

Die übergroßen Maschinen lohnen sich nur bei konstant hoher Nachfrage. In der Praxis - und unter den bis vor kurzem noch geltenden Bedingungen hoher Kerosinpreise - bieten kleinere, zweistrahlige Maschine größere Vorteile bei Planung, Auslastung und im Spritverbrauch. Eines der wichtigsten Argumente für vierstrahlige Maschinen ist ohnehin längst weggefallen: Dank moderner, deutlich zuverlässigerer Triebwerke gestatten die Aufsichtsbehörden mittlerweile auch Jets mit nur zwei Antriebsaggregaten ausgedehnte Langstreckenflüge weitab von schnell erreichbaren Notlandeplätzen.

Der Luftfahrtmarkt spiegelt diese Entwicklung klar wider: Insgesamt können sich die Flugzeugbauer über fehlende Bestellungen nicht beklagen: Die modernisierten Mittelstreckenjets Airbus A320neo und Boeing 737-MAX sowie die neuen zweistrahligen Langstreckenjets Boeing 787-8 und Airbus 350 verkaufen sich glänzend.

Quelle: ntv.de, mmo/dpa

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