Politik

Streit um Hardware-Nachrüstung Diesel-Gipfel bringt keine Lösung

Informeller Diesel-Gipfel: Zum Krisentreffen zwischen Kanzlerin Angela Merkel und den Chefs von BMW, Daimler und Volkswagen reisen auch Verkehrsminister Andreas Scheuer (Bild) und Finanzminister Olaf Scholz an.

Informeller Diesel-Gipfel: Zum Krisentreffen zwischen Kanzlerin Angela Merkel und den Chefs von BMW, Daimler und Volkswagen reisen auch Verkehrsminister Andreas Scheuer (Bild) und Finanzminister Olaf Scholz an.

(Foto: picture alliance/dpa)

Lassen sich die drohenden Fahrverboten für Diesel-Fahrzeuge in deutschen Innenstädten noch vermeiden? Ein Krisentreffen im Kanzleramt bringt Regierung und Industrie kaum näher. Dabei geht es auch um Hardware-Nachrüstungen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel und die Chefs deutscher Autokonzerne haben bei ihrem Spitzentreffen zur Diesel-Problematik und den drohenden Fahrverbote in Innenstädten keine Einigung erzielt. An den Beratungen im Kanzleramt nahmen neben Volkswagen-Chef Herbert Diess, Daimler-Chef Dieter Zetsche und BMW-Chef Harald Krüger auch Finanzminister Olaf Scholz und Verkehrsminister Andreas Scheuer teil.

Scheuer kündigte noch am Abend an, dass es kommende Woche weitere Gespräche geben werde - sowohl innerhalb der Bundesregierung als auch zwischen dem Verkehrsministerium und den Autoherstellern. Bis Ende der Woche sollten die Maßnahmen "konkretisiert" werden, sagte der CSU-Politiker.

"Das Gespräch mit den deutschen Herstellern hat mit dem gemeinsamen Willen stattgefunden, eine Lösung für die Dieselthematik und die Mobilität in den Innenstädten zu erarbeiten", erklärte Scheuer. "Oberste Priorität hat die Erneuerung der Dieselflotte."

Angesichts der drohenden Fahrverbote loteten die Vertreter der deutschen Autoindustrie und die Koalition dabei nach Angaben des Branchenverbandes VDA auch Hardware-Nachrüstungen an älteren Dieselautos aus. "Jetzt wird innerhalb der Bundesregierung weiter gesprochen, und die einzelnen Automobilhersteller werden das Gleiche tun", sagte der Präsident des Verbands der Automobilindustrie (VDA), Bernhard Mattes, nach dem Treffen mit der Kanzlerin.

Scheuer bestätigte die Angaben. Auch über Hardware-Nachrüstungen sei gesprochen worden. "Bis Ende der Woche soll eine Konkretisierung der Maßnahmen und Pläne über die Gesamtthematik erfolgen", erklärte der Verkehrsminister.

Merkel will bis Ende September in der Frage von Hardware-Nachrüstungen für Diesel-Fahrzeuge mit hohem Schadstoff-Ausstoß eine gemeinsame Linie der Bundesregierung erreichen. Ziel der Regierung ist es, Fahrverbote wegen des hohen Schadstoffausstoßes von Diesel-Fahrzeugen zu vermeiden. Innerhalb der Koalition gibt es allerdings höchst unterschiedliche Auffassungen, wie dieses Ziel erreicht werden könnte.

Während Verkehrsminister Scheuer bislang ebenso wie die meisten Autobauer teure Hardware-Nachrüstungen von Diesel-Fahrzeugen ablehnte, hielt Bundesumweltministerin Svenja Schulze dies zumindest für Fahrzeuge ab der Schadstoffklasse Euro 5 für technisch machbar und wirtschaftlich vertretbar. Auch Merkel befürwortet nach "Spiegel"-Informationen inzwischen Hardware-Nachrüstungen. Eine offizielle Bestätigung dafür gibt es bislang nicht.

Offen ist auch noch, ob es bereits konkrete finanzielle Zusagen der börsennotierten Autobauer zu möglichen Nachrüstungen gibt. Bislang lehnten die Hersteller Hardware-Nachrüstungen als zu teuer, wenig praktikabel oder zu aufwändig ab. Im Vorfeld diskutiert wurden auch weitere Kaufanreize für einen Umstieg von alten Diesel-Autos auf sauberere Fahrzeuge.

Experten halten wenig von Umtauschprämie

Union und SPD streiten seit Wochen über zusätzliche Maßnahmen gegen schmutzige Luft durch zu hohe Stickoxid-Belastungen in zahlreichen Kommunen. Eine Prämie für den Umtausch alter Dieselautos in Neuwagen hätte nach Ansicht von Experten kaum positive Auswirkungen auf die Schadstoffbelastung in deutschen Großstädten. Eine Umtauschprämie würde im optimistischen Fall lediglich eine Minderung der Stickoxid-Belastung um weniger als 1 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft bringen, heißt es in einem internen Papier des Umweltbundesamts.

Das sei verschwindend gering im Vergleich zur Gesamtbelastung, die etwa in München 2017 im Jahresmittel bei 78 Mikrogramm lag, zitierte unter anderem die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung" aus dem Schreiben.

Verkehrsminister Scheuer drängte die Hersteller zu attraktiveren Anreizen, damit mehr Besitzer ihre älteren Diesel gegen ein saubereres Auto umtauschen. Falls tatsächlich im Rahmen eines Diesel-Konzepts ein neues Prämiensystem eingeführt werde, sollte es nicht aus Steuergeldern bezuschusst werden und zudem nur für Neufahrzeuge der strengen Euro-6d-Norm gelten, empfehlen die Experten des Umweltbundesamts.

Risiko unbeabsichtigter ökologischer Folgen

Kauf-, Umtausch oder Umweltprämien für Autos bergen aus Sicht der Experten immer das Risiko, dass sie auch unbeabsichtigte negative ökologische Folgewirkungen haben. Prämien müssten an verpflichtende Messungen im praktischen Betrieb gekoppelt sein. Es sei zu befürchten, dass durch eine Prämie kurzzeitig noch viele Fahrzeuge der weniger strengen Euro-6c-Norm in den Markt gebracht würden, bevor am 1. September kommenden Jahres die strengere Euro-6d-Norm in Kraft tritt.

Die angedachte Prämie sei wenig zielgerichtet, weil sie deutschlandweit genutzt werden könne und nicht nur in besonders belasteten Kommunen, hieß es. Schließlich könne sie auch erhöhte Emissionen des Klimagases CO2 zur Folge haben, wenn Kunden auf größere Fahrzeuge umstiegen oder sich statt eines Diesels einen Benziner kauften.

Quelle: ntv.de, mmo/AFP/dpa

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