Wirtschaft

Staaten verdienen mit Schulden Geld Anleger zahlen für Sicherheit

Im Safe ist das Geld zwar recht sicher, aber Rendite gibt es dann gar nicht.

Im Safe ist das Geld zwar recht sicher, aber Rendite gibt es dann gar nicht.

(Foto: REUTERS)

Die Flucht von Investoren in möglichst risikofreie Anlagen hält an. Viele Anleger zahlen sogar drauf, um ihr Geld in Sicherheit zu wissen. Der Negativzins-Club im Euroraum erhält Zulauf, auch der Rettungsfonds EFSF profitiert mittlerweile davon.

Was vor wenigen Jahren noch schier undenkbar schien, wird in der europäischen Schuldenkrise zur Gewohnheit: negative Zinsen auf Staatsanleihen. Immer mehr europäische Länder können sich in kürzeren Laufzeiten nicht nur zum Nulltarif refinanzieren. Sie erzielen unter dem Strich einen Überschuss bei der Kreditaufnahme. Aus Anlegersicht werden damit quasi Gebühren für die Vermögensaufbewahrung fällig. Das ist der Preis dafür, dass der Investor sein Geld in vermeintlicher Sicherheit weiß.

Die Liste der Länder mit negativen Renditen auf kurzlaufende Staatsanleihen ist in den vergangenen Wochen immer länger geworden. Zunächst waren es die der Schweiz und Dänemarks. Mittlerweile zählen hierzu auch die Euroländer Deutschland, Österreich, die Niederlande und Finnland. Blickt man auf kürzere Laufzeiten von weniger als einem Jahr, erweitert sich der Kreis auf Frankreich und Belgien. Dabei handelt es sich durchweg um Staaten, die dem sogenannten "Kerneuropa" angehören und im Vergleich zu peripheren Krisenländer wie Spanien und Italien als stabil gelten. Auch der Euro-Rettungsfonds EFSF, der im Wesentlichen von soliden Euroländern garantiert wird, konnte sich am Dienstag frisches Kapital zu negativen Zinsen besorgen.

"Renditekluft" bleibt hoch

Im Gegensatz dazu müssen Krisenländer am Rande Europas viel höhere Zinsen für frische Schulden bieten. Bei den großen Sorgenkindern Spanien und Italien etwa liegt das Renditeniveau selbst bei Schuldtiteln mit einer Laufzeit von weniger als einem Jahr höher als bei den Papieren von Kernländern mit sehr langen Laufzeiten von bis zu dreißig Jahren.

Die "Renditekluft" spiegelt letztlich den wirtschaftlichen und fiskalischen Graben wider, der sich aktuell durch Europa zieht. Denn aufgrund vieler Probleme wie starker Rezessionen, Bankenkrisen oder struktureller Schwächen müssen Länder wie Spanien oder Italien einen hohen Risikoaufschlag für neue Staatsschulden zahlen. Dies setzt die ohnehin angespannten öffentlichen Haushalte zusätzlich unter Druck.

Dass sich der Trend negativer Renditen auf immer mehr Länder ausweitet, erklären Experten aber nicht nur mit der Kreditwürdigkeit der Staaten. Bankvolkswirte nennen zwei wichtige Gründe für den Trend. Zum einen zwingt das extrem niedrige Renditeniveau in sehr stabilen Ländern wie Deutschland professionelle Anleger dazu, auf Renditesuche zu gehen. Mit anderen Worten: Um etwas mehr an Rendite zu erzielen, weichen Anleger vermehrt auf Länder aus, deren Bonität zwar nicht ganz so gut wie diejenige Deutschlands ist, die aber dennoch stabiler als die europäischen Krisenländer gelten. Die Anleiheexperten der Commerzbank nennen diese Staaten, deren Schuldtitel auf immer höherer Nachfrage stoßen, "Semi-Kernländer".

Irland darf hoffen

Darüber hinaus hat die Europäische Zentralbank den Trend sinkender Anleiherenditen unlängst befeuert: Vor knapp zwei Wochen reduzierte die Notenbank den Zinssatz, den sie Geschäftsbanken für überschüssiges Zentralbankgeld zahlt, auf null Prozent. Dieser Nullzins mindert den Anreiz der Institute, Geld bei der EZB zu parken und ermuntert sie, vermehrt anderswo zu investieren. Ungeachtet dessen hat die EZB mit zwei riesigen Geldspritzen über insgesamt eine Billion Euro dafür gesorgt, dass die Liquiditätsausstattung der Banken ohnehin sehr üppig ist.

Was Investoren zusehends Kopfzerbrechen bereitet, freut die Finanzminister. Denn für die öffentlichen Haushalte bedeutet eine Kreditaufnahme zum Null- oder Negativzins eine spürbare Entlastung. Von der Jagd nach Rendite profitierten jüngst auch die großen Krisenländer Italien und Spanien – allerdings liegen die Renditen weiterhin auf einem hohen Niveau.

Deshalb warnen Experten: Solange der Zugang zu langfristigen Krediten aufgrund des kaum tragbaren Zinsniveaus mehr oder weniger versperrt ist, bleibt die Lage der großen Krisenländer unverändert kritisch. So hat beispielsweise Italien seit mehr als einem Jahr keine Anleihen mit längerer Laufzeit als 15 Jahren am Markt platziert.

Doch es gibt auch Lichtblicke: Den Euroländern Irland und Portugal, die beide noch unter dem Rettungsschirm EFSF stehen, bringen die Finanzmärkte wieder viel mehr Vertrauen entgegen, was sich in stark rückläufigen Risikoaufschlägen für Staatstitel in den letzten Monaten niederschlägt. Als Grund gelten vor allem die starken Reform- und Sparanstrengungen der beiden Euro-Leichtgewichte.

Quelle: ntv.de, jga/dpa

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen