Wirtschaft

Chinas Online-Riese vor Börsenstart Alibabas schwerer Weg an die Wall Street

Alibaba-Zentrale in Hangzhou bei Schanghai: 60 Prozent der in China versendeten Pakete laufen über das Unternehmen.

Alibaba-Zentrale in Hangzhou bei Schanghai: 60 Prozent der in China versendeten Pakete laufen über das Unternehmen.

(Foto: REUTERS)

Die Alibaba Group mit ihrer gleichnamigen Handelsplattform gehört zu den größten Internetunternehmen überhaupt. Chinas unangefochtener Marktführer ist mittlerweile ein hochkomplexer Konzern. Genau dies könnte beim geplanten US-Börsengang zum Problem werden.

Der chinesische Internetriese Alibaba steuert auf den möglicherweise größten Börsengang aller Zeiten zu. Den Banken bereitet allerdings schon jetzt eine Frage Kopfzerbrechen: Wie lassen sich die Aktien hochhalten, sobald sie in den Handel gehen. Jeder große IPO (Initial Public Offering - Börsengang) ist schwierig. Aber Alibaba steht vor einigen besonders kniffligen Herausforderungen.

Zunächst ist da die Größe: Mit der Sache vertraute Personen berichten, dass der Deal mehr als 20 Milliarden US-Dollar schwer sein wird. Banker vermuten, dass sie mindestens das Vierfache an Ordern von großen institutionellen Kunden zusammentrommeln müssen, um den Kurs auch in den Tagen nach dem Börsengang oben zu halten. Das würde voraussetzen, dass einige Käufer 1 Milliarde Dollar oder mehr auf den Tisch legen, um die Nachfrage aufrecht zu erhalten. "Dieses Zeug lässt mich nachts nicht schlafen", sagt eine am Verkaufsprozess beteiligte Person.

Alibaba muss sich schon jetzt erst einmal bei US-Investoren bekannt machen. Denn der Internetkonzern betreibt sein Geschäft vor allem in China. Er muss sich zudem kritischen Fragen von Aufsehern und Investoren zu seiner Unternehmensführung stellen. Es gibt bei Alibaba eine Gruppe von Partnern, die eine Mehrheit des Verwaltungsrats benennen darf. Zudem ist die Struktur einiger Aktiva komplex; aufgrund der Beschränkungen im chinesischen Recht werden sie getrennt in ausgelagerten Unternehmen gehalten, berichten mit dem Deal vertraute Personen.

Konzernstruktur birgt Problempotenzial

Alibaba-Gründer Jack Ma: Den früheren Englischlehrer halten die Probleme vorm US-Börsenstart nicht vom Lachen ab.

Alibaba-Gründer Jack Ma: Den früheren Englischlehrer halten die Probleme vorm US-Börsenstart nicht vom Lachen ab.

(Foto: picture alliance / dpa)

Dann wären da noch die langfristigen Herausforderungen. Alibaba, ein chinesisches Unternehmen, ist amtlich auf den britischen Cayman-Inseln eingetragen und will in New York an die Börse. Das bedeutet, dass der Konzern auch nach dem Börsengang nicht in wichtige Indizes wie dem S&P 500 oder vom MSCI aufgenommen werden kann. Nach den Indizes wiederum richten sich viele billionenschwere Fonds. Wenn eine Aktie nicht in einem bestimmten Index ist, dürfen viele Fonds sie nicht kaufen.

Im S&P 500 sind nur Unternehmen enthalten, die ihren Sitz in den USA haben. Der Index zählt für Investoren zu den wichtigsten überhaupt. Anlagen über rund 5,1 Billionen Dollar sind daran gekoppelt, zeigen Daten von S&P Dow Jones Indices. Einige Indizes für China und Schwellenmärkte wiederum könnten Alibaba wegen der ungewöhnlichen Konzernstruktur ausschließen. Der Unternehmenssitz und die gewählte Börse verhindern, dass Alibaba in die wichtigsten Indizes der FTSE Group und von MSCI aus diesem Bereich aufgenommen werden, erklären die Unternehmen.

Tony Ursillo ist Analyst für Technologieaktien und Portfoliomanager bei Loomis, Sayles & Co, wo 221 Milliarden Dollar an Kundengeldern verwaltet werden. Er sagt, die fehlende Präsenz von Alibaba "in wichtigen Indizes wird das institutionelle Halten der Aktie beeinträchtigen". Dennoch wird Alibaba große, langfristige Aktionäre haben, etwa die strategischen Investoren Yahoo und Softbank. Das, so Ursillo, werde das Fehlen von Indexgeldern abfedern.

Ausschluss von Index kann Vorteil sein

Indexfonds versuchen, dieselben Aktien und Gewichtungen des Originals zu übernehmen. Andere Fonds werden an Indizes gemessen und halten daher zumindest zum Teil dieselben Papiere. Einige passive Indexfonds kaufen auch nicht direkt bei Börsengängen und müssen abwarten, bis die Aufnahme in den Index offiziell vollzogen wird. Doch die großen IPOs werden zumindest zum Teil von der Nachfrage aktiverer Fonds gestützt, die die Papiere direkt kaufen, weil sie auf eine Aufnahme in den Index setzen. Diese erfolgt meist Monate nach dem Börsengang. So lief es unter anderem bei den Mega-IPOs von Facebook, General Motors oder Visa.

Alibaba-Logistikzentrum in Jinan nahe Peking: Die Infrastruktur ist eine der Herausforderungen, denen sich das Unternehmen bei weiterem Wachstum gegenüber sieht.

Alibaba-Logistikzentrum in Jinan nahe Peking: Die Infrastruktur ist eine der Herausforderungen, denen sich das Unternehmen bei weiterem Wachstum gegenüber sieht.

(Foto: REUTERS)

Trotzdem kann auch ein Ausschluss vom Index von Vorteil sein. Dennis Hudachek, Analyst bei ETF.com, sagt, dass einige Fondsmanager beim Versuch, den Index zu übertreffen, Alibaba aufnehmen könnten, wenn sie damit rechnen, dass sich die Aktie positiv entwickelt.

Das Risiko vor einer zu geringen "After-Market"-Nachfrage wurde zuletzt durch Facebook verdeutlicht. Dem sozialen Netzwerk gelang zwar der größte Börsengang eines Technologiekonzerns aller Zeiten. Doch nach dem 16-Milliarden-Dollar-IPO im Jahr 2012 fiel der Aktienkurs in den ersten Handelsmonaten deutlich in den Keller und lag unterhalb des Ausgabepreises.

"Eine Milliarde sicher nicht in der Schublade"

Alibaba wird sich vermutlich auch mit einer ungewöhnlich großen Bandbreite an Investoren auseinandersetzen müssen. Fonds, die sich darauf spezialisiert haben, ausschließlich in chinesische Firmen zu investieren, könnten nicht in der Lage sein, die notwendige Kaufkraft zu erzeugen, berichten Personen, die mit dem Deal vertraut sind. Das bedeutet, dass Alibaba auch bei Portfoliomanagern werben muss, die sich auf alles Mögliche konzentrieren - von Asien über Internetversand bis hin zu großen weltweit agierenden Fonds.

Die Manager müssen überzeugt werden, dass Alibaba ein lohnenswertes Ziel für generelle Internetinvestments darstellt - vielleicht sogar noch eher als die bestehenden Positionen der Investoren bei Firmen wie Ebay und Amazon, heißt es. "Wenn jemand eine Milliarde Dollar in Alibaba investieren möchte, hat er das Geld sicher nicht in der Schublade liegen", sagt eine Person, die in den IPO-Prozess involviert ist.

Einige Firmen könnten in der Lage sein, Geld für Alibaba aufzutreiben, in dem sie sich von anderen Firmen trennen, die bereits Anteile an Alibaba halten - darunter Softbank und Yahoo. Alibaba könnte auch als Ersatz für eine große Reihe von chinesischen Aktien dienen, da eine Investition in den Konzern eine breite Wette auf das Wachstum des Konsums in China wäre.

Kein Zugang für Kleinanleger

Andere Investoren könnten jedoch Grenzen in ihren Portfolios für Investitionen in China haben. Das Risiko, in Aktien dort zu investieren, wird allgemein als höher als anderenorts wahrgenommen. Andrew Cupps, Chief Investment Officer bei Cupps Capital Management, sagt, sein Unternehmen konzentriere sich vor allem auf US-Aktien. 5 bis 10 Prozent des Fonds dürften jedoch in Anteile ausländischer Firmen investiert werden. Er erklärt, dass er bislang noch nicht weiß, ob er Alibaba-Aktien kaufen wird.

Und anders als die großen chinesischen Börsengänge der letzten Jahre hätte Alibaba nicht denselben Zugang zu Kleinanlegern in der Heimat, die sonst einen beträchtlichen Teil der Investoren stellen. Abgesehen von ausgewiesenen Institutionen wie dem Staatsfonds China Investment Corp. gibt es strenge Begrenzungen für Einzelpersonen, die im Ausland notierte Aktien kaufen wollen.

Quelle: ntv.de, Telis Demos und Matt Jarzemsky, DJ

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