Wirtschaft

Cryan regiert auf Abruf Achleitner schadet der Deutschen Bank

Paul Achleitner: Viele sehen in ihm den wahren Boss der Deutschen Bank.

Paul Achleitner: Viele sehen in ihm den wahren Boss der Deutschen Bank.

(Foto: picture alliance / Arne Dedert/d)

Die Personalspekulationen bei Deutschlands größtem Geldhaus reißen nicht ab. Dass der Chef der Deutschen Bank abgelöst werden soll, scheint mittlerweile ausgemacht. Aber es gibt auch Widerstand gegen Aufsichtsratschef Achleitner.

Das hat sich Aufsichtsratschef Paul Achleitner möglicherweise leichter vorgestellt. Während der Chefkontrolleur der Deutschen Bank in den peruanischen Anden im Osterurlaub weilt, machen Namen möglicher Nachfolger für die Spitze des Geldhauses die Runde. Der Übergang von John Cryan auf den Neuen soll geschmeidig und leise eingeleitet werden: Großaktionäre, Vorstände und Anleger sollen begreifen, dass es ein notwendiger Befreiungsschlag für das in der Sanierung feststeckende Geldinstitut ist. Der glücklose Brite Cryan, der ohnehin nur als Übergangskandidat eingesetzt war, soll seine Koffer packen und sich sang- und klanglos zurückziehen.

Deutsche Bank
Deutsche Bank 14,95

Doch es kommt anders. Statt österlichen Friedens macht sich Personalchaos in der Deutschen Bank breit. Mitstreiter, Investoren - viele fühlen sich überrumpelt. Cryan bekommt unerwartet Zuspruch und krallt sich an seinen Vorstandsposten. In einem Brief an die Mitarbeiter, der wohl nicht mit dem Aufsichtsrat abgesprochen war, verspricht er dem Institut Treue. Er wolle "den Weg weitergehen". Seine Botschaft nach Peru: freiwillig geht er nicht. Den Hinweis, es gebe "keinen Dissens" zwischen Vorstand und Aufsichtsrats, glaubt da kaum einer mehr.

Vor allem, weil Achleitner immer weiter eisern schweigt. Und die informellen Bewerbergespräche derweil munter weiterlaufen. Immer mehr Namen sickern durch. Der jüngste potenzielle Kandidat heißt Jürg Zeltner. Der Aufsichtsratschef der Deutschen Bank erwäge, den früheren UBS-Manager als Nachfolger für Cryan anzuheuern, schreibt der "Spiegel". Achleitner soll bereits mit ihm gesprochen haben.

Cryan ist angezählt

Mittlerweile gilt ein Wechsel an der Vorstandsspitze der Deutschen Bank bei Beobachtern als ausgemachte Sache. Cryans Ruf ist beschädigt. Doch die Suche nach potenziellen Nachfolgern ähnelt immer mehr einem Stochern im Nebel. Schon vor Ostern kassierte Achleitner mehrere prominente Absagen. Und auch Zeltner passt nicht zum größten deutschen Geldinstitut. Der Schweizer hat keine Erfahrung im Bereich Investment Banking. Bei der UBS hatte er sich auf Vermögensverwaltung für Wohlhabende fokussiert. Großaktionäre sollen dies sofort moniert haben, berichtet Reuters.

Im übrigen war Zeltners Ausstieg bei der UBS als eher abrupt zu bezeichnen. Er soll sich Chancen auf die Nachfolge von Vorstandschef Sergio Ermotti ausgerechnet haben. UBS-Verwaltungsratschef Axel Weber verfolgte jedoch andere Pläne, deshalb trennten sie sich. Dass manche Aktionäre das Verhalten Achleitners langsam laut hinterfragen, wundert nicht.

Auch im Aufsichtsrat der Deutschen Bank dreht sich das Personalkarussell wenige Wochen vor der Aktionsärversammlung schneller. Und auch hier dringen die Namen der Wunschkandidaten an die Öffentlichkeit. Vier Positionen sollen am 24. Mai neu besetzt werden. Nominiert sind angeblich die frühere Managerin der US-Firma IHS Markit, Michele Trogni, die Ex-Morgan-Stanley-Bankerin Mayree Clark. Und der Wall-Street-Veteran John Thain. Ein Name, der bereits jetzt heftig diskutiert wird. 

Ein Boni-Banker für den Aufsichtsrat?

Thain ist aus seiner Zeit als Vorstandsvorsitzender der Investmentbank Merrill Lynch in schlechter Erinnerung. 2007, ein Jahr vor Ausbruch der Finanzkrise, verdiente er dort 80 Millionen Dollar. 2008 ging Merrill Lynch unter und wurde an die Bank of America verkauft. Der Name Thain steht nicht nur für überzogene Boni, sondern auch sonst für einen großzügigen Umgang mit Firmengeldern, immer wenn es ums Protzen ging. Ob so ein Mann eine Bereicherung für das Kontrollgremium der Deutschen Bank wäre, die immer noch wegen hoher Managergehälter in der Kritik steht, darf zumindest angezweifelt werden. Die Deutsche Bank will die Personalspekulationen nicht kommentieren. Aber am Mittwoch wird die Einladung zur Hauptversammlung Gewissheit bringen.

So still und unauffällig sich Achleitner auch vordergründig verhält, sein blindes Herumstochern im Hintergrund wirft ein Schlaglicht auf seine Arbeit als oberster Kontrolleur der Bank. Die Strategiedebatte hätte lange vor der Personaldebatte geführt werden müssen. Dass dies versäumt wurde, schadet dem Ruf des Instituts.

Den Clinch zwischen Cryan und Achtleitner sollen Differenzen über das kapitalintensive Investmentbanking ausgelöst haben. Der Vorstandsvorsitzende wollte es angeblich zurückfahren, der Aufsichtsratschef dagegen in vollem Umfang erhalten. "Die Bank hat ein fundamentales Problem. Und das ist eine Strategie, die noch nicht bewiesen hat, dass sie auch funktioniert. Wir sind uns nicht sicher, ob das etwas ist, was ein neuer Vorstandschef so einfach lösen kann", zitiert die Deutsche Welle einen Großinvestor, der namentlich nicht genannt werden will.

Achleitner macht sich angreifbar

Achleitner selbst ist längst umstritten. Durch die vermurkste Personalrochade macht er sich nur noch angreifbarer. Noch diese Woche, gleich nach seiner Rückkehr aus den Anden, ist er angeblich zu Gesprächen mit Investoren verabredet. Im Moment spricht vieles für einen Wechsel an der Spitze, aber einfach wird es auch für Achleitner nicht: Großaktionäre wie die Scheichs aus Katar, Hamad Bin Jassim Al-Thani und Hamad Bin Khalifa Al-Thani, sind seit Langem unzufrieden mit dem Kurs der Bank. Andererseits steht der US-amerikanische Großaktionär BlackRock aber hinter Cryan. Und auch Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat würden gern mit dem Briten weitermachen.

Alles ist offen. Und dafür strafen die Anleger die Deutsche Bank weiter kräftig ab: Am Dienstag verlieren die Papiere in der Spitze noch einmal über zwei Prozent. Damit belaufen sich die Verluste seit Jahresbeginn insgesamt bereits auf rund 30 Prozent. Bis zur Hauptversammlung sind es noch sieben Wochen.

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen