Wirtschaft

Kursexplosion um fast 14 Prozent Warum fährt die Wirecard-Aktie Achterbahn?

Hat ein Wirecard-Mitarbeiter Bilanzen gefälscht? Die Firma weist das zurück.

Hat ein Wirecard-Mitarbeiter Bilanzen gefälscht? Die Firma weist das zurück.

(Foto: picture alliance/dpa)

Dass ein Dax-Wert zweistellig zulegt, passiert so gut wie nie. Ebenso wenig bricht eine Aktie aus der ersten Reihe normalerweise 30 Prozent ein. Wirecard hat in den vergangenen Wochen beides geschafft. Die Geschichte dahinter ist extrem mysteriös.

Das unglaubliche Auf und Ab bei Wirecard nimmt kein Ende. Nachdem die Finanzaufsicht Bafin Leerverkäufe von Aktien des Dax-Konzerns verboten hat, geht der Kurs mit einem Plus von bis zu 14 Prozent durch die Decke. Die Erholung startet allerdings von einem ziemlich niedrigen Niveau: Nach Berichten in der britischen "Financial Times" (FT) über angebliche finanzielle Unregelmäßigkeiten im Asien-Geschäft war die Aktie um über 30 Prozent in die Knie gegangen.

Zickzack-Kurse bei einem solchen Marktschwergewicht sind - ohne Übertreibung - eine absolute Rarität. Die Bafin prüft deshalb, ob es sich um eine gezielte Attacke von Spekulanten handelt. Die Staatsanwaltschaft München ermittelt nach einer Strafanzeige inzwischen gegen einen Journalisten der "FT". Die Kurskapriolen sind so extrem, dass die Bafin "eine ernstzunehmende Bedrohung für das Marktvertrauen in Deutschland" befürchtet.

Womit verdient Wirecard sein Geld?

Das Unternehmen sitzt im Münchner Vorort Aschheim und wickelt gegen Gebühr für Firmen in aller Welt Online-Zahlungen ab. Gegründet wurde der Konzern 1999, seit 2002 führt ihn der Wirtschaftsinformatiker und ehemalige KPMG-Berater Markus Braun. Um die Jahrtausendwende war das digitale Bezahlgeschäft noch eine Nische, zu den ersten Kunden gehörten deshalb Porno-Seiten und Online-Casinos.

Inzwischen profitiert der Konzern jedoch wie Amazon und andere Digitalgiganten massiv vom E-Commerce-Boom und der zunehmenden Verlagerung von Bezahlströmen ins Internet. Wirecard wuchs fast unbemerkt, aber stetig, und stieg 2006 in den TecDax auf. Im September verdrängte die Firma dann sogar die altehrwürdige Commerzbank aus dem Dax. Damals war Wirecard an der Börse mehr wert als die Deutsche Bank.

Wie hat sich der Wirecard-Kurs entwickelt?

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Nach ihrem Dax-Debüt ging die Aktie stetig zurück, erholte sich jedoch über den Jahreswechsel merklich. Am 30. Januar brachen die Wirecard-Papiere dann brutal ein: Die "FT" berichtete zum ersten Mal über angebliche Unregelmäßigkeiten eines führenden Wirecard-Mitarbeiters in Singapur. Seitdem hat die Aktie mehr als 30 Prozent ihres Marktwerts verloren.

Ebenso rasant ging es zwischenzeitlich wieder rauf: Am 4. Februar explodierte der Kurs um rund 14 Prozent, nachdem Wirecard-Chef Braun den Bericht als "diffamierend und unzutreffend" zurückgewiesen hatte. Und nachdem die Bafin heute nun Wetten auf fallende Wirecard-Kurse verboten hat, legt die Aktie ebenfalls um fast 14 Prozent zu. "In der derzeitigen Situation besteht das Risiko, dass die Verunsicherung des Marktes zunimmt und sich zu einer generellen Marktverunsicherung ausweitet", warnt die Bafin.

Was sind die Vorwürfe gegen Wirecard?

Die "FT" hatte am 30. Januar unter Berufung auf eine interne Wirecard-Präsentation und andere Unterlagen berichtet, dass Wirecard-Manager Edo Kurniawan im vergangenen Jahr unter den Verdacht des Finanzbetrugs geraten sei. Es gebe Hinweise auf "zurückdatierte Verträge, "verdächtige Transaktionen" und "potentiell betrügerische Geldströme". Kurniawan verantwortet laut "FT" in Singapur die Wirecard-Buchhaltung in Asien.

Laut FT ist in der Präsentation vom Mai 2018 von der "Fälschung von Konten" und "Geldwäsche" die Rede. Ein Whistleblower habe sich an die Zeitung gewandt, da trotz einer internen Untersuchung keine Konsequenzen gezogen worden seien. Die Polizei in Singapur hat das dortige Wirecard-Büro am 8. Februar durchsucht.

Was sagt Wirecard dazu?

Wirecard hat mitgeteilt, man habe sich mit den Strafverfolgern in Singapur getroffen und Unterlagen über "verleumderische Vorwürfe" der "FT" übergeben. Inzwischen hat der deutsche Zahlungsdienstleister die britische Zeitung verklagt.

Der Dax-Newcomer hat zudem bestätigt, dass eine externe Anwaltskanzlei bereits seit Mai 2018 angebliche Bilanzfälschungen eines Wirecard-Mitarbeiters in Singapur untersucht. Auch die Compliance-Abteilung des Unternehmens habe sich mit den Vorwürfen befasst. Wirecard-Chef Braun sagte in einer Telefonkonferenz mit Investoren, die Untersuchung sei zwar noch nicht abgeschlossen, aber man betrachte "die Angelegenheit als erledigt".

Laut Wirecard hat ein Mitarbeiter in Singapur im April 2018 Bedenken gegen einen Kollegen geäußert. Diese hätten sich jedoch als unbegründet erwiesen. Es habe Hinweise gegeben, dass die Vorwürfe mit "persönlichen Feindseligkeiten" zwischen den beiden Personen zu tun haben könnten.

Was ist an den Vorwürfen dran?

Die Münchner Staatsanwaltschaft sieht trotz der Vorwürfe keinen Grund für Ermittlungen: "Wir sehen derzeit keinen ausreichenden Anfangsverdacht, um ein Ermittlungsverfahren gegen Verantwortliche der Wirecard AG einzuleiten", hat eine Sprecherin mitgeteilt. Allerdings würde Finanzbetrug in Singapur durch nichtdeutsche Wirecard-Mitarbeiter ohnehin nicht in die Zuständigkeit deutscher Ermittler fallen.

Man habe aufgrund einer Strafanzeige eines Anlegers ein Ermittlungsverfahren gegen einen Journalisten der "FT" eingeleitet, heißt es von der Strafverfolgungsbehörde. Dieser werde als Beschuldigter geführt. Die Ermittlungen stünden erst am Anfang. Die Staatsanwaltschaft sammle sowohl belastendes als auch entlastendes Material.

Dazu gehöre auch die Aussage eines Kaufinteressenten von Wirecard-Aktien, der vor der Veröffentlichung Informationen über einen bevorstehenden Bericht der "FT" über Wirecard erhalten haben will. Medienberichte, es handle sich dabei um einen Leerverkäufer, träfen nicht zu, sagte die Sprecherin. Medienberichte über angeblich bereits erfolgte Zeugenvernehmungen wollte die Staatsanwaltschaft nicht bestätigen. In den USA haben Aktionäre bereits Sammelklagen gegen Wirecard eingereicht, auch in Deutschland bereiten sich Kanzleien auf Schadenersatzklagen vor.

Sicher ist nur: Es ist nicht das erste Mal, dass Medienberichte den Wirecard-Kurs auf Talfahrt schicken. Und es wäre auch nicht das erste Mal, dass Kriminelle den Kurs gezielt mit Falschmeldungen manipulieren wollen. 2008 bezichtigte die Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) Wirecard der Bilanzfälschung. Der Kurs brach massiv ein. 2012 wurden SdK-Mitarbeiter wegen Marktmanipulation zu Gefängnisstrafen verurteilt. Die Staatsanwaltschaft München hat bereits 2016 ein Verfahren wegen Marktmanipulation eingeleitet, nachdem die Wirecard-Aktie nach einem Bericht des bis dahin unbekannten Research-Hauses Zatarra eingebrochen war.

Quelle: ntv.de, mit rts

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