Wirtschaft

"Haben Alternativen gefunden" Unternehmen flüchten vor Strafzinsen

Nachdem die Commerzbank Negativzinsen angekündigt hatte, wagen sich auch andere deutsche Banken aus der Deckung.

Nachdem die Commerzbank Negativzinsen angekündigt hatte, wagen sich auch andere deutsche Banken aus der Deckung.

(Foto: dpa)

Nachdem mehrere deutsche Banken Negativzinsen angekündigt haben, versuchen deutsche Unternehmen, ihr Geld vor dem Wertverlust zu retten. Allerdings haben es kleinere Firmen dabei schwerer als Großkonzerne.

Die Entscheidung mehrerer deutscher Banken, von Großkunden Strafzinsen für höhere Guthaben zu verlangen, sorgt für Unruhe in der deutschen Unternehmenswelt. Verbände wie der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) kritisieren das Vorhaben scharf. Erste Unternehmen ziehen bereits Konsequenzen: Sie wechseln die Bank oder schichten auf andere Anlagen um.

Der Energieversorger Eon etwa hat bereits mehrere konkrete Maßnahmen getroffen, um Strafzinsen auf seine Guthaben bei Banken zu umgehen. "Wir haben Alternativen gefunden, indem wir die Bank gewechselt haben, auf andere Laufzeiten umgestiegen sind oder alternative Geldanlagen gefunden haben", sagte ein Eon-Sprecher.

Große Konzerne sind dabei sehr flexibel, denn sie arbeiten meist mit mehreren Finanzinstituten zusammen. So haben Unternehmen wie der Konsumgüterhersteller Henkel die Möglichkeit, drohende Strafzinsen bei einer Bank zu umschiffen: "Wir arbeiten weltweit mit einer Vielzahl von Banken zusammen und haben so die Möglichkeit, flexibel auf diese Entwicklung zu reagieren", erklärte ein Sprecher der Düsseldorfer. Sprich: Wenn eine Bank mit Strafzinsen droht, legt man sein Geld eben woanders an.

Versicherungswirtschaft besonders betroffen

Ähnlich verhält es sich beim weltgrößten Chemiehersteller BASF: Man erhalte in letzter Zeit vermehrt von einzelnen Banken "negative Zinsquotierungen für Einlagen", so ein Sprecher der Ludwigshafener. "Wir sind aber aufgrund der effizienten globalen Mitteldisposition und ausreichender Alternativen derzeit nicht gezwungen, solche Quotierungen zu akzeptieren." Übersetzt: Wenn uns eine Bank mit Strafzinsen droht, gehen wir eben zur Konkurrenz.

Besonders betroffen ist die Versicherungswirtschaft. Aufgrund der regelmäßig einlaufenden Prämien auf die Versicherungsverträge haben sie stets einen hohen Liquiditätsbestand, der nach Anlagemöglichkeiten sucht. Gleichzeitig sind sie aber besonders gut im Bankensektor verdrahtet und können ihre Liquidität schnell umschichten, wenn Strafzinsen drohen. "Wir sichern unsere Liquidität über ein gruppenweites Cash-Pooling und investieren in sehr liquide Anlageformen. Deshalb sind wir von solchen Strafzinsen nicht betroffen", heißt es von einem Sprecher der Münchner Allianz.

Nicht alle wechseln gleich die Bank. Andere Unternehmen schichten ihre Anlagen um und vermeiden so hohe Bankguthaben. Die Optikerkette Fielmann setzt auf kurzfristige Unternehmensanleihen. "Die Differenzierung von Geldanlagen bei unterschiedlichen Marktteilnehmern ist seit vielen Jahren Basis unserer Anlagepolitik", sagte Fielmann-Finanzvorstand Georg Alexander Zeiss. "Der Schwerpunkt geht dabei in Richtung kurzfristiger Unternehmensanleihen."

Mittelständler haben es schwerer als Großkonzerne

Doch die Auswege der großen kapitalmarktorientierten Unternehmen stehen vor allem den vielen familiengeführten Unternehmen des Mittelstands nicht im vollen Umfang zur Verfügung. Stefan Heidbreder, Geschäftsführer der Stiftung Familienunternehmen, kritisiert die Auswirkungen der Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) auf die Wirtschaft: "Dies ist eine ungute Entwicklung, gerade für die großen Familienunternehmen. Jetzt zeigt sich der Preis des billigen Geldes. Unternehmen, Banken und EZB stecken in einer Zwickmühle."

Seit die Commerzbank bestätigt hat, ab Dezember von Geschäftskunden für hohe Guthabenkonten Geld zu verlangen, hat die Diskussion spürbar an Brisanz gewonnen. Doch so ganz überraschend kam der Schritt der Commerzbank nicht. Latent ist die Drohung seit Sommer, als die Europäische Zentralbank einen negativen Zinssatz für Bankeinlagen eingeführt hatte. Finanzinstitute müssen also dafür bezahlen, wenn sie ihre überschüssigen Reserven über Nacht bei der EZB lagern, statt sie anderen Banken zu leihen.

Es ist das erste Mal, dass eine große Zentralbank einen solchen Schritt wagt. Mit dieser Maßnahme will die EZB die seit Jahren laue Kreditvergabe im privaten Sektor ankurbeln. Im September senkte die EZB ihren Einlagenzins noch weiter ins Minus. Dieser Schritt hat das Risiko noch erhöht, dass die Banken sich die zusätzlichen Kosten von ihren Kunden zurückholen.

DIHK fürchtet die Auswirkungen auf die Wirtschaft

Die Commerzbank kündigte nun als erstes großes Kredithaus der Eurozone direkte Strafzinsen für hohe Guthaben an. Bislang haben nur US-Banken wie die Bank of New York Mellon, Goldman Sachs und J.P. Morgan Chase sowie die Schweizerische Credit Suisse einigen Kunden angekündigt, für hohe Einlagen in Euro Gebühren zu verlangen.

In Deutschland verlangte wohl als eine der ersten Banken die vergleichsweise kleine Skatbank seit dem 1. November einen Negativzinssatz. Nachdem die Commerzbank ihren Schritt für Dezember angekündigt hat, wagen sich aber auch andere Banken aus der Deckung. So bestätigte die Düsseldorfer WGZ-Bank, die Zentralbank der Volksbanken und Raiffeisenbanken im Rheinland und in Westfalen, dass sie bereits seit dem 1. November von einzelnen Großkunden eine Gebühr erhebt. Auch andere Banken erheben bereits Gebühren oder prüfen dies zumindest.

Der DIHK fürchtet die Auswirkungen der EZB-Entscheidung auf die Wirtschaft. "Statt die Investitionen zu fördern, führt der negative Einlagenzins der EZB nun zu weiteren Belastungen für die Wirtschaft", kritisierte Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben. Er forderte einen Stopp für zusätzliche Belastungen.

Quelle: ntv.de, kst/DJ

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen