Wirtschaft

Ungleiche Waffen im Handelskrieg Peking setzt auf Politik der Nadelstiche

Donald Trump droht Peking wieder mit neuen Zöllen. Weil der Volksrepublik die Vergeltungsmöglichkeiten ausgehen, bringt sie andere Geschütze in Stellung. Sie haben ein kleineres Kaliber, sind aber genauso treffsicher.

Der Handelsstreit zwischen den USA und China eskaliert schon wieder. US-Präsident Donald Trump droht Peking mit weiteren milliardenschweren Strafzöllen. China sucht deshalb unter Hochdruck nach Mitteln, um dem "Wirtschaftsterrorismus" und "ökonomischen Chauvinismus" der USA, wie die offizielle chinesische Sprechart lautet, Paroli zu bieten. Die Volksrepublik will "bis zum Ende kämpfen". Doch Gegenzölle allein reichen nicht mehr aus.

Inzwischen hat Washington auf 6000 verschiedene chinesische Produktlinien Strafzölle verhängt. Bei Billig-Matratzen und Bierfässern aus China werden seit kurzem Aufschläge von bis zu 1700 Prozent fällig. Bislang hat Peking bei jeder neuen Zollattacke aus den USA mit Gegenzöllen reagiert. Doch nun muss China andere Waffen zücken, weil die Importe aus den USA zu klein sind: Im vergangenen Jahr führte die Volksrepublik lediglich Waren im Wert rund 120 Milliarden US-Dollar aus den USA ein. Für zwei Drittel des Volumens gelten bereits Gegenzölle. Wenn die Regierung in Peking der US-Wirtschaft weitere Nadelstiche versetzen will, muss sie erfinderisch sein. In der vergangenen Woche hat sie gleich mehrere Geschütze in Stellung gebracht.

Liste "unzuverlässiger" Unternehmen

Die jüngste Drohung, die Ausfuhr Seltener Erden an die USA zu beschränken, war ein Paukenschlag - und sorgte weltweit für Aufsehen. Denn die Verwerfungen, die dadurch entstehen würden, treffen nicht nur die US-Tech-Riesen. Auch die deutsche Wirtschaft würde die Folgen spüren. Nachdem China diese Superwaffe scharf gemacht hat, will das Land nun auch US-Unternehmen ins Visier nehmen. Auf den US-Bann gegen den chinesischen Telekomausrüster Huawei antwortete Peking mit einer schwarzen Liste "unzuverlässiger" ausländischer Firmen, Personen und Organisationen, "die Interessen der chinesischen Unternehmen beschädigen".

Genaueres ist zwar noch nicht bekannt. Aber der US-Paketdienst Fedex und der US-Autobauer Ford haben den langen Arm Pekings bereits zu spüren bekommen: Wegen eines Verstoßes gegen das Wettbewerbsrecht muss Ford in China umgerechnet mehr als 20 Millionen Euro Strafe zahlen. Fedex wird vorgeworfen, Lieferungen von Huawei fehlgeleitet zu haben. Die Ermittlungen laufen noch. Beobachter sehen in beiden Fällen aber eine klare Retourkutsche im Handelsstreit.

Aufhorchen ließ auch der Rückzieher des taiwanesischen Apple-Zulieferers Foxconn. Obwohl der Konzern 2017 bei einer Zeremonie im Weißen Haus öffentlich gelobt hatte, Arbeitsplätze in den USA zu schaffen, will er nun Jobs nach Mexiko verlagern. Die Zusagen an US-Präsident Donald Trump von damals sollen überprüft werden. Ob Peking auch hier Einfluss genommen hat, ist unklar. Ein Nackenschlag für Washington ist der Rückzug allemal. US-Schwergewichten wie Apple zu schaden, traut sich Peking bislang aber noch nicht. Immerhin arbeiten zwei Millionen Chinesen in den Lieferketten der chinesischen iPhone-Produktion.

China dreht den Geldhahn langsam zu

Inzwischen wird der Handelsstreit sogar im Privatleben der Bürger geführt. Wegen "Schießereien, Raubüberfällen und Diebstählen" warnte Peking seine Bürger jüngst explizit vor Risiken einer US-Reise. Auch vor einem Studium an US-Universitäten riet Peking offiziell ab. Angeblich hatten einige chinesische Studenten Probleme bei der Visavergabe in den USA. Die Warnung Pekings sei eine Reaktion auf die jüngsten "diskriminierenden Maßnahmen" der USA gegen chinesische Studenten und könne auch "als Reaktion auf den von den USA ausgelösten Handelskrieg angesehen werden", schrieb "Global Times"-Chefredakteur Hu Xijin auf Twitter.

Jede Diskriminierung, jede Schikane hat wirtschaftliche Folgen für die USA. Mit zuletzt etwa 360.000 Studierenden bilden die Chinesen die größte Gruppe internationaler Studenten in den USA. Die staatliche chinesische Nachrichtenagentur Xinhua beziffert ihren Beitrag zur US-Wirtschaft unter Berufung auf US-Quellen auf 14 Milliarden US-Dollar. 

Auch bei den chinesischen Direktinvestitionen zeigt sich: Die Quelle, die die US-Wirtschaft in den vergangenen Jahren wachsen und gedeihen ließ, versiegt. 2017 befanden sich die chinesischen Direktinvestitionen auf einem Hoch von 80 Milliarden Dollar. Ein Jahr später mit minus 83 Prozent auf dem niedrigsten Stand seit sieben Jahren.

Wie angreifbar die US-Wirtschaft ist, hat sich im vergangenen Jahr in der Landwrtschaft gezeigt. Mit dem Bann von Agrarprodukten traf Peking politisch sensible Regionen in den USA ins Mark. Die Regierung kappte große Staatsaufträge für Soja-Lieferungen und erhöhte damit den Druck auf Farmer in Staaten wie Iowa, die für Trumps Wiederwahl entscheidend sind. Dort hatten die Bauern eigentlich auf Trumps Versprechungen vertraut, von seiner Politik zu profitieren. Stattdessen fielen ihre Einkommen im ersten Quartal auf den tiefsten Stand seit drei Jahren.

US-Bonds als letzte tödliche Waffe

Und Peking lässt nicht locker: Nach Soja stornierte China zum 9. Mai auch die Lieferungen von US-Schweinefleisch - ein schwerer Schlag für den 6,5-Milliarden-Dollar-Exportmarkt. Auch der Markt für Flüssiggas oder Flugzeugbestellungen bei Boeing könnten eine Front sein, über die China noch Druck machen könnte. Wie abhängig die US-Industrie von China ist, zeigt sich auch daran, dass Boeing angeblich einen Großauftrag für 100 Flugzeuge im Auftragswert von 30 Milliarden US-Dollar nach China geben möchte. Im Wettbewerb mit dem europäischen Rivalen Airbus käme der Mega-Deal Boeing sehr gelegen. Gleichzeitig birgt er aber auch ein hohes Risiko, dass der Flugzeugbauer und seine Flotten-Planung in Turbulenzen gerät.

Schließlich halten es Ökonomen auch nicht für ausgeschlossen, dass die vielen kleinen Nadelstiche in Form von Zöllen, Drohungen, Schikanen und Auftragsstornierungen noch in etwas viel Größerem münden: China könnte seine allergrößte Waffe zum Einsatz bringen und Washington komplett den Geldhahn zudrehen. Dafür müsste Peking nur im großen Stil US-Staatsanleihen auf den Markt werfen.

Mit 1,2 Billionen Dollar ist die Volksrepublik der größte Geldgeber der USA. Sie besitzt mehr als ein Viertel aller im Ausland gehaltenen US-Schulden. Mit dieser Waffe zu fuchteln, birgt allerdings große Risiken. Überschwemmt China den Finanzmarkt mit US-Papieren, sinkt auch der Wert der eigenen Bestände. Peking würde sich also selbst schaden. Der Kampf mit dem Dollar dürfte deshalb die nukleare Option im Wirtschaftskrieg sein. Setzt China sie ein, wird kein Land der Welt mehr als stiller Zuschauer am Schlachtfeldrand stehen bleiben können.

Quelle: ntv.de

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