Wirtschaft

Draghi verteidigt Niedrigzinsen Nichtstun wäre größtes Risiko

Enteignung der Sparer, Destabilisierung der Börsen, Überhitzung der Immobilienmärkte: Kritiker sehen viele Gefahren in der lockeren Geldpolitik der EZB. Deren Präsident hält das nicht für ganz falsch.

Mario Draghi hat den Neujahrsempfang der Deutschen Börse in Eschborn bei Frankfurt dazu genutzt, die vor allem in Deutschland geübte Kritik an der Niedrigzinspolitik der von ihm geführten Europäischen Zentralbank zurückzuweisen. Die Kritiker hätten der EZB die Enteignung der Sparer, die Gefährdung der Finanzmarktstabilität und die Behinderung von strukturellen Reformen vorgeworfen - doch keiner dieser Kritikpunkte halte einer näheren Untersuchung stand, so Draghi.

"Was ich (die Kritiker) noch nie habe diskutieren hören, ist die Gefahr des Nichtstuns", sagte Draghi. Die Politik der EZB sei darauf ausgerichtet, die Risiken im Euroraum zu minimieren. Nichts zu tun angesichts der globalen Risiken für die sich erholende europäische Wirtschaft würde die Risiken erhöhen, sowohl für die Preisstabilität als auch für Wachstum und Arbeitsplätze. "Das sind meiner Meinung nach die wirklichen Risiken, um die wir uns Sorgen machen sollten."

Zum Vorwurf der Enteignung der kleinen Sparer durch die Niedrigzinspolitik der EZB verwies Draghi ausgerechnet auf eine Studie der Deutschen Bundesbank aus dem Monatsbericht Oktober, nach der die Verzinsung eines typischen Privatanleger-Portfolios eines deutschen Haushalts seit 2008 bei rund 1,5 Prozent gelegen habe. "Das ist natürlich niedriger als im Durchschnitt der Jahre vor der Finanzkrise - aber es ist auch keineswegs eine Enteignung der Sparer", sagte er.

Was den Vorwurf angehe, die Quantitative Easing genannte Niedrigzinspolitik der EZB gefährde die Stabilität der Finanzmärkte, verwies Draghi auf die wesentlich bessere Stabilität der Banken im Euroraum. Natürlich gebe es an den Märkten auch "Nischen der Übertreibung", etwa an manchen Immobilienmärkten. Doch sei die Zinspolitik auf makroökonomische Ziele ausgerichtet, nicht auf die Bekämpfung einzelner Blasen. "Und sollten wir zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Zukunft eine allgemeine Überhitzung in der Wirtschaft erkennen, ist es kein Problem für die Zentralbanken, überflüssige Liquidität wieder abzuziehen", sagte er.

Draghi sieht "Elemente der Wahrheit" in Kritik

Und schließlich nahm Draghi auch noch zu dem Vorwurf Stellung, die EZB nehme den Ländern der Eurozone den Anreiz für strukturelle Reformen, weil die niedrigen Zinsen solche Reformen nicht mehr so drängend erscheinen ließen. Zum einen sei es nicht die Aufgabe der EZB, die Regierungen des gemeinsamen Währungsraumes zu strukturellen Reformen zu zwingen. Aber zum anderen gebe es auch keinen direkten Zusammenhang zwischen dem Zinsniveau und der Bereitschaft einzelner Staaten, langfristig angelegte strukturelle Reformen anzupacken.

Draghi folgerte aus all diesen Kritikpunkten, dass jede Kritik für sich genommen zwar Elemente der Wahrheit enthielte - zugleich aber andere Aspekte unterdrücke oder nicht im gleichen Ausmaß zur Diskussion stelle. Letztendlich sei die Politik der EZB darauf ausgerichtet, Risiken zu minimieren. Und das sei besonders wichtig in Zeiten der Unsicherheit wie derzeit.

Denn während die europäische Wirtschaft Zeichen des Aufschwungs in diesem Jahr erkennen lasse, kämen von der globalen Wirtschaft Zeichen der Schwäche. "Unsere vordringlichste Aufgabe muss es daher sein, sicherzustellen, dass die Stärke des Heimatmarktes sich gegenüber der globalen Schwäche durchsetzt." Dazu sei die Stärkung des Vertrauens in die Stabilität und in die Zukunft der Eurozone ein wichtiges Element.

Quelle: ntv.de, mbo/DJ

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