Wirtschaft

EZB steigt aus Anleihekäufen aus Mario Draghi beendet die Billiggeld-Ära

Ob EZB-Chef Mario Draghi seinen Fahrplan für das Ende der Anleihekäufe einhalten kann, hängt auch von der Italien-Krise ab.

Ob EZB-Chef Mario Draghi seinen Fahrplan für das Ende der Anleihekäufe einhalten kann, hängt auch von der Italien-Krise ab.

(Foto: picture alliance/dpa)

Nach drei Jahren im Krisenmodus macht die EZB Schluss mit dem Gelddoping in der Eurozone. Sparer und Banken freut es. Ob Mario Draghi die Geldpumpe wirklich abstellen kann, wird das Politchaos in seinem Heimatland Italien entscheiden.

Jedes Mal, wenn Mario Draghi nach den monatlichen Sitzungen des Gouverneursrats der Europäischen Zentralbank (EZB) die Entscheidungen der Notenbanker erläutert, hängen die Märkte an seinen Lippen. Doch diesmal schenken die Reporter in Riga jedem Wort des EZB-Chefs besondere Aufmerksamkeit. Denn Draghi verkündet am Sitz der lettischen Notenbank einen monumentalen Kurswechsel.

Seit mehr als drei Jahren kauft die Notenbank unter seiner Ägide im großen Stil Anleihen und andere Wertpapiere, um Wachstum und Inflation im Euroraum anzukurbeln und den Schuldenstaaten der Währungszone unter die Arme zu greifen. Seit Beginn des Kaufprogramms im März 2015 haben die Notenbanker 2,4 Billionen Euro in die Märkte gepumpt, 2 Billionen davon allein in Staatsanleihen der Euro-Länder. Das senkt künstlich ihre Zinsen und erleichtert ihnen das Schuldenmachen. Doch das Ende des unerhörten Gelddopings ist nun klar absehbar.

Bis September will die EZB noch wie bisher jeden Monat für 30 Milliarden Euro Anleihen kaufen. Danach wird sie die monatlichen Finanzspritzen für die Märkte auf 15 Milliarden Euro herunterfahren, bevor sie sie Ende Dezember ganz beendet. Die Zinsen will sie noch bis mindestens Sommer 2019 auf Nullniveau belassen.

Es ist der von Sparern und Banken lang herbeigesehnte Ausstieg aus der Politik des billigen Geldes, mit der die EZB seit nunmehr fast acht Jahren gegen die Eurokrise kämpft. Die Geldflut hat die Wirtschaft stabilisiert und die Eurozone zusammengehalten. Immobilienbesitzern und Aktienanlegern hat sie beispiellose Gewinne beschert. Gleichzeitig hat die Zinsflaute Banken, Versicherer und die Altersvorsorge von Millionen an die Belastungsgrenze gebracht. Mit diesen "außergewöhnlichen geldpolitischen Maßnahmen" macht Draghi nun Schluss - und hält sich doch alle Optionen offen.

"Überfällige" Entscheidung mit großem Risiko

Denn der EZB-Chef hat zwar einen Fahrplan für den Ausstieg veröffentlicht, gleichzeitig aber klargemacht, dass er die Druckerpressen falls nötig jederzeit wieder anwerfen kann. Man werde die Gewinne aus den Anleihekäufen noch für "längere Zeit" nach dem Ende des Programms reinvestieren, lässt Draghi wissen. Zudem werde der Leitzins "so lange wie nötig" auf Rekordtief bleiben, um die Inflation dahin zu treiben, wo die EZB sie haben will: bei oder nahe unter zwei Prozent.

Trotzdem atmen die Sparer nun hörbar auf. Und die Banken machen Druck auf Draghi, bald die Zinsen anzuheben. "Überfällig" sei seine Entscheidung gewesen, meint etwa Andreas Martin vom Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR). Die erhoffte Zinswende solle die EZB "möglichst bald im Jahr 2019 einleiten", fordert er. "Endlich macht die Europäische Zentralbank einen deutlichen Schritt, um aus dem geldpolitischen Krisenmodus auszusteigen", frohlockt auch der Präsident des Bankenverbandes Hans-Walter Peters.

Doch Draghis Kurswechsel bleibt riskant. Das Wachstum in der Eurozone bleibt solide, hat sich aber zuletzt abgeschwächt. Ihre Prognose für 2018 hat die EZB auf 2,1 Prozent nach unten korrigiert. Der Handelskrieg zwischen US-Präsident Donald Trump und der EU schwelt weiter und könnte mit Zöllen auf Autos bald massiv eskalieren. Und dann ist da noch das, was in Draghis Heimatland Italien passiert. "Die gestiegene Volatilität an den Finanzmärkten erfordert Beobachtung", bekennt Draghi in bestem Zentralbankisch.

Italien wird Draghis Schicksalsfrage

Der Wahlsieg der Populisten von der eurokritischen Fünf-Sterne-Bewegung und der fremdenfeindlichen Lega in Italien macht die Anleger nervös. Während der chaotischen Regierungsbildung stiegen die Zinsaufschläge italienischer Staatsanleihen kurzzeitig auf den höchsten Stand seit vier Jahren - aus Angst, die könnten aus dem Euro aussteigen oder Italiens Staatsschulden noch weiter explodieren lassen.

Fürs Erste sieht soweit alles stabil aus. Doch bei neuem Polit-Chaos in Rom könnte Draghi bald genötigt sein, die Notenpresse wieder anzuwerfen. Denn Italien ist zu groß zum Retten, der Rettungsschirm ESM reicht nicht aus, um die drittgrößte Volkswirtschaft der Gemeinschaftswährung aufzufangen. Im Zweifel ist der EZB-Chef mal wieder der einzige, der zwischen dem Euro und dem Abgrund steht.

Entsprechend versucht Draghi nach Kräften, die Italien-Krise herunterzuspielen. "Wir sollten Politikwechsel nicht zu sehr dramatisieren. Wir haben 19 Länder im Euro. Also wird es ab und an zwangsläufig auch Wahlen geben", kommentierte er den Regierungswechsel in Rom. Die Ausschläge am italienischen Anleihemarkt seien "eine ziemliche lokale Episode" gewesen. Und "Ansteckungsgefahr" wie im Sommer 2012 "haben wir bisher nicht wirklich gesehen". Damals beendete Draghi die Spekulationsattacken gegen Italien und andere klamme Euro-Staaten mit seinem berühmten Machtwort, notfalls "alles Nötige zu tun", um den Euro zu retten.

Draghis Coolness wirkt kalkuliert. Er stellt sie sicher zur Schau, um den Druck auf den Populisten in Rom zu halten, nicht weiter aus der Reihe zu tanzen. Doch zwischen den Zeilen merkt man ihm die Nervosität an. Der Euro, betont der EZB-Chef, sei die Währung von inzwischen 340 Millionen Menschen. Weitere Länder wollten ihm beitreten. "Er ist unumkehrbar weil er stark ist, weil die Menschen ihn wollen. Es lohnt sich für niemanden, seine Existenz in Frage zu stellen."

Quelle: ntv.de

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