Wirtschaft

"Weit größeres Problem als Brexit" Ökonomen fürchten schwere Handelskonflikte

Der künftige US-Präsident Trump will die Globalisierung zurückdrehen und den Freihandel einschränken. "America first" soll es von nun an heißen. Damit stellt er sich gegen alle Handelspartner - und die eigene Industrie.

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Der Schreck nach der Wahl von Donald Trump als nächsten US-Präsidenten sitzt tief. Die nächsten Wochen und Monate müssen zeigen, ob sich die bösen Vorahnungen zu ihm bewahrheiten. Ob Trump an seinen radikalen Plänen zu "America first" festhält und die Schotten dichtmacht oder nicht. Bleibt er dabei, werden die Folgen für die globale Wirtschaft nach Ansicht vieler Experten weit schlimmer als durch den EU-Austritt Großbritanniens.

Der Republikaner hatte sich im Wahlkampf gegen Freihandel ausgesprochen und angekündigt, die US-Wirtschaft besser zu schützen, etwa mit höheren Zöllen. "Für die Märkte ist Trumps Sieg ein weit größeres Problem als der Brexit", sagt Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank. "Mit einem Protektionisten im Weißen Haus drohen schwere Handelskonflikte." Sein Sieg werde auch über Amerika hinaus abstrahlen und den Anti-Establishment-Parteien in Europa Aufwind geben: "Die Selbstzerfleischung des Westens geht weiter."

Stefan Bielmeister, Chefvolkswirt der DZ Bank, prognostiziert eine Entwicklung in zwei Phasen: Wenn Trump seine Wahlversprechen umsetze und ein Konjunkturprogramm für die US-Wirtschaft initiiere, "sollte die US-Konjunktur zunächst profitieren und damit auch die wichtigsten Handelspartner". Mittelfristig dürfte sein Politikentwurf aber "zu einer spürbar geringeren Wachstumsdynamik binnenwirtschaftlich wie global führen". Für die Kapitalmärkte bedeute das, die negative Entwicklung sei kurzfristig überzeichnet, mittelfristig aber berechtigt.

Der große Verlierer seien die USA, sagt Ulrich Kater, Dekabank-Chefvolkswirt. "Die Wahl Trumps steht wie das Brexit-Referendum für eine Renationalisierung der Wirtschaft. Das ist langfristig schädlich für Wachstum und Wohlstand." "Trumps stark protektionistische Neigung wird dem Wachstum in den USA und bei Handelspartnern im Trend deutlichen Schaden zufügen", befürchtet auch Holger Schmieding, Chefvolkswirt der Berenberg Bank.

AmCham: "Abschottung nicht hilfreich"

Besonders für die deutsche Wirtschaft werden die angekündigten Handelshemmnisse des unberechenbaren Quereinsteigers Folgen haben. Die USA sind der größte Abnehmer deutscher Exporte. Vor allem die wichtige deutsche Maschinenbaubranche ist alarmiert. Für sie sind die USA der zweitwichtigste Markt nach der EU. Der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) sieht deshalb schweren Zeiten entgegen. Die protektionistischen Vorschläge von Donald Trump würden sich direkt auf das Investitionsklima in den USA auswirken und damit auch auf die Maschinenimporte aus Deutschland. "Wir können nur hoffen, dass er seinen Worten keine entsprechenden Taten folgen lässt", sagt VDMA-Hauptgeschäftsführer Thilo Brodtmann.

Die USA würden sich am Ende selber schaden, so der VDMA. Denn Maschinenlieferungen aus Deutschland hätten einen wesentlichen Anteil an der Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der US-amerikanischen Industrie. Auch die amerikanische Handelskammer in Deutschland (AmCham) warnt vor einer wirtschaftlichen Abschottung: "Eine Politik des Protektionismus wäre für die deutsch-amerikanischen Wirtschaftsbeziehungen nicht hilfreich", sagt AmCham-Präsident Bernhard Mattes. Deutsche Firmen könnten jetzt Investitionen in den USA überdenken.

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(Foto: REUTERS)

Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) forderte die USA dazu auf, ihr globales Engagement auf der Basis bestehender Verträge, Institutionen und Bündnisse fortzusetzen. AmCham-Chef Mattes sieht die Chancen für das geplante Freihandelsabkommen TTIP zwischen der EU und den USA mit dem Präsidenten Trump jedoch schwinden. Seine klare Haltung gegen Freihandel werde er wohl nicht grundlegend ändern.

Eine Einigung über TTIP noch bis Januar 2017 unter der Amtszeit von Barack Obama sei unwahrscheinlich, so der AmCham-Präsident weiter. Man werde die Meinung des US-amerikanischen Volkes mit diesem Wahlergebnis nicht übergehen, "indem man Fakten schafft".

Thiel: "Amerika wird ein normales Land "

Die US-Wirtschaftselite hatte sich im Vorfeld der Wahl größtenteils gegen Trump positoniert. Hewlett Packard-Chefin Meg Whitman, eine langjährige Republikanerin, hatte gewarnt: "Trump ist ein unehrlicher Populist." "Selbst ein Affe hätte an der Börse besser abschneiden können", hatte Star-Investor Warren Buffett seine Meinung öffentlich gemacht. Zu den wenigen Trump-Unterstützern hatte Paypal-Mitbegründer Peter Thiel gehört. Trump werde "Amerika wieder zu einem normalen Land machen", versprach er.

Trump hat den US-amerikanischen Nerv getroffen. "Was zutrifft, ist, dass Amerika extreme Einkommensungleichheiten hat", hatte Sandra Navidi von Beyond Global bei n-tv die Beliebtheit von Trump erklärt. Ob die USA durch ihn nur normaler oder gerechter werden, wird sich zeigen. "Wahrscheinlich muss sich Donald Trump aber den Fakten stellen und zurückrudern", sagt Volkswirt Thomas Gitzel von der VP Bank.

Der erste Auftritt Trumps am Mittwoch hat die Befürchtungen zumindest nicht geschürt. "Er hat mit einer für seine Verhältnisse versöhnlichen Rede die Aktienmärkte beruhigt, der Dax taumelt ein bisschen, aber er fällt nicht", sagt Daniel Saurenz von Feingold-Research. Die Flucht in den Schweizer Franken sei schnell beendet gewesen und auch der rasante Anstieg bei Gold sei nur von kurzer Dauer gewesen.

"Womöglich wird alles nicht ganz so heiß gegessen wie gekocht und Börsianer verkraften schnell, dass sie mit Clinton ins Bett gingen und mit Trump aufwachten." Eines scheine allerdings sicher, "die Zinserhöhung im Dezember ist alles andere als ausgemachte Sache".

Quelle: ntv.de

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