Wirtschaft

Pimco-Chefökonom im Interview "Größtes Risiko ist Misstrauen in Parteien"

Die Wahl in Italien gewannen rechtspopulistische Parteien.

Die Wahl in Italien gewannen rechtspopulistische Parteien.

(Foto: REUTERS)

Die Politik sei insgesamt unberechenbarer geworden, sagt der Chefökonom vom weltweit größten Anleihe-Manager Pimco. Mit n-tv.de sprach Joachim Fels über Zinsen, Donald Trump und darüber, ob Italien eine neue Euro-Krise auslösen wird. 

n-tv.de: Die neue italienische Regierung will trotz hoher Schulden mehr Geld ausgeben, die Steuern senken, und sie stellt die Regeln des Währungsraums infrage. Die Staatsschulden liegen bei 2,4 Billionen Euro - das ist sieben Mal mehr als in Griechenland und das viertgrößte Niveau weltweit. Inzwischen liegt die Verschuldung bei 132 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Kommt die Eurokrise zurück?

Joachim Fels: Die jüngsten Turbulenzen um Italien haben andere Ursachen als die Eurokrise von 2012. Damals zweifelten die Märkte daran, dass die Staaten ihre Schulden bedienen können. Nun hat eine Regierung selbst ihren Willen in Frage gestellt, im Euro zu bleiben. Das ist natürlich ein tiefgreifender Vertrauensverlust, der nicht von heute auf morgen verschwindet. Dazu kommt: Die massive Unterstützung der EZB hat die strukturellen Probleme der Währungsunion lange Zeit übertüncht, die bei der nächsten Rezession wieder aufbrechen könnten. Wenn sich die EZB wie erwartet weiter zurückzieht, dürften die strukturellen Schwachstellen bei einer künftigen Wachstumsverlangsamung oder gar Rezession wieder deutlich zu Tage treten.

Joachim Fels ist Managing Director und Global Economic Advisor in der Pimco- Firmenzentrale.

Joachim Fels ist Managing Director und Global Economic Advisor in der Pimco- Firmenzentrale.

(Foto: PIMCO)

Diese Entwicklung könnte auch EU-Peripherieländer treffen. Ihre Regierungen und Notenbanken, auch die italienische Zentralbank, haben in den vergangenen Jahren immer mehr Schulden aufgetürmt - so viel wie nie zuvor. Wie groß ist das Problem?

In der Tat sind die Schuldenstände in zahlreichen Ländern weiter kräftig gestiegen. Dies war unproblematisch, solange die Notenbanken die Zinsen niedrig hielten und die Konjunktur stabil war. Sollte sich das jedoch ändern, dürften die hohen Schuldenstände wieder in den Fokus der Märkte geraten.

Welches Risiko besteht, dass der Euro daran zerbricht?

Ein Auseinanderbrechen des Euros ist nicht unser Basisszenario. Es ist aber eines der langfristigen Risiken. Zuletzt stellten die Märkte die politische Entschlossenheit in Italien in Frage. Sollten dazu noch Bedenken hinsichtlich der tatsächlichen ökonomischen Schuldentragfähigkeit kommen, etwa bei einer Rezession, so wäre das natürlich eine gefährliche Kombination. Aber wie gesagt, es ist nicht unser Basisszenario.

Die EZB hat durch ihre Geldpolitik den Euro gestützt und die Wirtschaft belebt. Was erwarten Sie künftig von der Notenbank?

Wir erleben gerade den Rückzug der EZB aus der massiven Konjunkturunterstützung. Eine Zinswende mit steigenden Leitzinsen preisen die Märkte erst für die zweite Jahreshälfte 2019 ein, ironischerweise genau dann, wenn das Rezessionsrisiko stark ansteigen dürfte.

Ist auch US-Präsident Donald Trump mit seiner America-First-Politik ein Risiko für die Weltwirtschaft?

Die Politik ist insgesamt unberechenbarer geworden, die Wahl von Donald Trump oder das Brexit-Votum sind nur Beispiele dafür. Die Politik ist ein - wenn auch nicht der einzige - Risikofaktor für die Weltwirtschaft. Wir erleben den 108. Monat des ununterbrochenen Wirtschaftswachstums in den USA, damit ist dies einer der längsten Konjunkturaufschwünge der Nachkriegszeit. Ein Konjunkturaufschwung stirbt nicht an Altersschwäche, aber wir sehen mehrere Risiken: Neben der Politik zählt dazu der Rückzug der US-Notenbank aus ihrer Unterstützung der Konjunktur sowie das Auslaufen des Fiskalimpulses in den USA im kommenden Jahr. Kurzfristig erwarten wir keine Rezession. Aber auf Sicht der kommenden drei bis fünf Jahre rechnen wir mit einer US-Rezession, die auch andere Volkswirtschaften in Mitleidenschaft ziehen wird, insbesondere Europa.

Sind die globalen Zentralbanken dann wieder in der Lage, durch eine expansive Geldpolitik die Märkte und die Wirtschaft zu retten?

Wenn die Weltwirtschaft tatsächlich in eine Rezession abrutscht, werden die Zentralbanken weitaus weniger Spielraum haben, um einzugreifen. Denn die Zinsen sind niedrig und die Zentralbankbilanzen sind teilweise noch mit den Anleihen aus den bisherigen Kaufprogrammen aufgebläht. Und auch fiskalpolitisch ist der Spielraum geringer als vielleicht gedacht, da viele Staaten keine Fortschritte gemacht haben bei der Reduktion der Schuldenstände.

Welche mögliche Entwicklung sehen Sie als größte Gefahr für die Weltwirtschaft und die Märkte?

Das größte Risiko in den kommenden Jahren dürfte das Misstrauen in politische Parteien sein. Das belegen bereits der Brexit oder die Wahlen in den USA und Italien. Mittel- bis langfristig dürfte daher der Protektionismus die größte Gefahr für die Weltwirtschaft sein. Die generellen Wohlfahrtseffekte, die durch einen globalen Handel entstehen, dürften dann deutlich geringer werden. Kurzfristig bis zum Jahresende ist das Schwellenländerrisiko bedeutend. Ein steigender US-Dollar beziehungsweise eine Währungsabschwächung in den Emerging Markets könnte in einigen anfälligen Volkswirtschaften zu einer tiefgreifenden Krise führen.

Wie ist Ihre Einschätzung für die Weltwirtschaft bis zum Jahresende – sehen Sie große regionale Unterschiede?

Wir glauben in der Tat, dass der aktuelle Aufschwung bis zum Jahresende anhält, mittelfristig steigt das Rezessionsrisiko aber deutlich an. Wir stehen am Übergang von einer von den Notenbanken dominierten Phase geringer Volatilität und steigender Bewertungen in einer Zeit, in der politische Faktoren eine zunehmende Rolle spielen. Der Rückzug der Notenbanken und die gleichzeitig zunehmende Unberechenbarkeit der Politik dürften die Marktschwankungen wieder auf historisch "normale" Werte steigen lassen. Vorsichtig sind wir bei risikobehafteten Anlagen einschließlich Aktien und riskanteren Anleihen. Wir glauben, dass das Risiko in Unternehmensanleihen derzeit oft nicht ausreichend entlohnt wird und bevorzugen daher qualitativ hochwertige Staatsanleihen sowie ausgewählte Mehrertragsquellen wie etwa US-Hypothekenanleihen oder Anleihen bestimmter Schwellenländer. Wir treten in eine Phase ein, in der Anleger mehr Wert auf Kapitalerhaltung gegenüber Kapitalertrag legen sollten.

Mit Joachim Fels sprach Benjamin Feingold

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen