Kino

Richard Gere in "Arbitrage" Ein Finanzhai und Gentleman

Kann Geld die Grenzen der Moral verschieben? Für Robert Miller ist das keine Frage mehr.

Kann Geld die Grenzen der Moral verschieben? Für Robert Miller ist das keine Frage mehr.

"Es ist verboten, aber ich bin das Orakel!" Doch Robert Miller verrechnet sich beim Mega-Deal und muss sein Imperium verkaufen, bevor der Betrug auffliegt. Dann droht ein tödlicher Unfall alles zu zerstören. Ein Wiedersehen mit Richard Gere in der perfekten Rolle des ruchlosen Hedgefondsmanagers.

"Sie haben mitten während des Immobilienbooms auf die Krise gesetzt. Warum?" "Weil immer etwas passiert. Und weil der Kampf um die begrenzten Dollars da draußen die besten unter uns irre macht." Doch Robert Miller (Richard Gere) lässt sich nicht beirren. Er beherrscht dieses Spiel - und zwar virtuos. Der Firmenjet, das luxuriöse Haus, das "Forbes"-Titelblatt zu seinem 60. Geburtstag, die wunderbare Familie und die französische Geliebte (Laetitia Casta) zeugen von seinem Erfolg.

Detective Bryer (Tim Roth) hat genug davon, dass die Wall-Street-Haie davon kommen, weil sie bei CNBC auftreten.

Detective Bryer (Tim Roth) hat genug davon, dass die Wall-Street-Haie davon kommen, weil sie bei CNBC auftreten.

Jetzt will Miller sein Imperium verkaufen. Um mehr Zeit für die Familie zu haben, wie er sagt. Aber was würde er mit dieser Zeit tun, fragt sich nicht nur seine Tochter Brooke (Brit Marling), die - ganz der Vater - bereits in seiner Firma Karriere macht. Und tatsächlich liegt der wahre Grund mitnichten in seiner Berufsmüdigkeit. Der Verkauf des Hedgefonds an eine Bank ist Millers letzte Chance, seine jahrelangen Betrügereien zu vertuschen. Denn mit dem jüngsten gierigen Geschäft, der Ausbeutung einer russischen Kupfermine, hat sich Miller übernommen. Jetzt nur noch dieser eine letzte Deal und er ist raus. Doch ein Autounfall mit tödlichen Folgen bringt seine Pläne gefährlich ins Wanken. Und Detective Bryer (Tim Roth) auf seine Spur, der die Chance wittert, endlich einem dieser reichen Wall-Street-Haie das Handwerk zu legen.

Maßgeschneiderte Rolle für Gere

Neue Paraderolle für Richard Gere

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Die Rolle des Robert Millers ist Richard Gere auf den Leib geschrieben. In Brioni-Anzügen, das silberfarbene Haar sorgfältig frisiert, verkörpert Gere wieder einmal den perfekten Gentleman - doch selbstbezogen und machtverliebt wie nie zuvor. Da kommt unwillkürlich die Frage auf, wie genau der Milliardär Edward Lewis aus "Pretty Woman", Geres Paraderolle, zu seinem Vermögen gekommen ist. Robert Miller ist dabei aber kein Gordon Gekko, der bewusst das Böse genießt. Nein, Miller geht schlicht davon aus, dass jedes Mittel recht ist im großen Spiel ums Geld. Und er hält alle für naiv, die das nicht sehen oder sich gar an die Regeln halten wollen, wie seine Tochter Brooke. Ob ihm seine Familie, seine Freunde etwas bedeuten? Sicher. Nur ist er sich selbst noch wichtiger.

Drehbuchautor und Regisseur Nicholas Jarecki hat sich dieses Thema nicht von ungefähr für seine ersten Film ausgesucht - es ist die Welt, in der er aufgewachsen ist. Seine Eltern waren Rohstoffhändler an der New Yorker Börse und nahmen ihn von klein auf an mit in ihre Büros im World Trade Center. "Ich wusste bereits mit sechs Jahren, was ein Swap ist", erzählt der junge Regisseur in den Making-Of-Videos. "Trotzdem habe ich nicht verstanden, was passiert ist, als ich 2008 die Hälfte meiner Ersparnisse verlor. Deshalb habe ich diesen Film gemacht. Ich wollte mehr wissen über diese Hedgefonds-Kings. Sind sie nur noch korrupt oder ist da noch Menschlichkeit?"

Ist die Hybris, die sich in Robert Miller verkörpert, eine Erklärung für die Finanzverwerfungen der letzten Jahre? Für Phänomene wie Bernie Madoff, der mit seinen Milliardenbetrügereien Tausende Anleger und seine Familie in den Ruin trieb? "Madoff war ein Soziopath", glaubt Richard Gere. Er habe seine Filmfigur Miller eher als jemanden gesehen, der auf den Weg nach oben viele Fehler gemacht hat, sagt der Schauspieler im Interview zum Film. "Wie Ted Kennedy, bei dem der 'Chappaquiddick-Vorfall' die Karriere quasi beendete. In einem Moment noch ist Ted ein Kandidat für das 'Weiße Haus', im nächsten Moment der Typ, der auf der Insel Chappaquiddick mit dem Auto in einen Kanal stürzt und eine tote Sekretärin im Wagen hinterlässt. Oder wie Bill Clinton." Sie alle hätten Talent und Charisma im Überfluss und seien letztendlich über sehr menschliche Dinge gestolpert.

Korrupt oder menschlich?

Susan Sarandon als Ellen Miller: Kann sie ihren Ehemann aufhalten? Und will sie das?

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In der Tat scheint es auch in diesem Film keinen Unterschied zwischen Korruption und Menschlichkeit zu geben - das eine ist nur Teil des anderen. Immer wieder gibt es Momente, in denen der Zuschauer mit der verzweifelten Tochter auf ein Wort der Entschuldigung, der Reue hofft. Und vielleicht würde Robert Miller auch wirklich bereuen - wenn ihm nicht just ein weiterer Kniff einfallen würde, mit dem er seinen Kopf aus der Schlinge ziehen kann.

Zu den Höhepunkten des Filmes gehört der Schlagabtausch zwischen Richard Gere und Tim Roth in der Rolle des Detective Bryer. Auch diese Figur ist nicht eindeutig auf der Seite der Guten, denn Bryer ist mehr als bereit, zu unlauteren Mitteln zu greifen, um es "denen da oben" zu zeigen. Und was ist mit Millers Ehefrau Ellen (Susan Sarandon)? Hat sie das Spiel nicht schon lange durchschaut und davon auch mit einem mehr als luxuriösen Leben profitiert? Wo ist für sie Schluss?

Wer benutzt wen und wer streicht am Ende den Gewinn ein? Das ist die Frage, die der Film stellt. Ein Arbitrage-Geschäft (von lat. arbitratus "Gutdünken") nutzt die Preisunterschiede gleicher Waren auf verschiedenen Märkten. "Das Wort 'Arbitrage' passt aber auch auf Robert Miller selbst", meint Regisseur Jarecki. "Er kauft alle Menschen um sich herum sehr billig ein und kriegt eine Menge von ihnen wieder." "Du bist nicht mein Partner, du arbeitest für mich", erklärt Miller seiner Tochter, als sie ihn zur Rechenschaft ziehen will. "Alle arbeiten für mich."

Für seine Rolle als Robert Miller wurde Richard Gere, der sich in den vergangenen Jahren in Hollywood rar gemacht hat, für den Golden Globe nominiert und in den USA mit Kritikerlob überschüttet. "Arbitrage" ist ein sehenswerter Film, der zu Unrecht an den deutschen Kinos vorbeilief und jetzt hierzulande auf DVD erscheint. Dass der im Film zur Schau gestellte Reichtum, dieser Glaube an die Macht des Geldes angesichts der seit Jahren anhaltenden Finanzkrise teilweise anachronistisch wirkt, könnte ein gutes Zeichen sein. Oder eines für Selbstbetrug.

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Quelle: ntv.de

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