Wirtschaft

Kreditvergabe beleben Draghi wagt sich an das heiße Eisen

Die EZB unter Mario Draghi senkt die Wachstumserwartungen - und setzt zum Konter an.

Die EZB unter Mario Draghi senkt die Wachstumserwartungen - und setzt zum Konter an.

(Foto: picture alliance / dpa)

Die Wirtschaft in der Eurozone kommt nicht in Schwung. Um dies zu ändern, schafft die EZB den Leitzins faktisch ab. Damit ist sie aber am Ende der technischen Anpassungen. Nun beginnt sie mit der Entlastung der Bankbilanzen.

Die Europäische Zentralbank weitet ihre Hilfen zur Ankurbelung der Wirtschaft in der Eurozone abermals aus. Neben der Senkung des Leitzinses auf nun nur noch 0,05 Prozent, kauft die Zentralbank auch Kredite der Banken auf. Wie EZB-Chef Mario Draghi bekanntgab, will die Notenbank ab Oktober mit Krediten besicherte Wertpapiere (ABS) erwerben. Zum selben Zeitpunkt sollen zudem sogenannte gedeckte Anleihen (Covered Bonds) erworben werden. Dazu gehören etwa Pfandbriefe. Nach Draghis Worten diskutierte der Rat auch über groß angelegte Wertpapierkäufe (Quantitative Easing - QE). Zugleich forderte Draghi die Euro-Länder zu mehr Reformen auf. In einigen Staaten seien Veränderungen schon angegangen worden. "In anderen aber nicht."

Mit dem nun angekündigten Wertpapier-Aufkauf wollen die Notenbanker die Bankenbilanzen entlasten und so den Finanzinstituten die Vergabe neuer Kredite an Unternehmen erleichtern. Details allerdings sollen erst nach der Zinssitzung am 2. Oktober bekanntgegeben werden. Reuters berichtet unter Berufung auf Insider, dass Pläne für ein Ankaufvolumen von bis zu 500 Milliarden Euro im Rat diskutiert worden seien.

Euro für einen Zeitraum von drei Jahren diskutiert wurden.In der Erläuterung der Entscheidungen verwies EZB-Chef Mario Draghi darauf, dass sich die Wachstumserwartungen eingetrübt hätten. Die EZB nahm ihre Prognosen für das Wachstum der Eurozone für dieses und kommendes Jahr um jeweils 0,1 Punkte auf 0,9 und 1,6 Prozent zurück. Auch die Inflationserwartungen für das laufende Jahr wurden um 0,1 Punkte auf 0,6 Prozent zurück.

Bezogen auf die neuerliche Zinssenkung sagte Draghi: "Nun sind wir an der unteren Grenze, an der keine technischen Anpassungen mehr möglich sind." Zugleich räumte er ein, dass die Entscheidung dazu nicht einstimmig getroffen worden sei. Ob die Bundesbank dagegen war, blieb zunächst offen.

Experten sehen Vorhaben kritisch

Experten kritisieren allerdings, dass der Markt für Kreditverbriefungen im Euroraum zu klein sei, um einen ernsthaften Liquiditätseffekt zu erzielen. Das Volumen der gegenwärtig bei der EZB als Sicherheit einreichbaren ABS beträgt rund 600 Milliarden Euro. Auf Mittelstandskrediten beruht knapp ein Zehntel.

Das könnte der Grund dafür sein, dass die EZB nun auch Pfandbriefe in das Programm einbeziehen will. Sie greift damit auf ein Instrument zurück, dass sie bereits zwei Mal eingesetzt hat: 2009 und 2010 kaufte sie Pfandbriefe für 60 Milliarden Euro an. Das Folgeprogramm 2011 und 2012 wurde allerdings vor Erreichen des Zielvolumens von 40 Milliarden Euro eingestellt. Gekauft wurden Papiere für gut 16 Milliarden Euro. Die Nachfrage nach Pfandbriefen ist recht hoch und trifft auf ein tendenziell sinkendes Angebot, sodass die EZB mit ihrem Programm private Nachfrage verdrängen wird.

Sinn: Pulver längst verschossen

Darüber hinaus appellierte Draghi an die Staaten, für "wachstumsfreundliche Maßnahmen" zu sorgen. Dafür gebe es nach den EU-Haushaltsvorgaben genügend Spielraum. Zunächst müsse man aber sehr ernsthaft über Strukturreformen reden und erst in einem zweiten Schritt über Flexibilität. "Darum geht es. Das habe ich in Jackson Hole gesagt", sagte er mit Blick auf die Notenbanker-Konferenz in den USA.

Frankreich und Italien hatten zuletzt eine Aufweichung des strikten Sparkurses in Europa gefordert. Auch Deutschland sieht inzwischen Möglichkeiten, mehr Geld - etwa für die Infrastruktur - auszugeben, beharrt jedoch im Grundsatz auf dem Sparkurs.

Scharfe kritik an Kurs der EZB kommt von Ifo-Präsident Hans-Werner Sinn. Die erneute Leitzinssenkung werde wirkungslos sein, teilte er mit. "Die EZB hatte ihr Pulver schon viel zu früh verschossen und die Zinsen zu weit gesenkt." Nun sei sie in einer Liquiditätsfalle.

Der Chef des Wirtschaftsforschungsinstituts kritisierte zudem, es deute sich der Kauf von Anleihen durch die EZB an. "«Damit würde sie das Investitionsrisiko der Anleger übernehmen, wozu sie nicht befugt ist, weil es sich dabei um eine fiskalische und keine geldpolitische Maßnahme handelt."

Quelle: ntv.de, jwu/AFP/DJ/rts/dpa

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