Wirtschaft

Miese Wirtschaftsdaten China verbreitet Schrecken

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(Foto: REUTERS)

Kaum hat das Jahr begonnen, schreckt China die Märkte gehörig auf. Der Aktienmarkt in Shanghai bricht ein – aber das ist nicht die größte Sorge.

Jahrelang hat China traumhafte Wachstumszahlen präsentiert. Doch es deutet vieles darauf hin, dass es damit zunächst vorbei sein dürfte. Jüngstes Beispiel: Im Dezember ging die industrielle Aktivität in der nach den USA weltweit zweitgrößten Volkswirtschaft zurück – zum zehnten Mal in Folge. Kaum waren die Zahlen veröffentlicht, brach der Aktienmarkt in Shanghai ein – der Handel wurde gestoppt. Auch in Europa starteten die Börsen mit einem kräftigen Kursrutsch ins neue Jahr.

Einkaufsmanangerindex

Der Einkaufsmanagerindex ist ein viel beachtetes Konjunkturbarometer für die gesamtwirtschaftliche Lage. Für den Index werden Manager, die für ihre Unternehmen im Einkauf tätig sind, zur aktuellen Geschäftslage ihrer Betriebe befragt. Dabei werden wichtige Kenngrößen wie Auftragslage, Produktion, Exportaufträge, Beschäftigung und Einkaufspreise erhoben. Über der Schwelle von 50 Zählern wird Wachstum signalisiert.

Die fallenden Kurse an den Aktienmärkten sind dabei das geringste Problem. Sorgen macht vor allem der Grund für den Kursrutsch. Was ist passiert? Der vom renommierten Markit-Institut und dem chinesischen Wirtschaftsmagazin "Caixin" ermittelte Einkaufsmanagerindex ist im Dezember weiter gefallen und liegt nunmehr bei 48,2 Punkten. Da er unter 50 Punkten liegt, signalisiert er eine schrumpfende Industrieproduktion. Damit gesellt sich der Index zu den vielen Indikatoren und Daten, die auf ein schwächeres Wachstum hindeuten.

Das ist nicht nur eine schlechte Nachricht für China, sondern auch für den Rest der Welt. So sieht unter anderem die Chefin des Internationalen Währungsfonds, Christine Lagarde, die schwächelnde Konjunktur der Volksrepublik als einen wesentlichen Grund dafür, dass die Weltwirtschaft in diesem Jahr "enttäuschend" ausfallen wird. "Vielleicht sollten wir uns darauf einstellen, dass die Wirtschaft schwächer wächst, nachdem eine Region wie zuletzt China in einer längeren Aufholperiode kräftig zugelegt hat", sagte der Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft, Dennis Snower. "Es ist möglich, dass diese sogenannte Catch-up-Phase jetzt für China langsam zu Ende geht."

Im vergangenen Jahr ist Chinas Volkswirtschaft offiziell wohl um sieben Prozent gewachsen – und damit so langsam wie seit 25 Jahren nicht mehr. Für das neue Jahr gehen chinesische Behörden von einer weiteren Abschwächung aus, die Notenbank rechnet mit 6,8 Prozent, das führende staatsnahe Forschungsinstitut CASS ist noch pessimistischer.

Es deutet jedoch vieles darauf hin, dass das Wachstum sehr viel geringer sein wird als offiziell angegeben. Denn viele Ökonomen und Analysten gehen davon aus, dass die in den vergangenen Jahren veröffentlichten Zahlen zu positiv ausgefallen sind. Verdächtig ist vor allem, dass die vermeldeten Wachstumsraten in schöner Regelmäßigkeit den Prognosen der Regierung entsprechen.

Hinzu kommt, dass Chinas Statistikbehörde die Daten sehr viel schneller als andere Länder veröffentlicht - nämlich schon zwei Wochen nach Ende des jeweiligen Quartals. Ökonomen zufolge liegt das weder an ungewöhnlich tüchtigen Statistikern noch an besonders effektiven Berechnungsmethoden, sondern an dem Wunsch, die Vorgaben der Regierung zu erfüllen. Hinzu kommt: Die Daten werden im Gegensatz zu anderen Ländern niemals nachträglich korrigiert.

Lokale Funktionäre geben Fälschungen zu

Experten der Commerzbank beispielsweise gehen davon aus, dass das Wachstum momentan bei nur 5,5 Prozent liegt. Und: "In den kommenden Jahren dürfte es sich weiter abschwächen." Dies sei auf Überkapazitäten im Industriesektor, die hohe Verschuldung und die ungünstige demografische Situation zurückzuführen, heißt es.

Andere Experten gehen von noch viel stärkeren Abweichungen der tatsächlichen von den offiziellen Zahlen aus. So schätzt das US-Forschungsinstitut Conference Board, dass die Wirtschaft in den Jahren 2011 bis 2015 im Jahresdurchschnitt nur um 4,3 Prozent gewachsen ist. Offiziell hat sie um 7,8 Prozent zugelegt. Für 2015 und 2016 erwartet Chefökonom Bart van Ark Wachstumsraten von je 3,7 Prozent und für die Jahre 2016 bis 2020 durchschnittlich 4,5 Prozent.

Die Regierung scheint die Öffentlichkeit bereits auf schwächere Wachstumsraten vorzubereiten. Mitte Dezember gaben der staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua zufolge mehrere Funktionäre aus dem Nordwesten des Landes zu, in den vergangenen Jahren gefälschte Daten veröffentlicht zu haben. So seien beispielsweise Steuereinnahmen, Haushaltseinkommen und Bruttoinlandsprodukt viel zu hoch angegeben worden.

"Wenn die Daten in der Vergangenheit nicht so aufgebläht worden wären, würden die jetzigen Zahlen nicht so steil zurückgehen", zitiert Xinhu einen lokalen Funktionär, der damit offenbar erklären wollte, warum die Wachstumszahlen im Nordwesten der Volksrepublik plötzlich zu den schwächsten des Landes gehören.

Quelle: ntv.de

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