Wirtschaft

Leitzins bleibt unverändert Bank of England überrascht Märkte

Das Pfund legt zum US-Dollar kräftig zu.

Das Pfund legt zum US-Dollar kräftig zu.

(Foto: imago/Christian Ohde)

Die britischen Notenbanker belassen den Leitzins trotz Brexit-Votums weiter bei 0,5 Prozent. Sie agieren damit gegen die Vorhersagen der meisten Experten, die eine Zinssenkung erwartet hatten. Der Pfund-Kurs schnellt hoch.

Die Bank of England (BoE) hält trotz der Nachwehen des Brexit-Votums überraschend am Leitzins fest. Die Währungshüter beließen den Schlüsselsatz zur Versorgung der Geschäftsbanken mit Geld auf dem Rekordtief von 0,5 Prozent.

Die Finanzmärkte hatten sich fest auf eine Absenkung des Leitzinses auf 0,25 Prozent eingestellt, mit der eine drohende wirtschaftliche Talfahrt abgefedert werden könnte. Nach dem britischen Referendum für einen EU-Austritt vom 23. Juni befürchten viele Ökonomen, dass das Land auf eine Rezession zusteuert. Mit niedrigeren Zinsen verbilligen sich tendenziell Kredite, womit die Wirtschaft in der Regel besser in Gang kommt.

"Dann kommt die Zinssenkung eben im August", lautet das lapidare Statement eines Aktienhändlers angesichts der BoE-Entscheidung. Die Notenbank sitze quasi zwischen den Stühlen: Einerseits würde sie mit einer Zinssenkung ein psychologisch wichtiges Signal aussenden, der britischen Wirtschaft rasch zur Seite zu stehen, andererseits sei sie auch verpflichtet, "erst die Fakten zu analysieren und nicht vorschnell zu agieren".

Pfund deutlich fester

Und für eine Analyse der Auswirkungen sei es wenige Wochen nach dem Referendum noch zu früh, sagte der Händler weiter. Die Aufwertung des Pfund Sterling im Verlauf des Vormittags signalisiere zudem, dass die Skepsis der Marktakteure, ob die BoE tatsächlich die Zinsen senken werde, noch kurz vor der Entscheidung gestiegen sei.

Der Verzicht der BoE auf eine Zinssenkung gab dem Pfund mächtigen Auftrieb. Es verteuerte sich binnen Minuten auf mehr als 1,34 US-Dollar. Kurz vor Bekanntgabe der Zinsentscheidung hatte der Pfund-Kurs bei 1,3210 Dollar gelegen. Offenbar deckten sich nun diejenigen, die auf eine Zinssenkung und weiter fallende Kurse gewettet hatten, wieder mit der Währung ein, um ihre Verluste zu minimieren, sagte Analyst Fawad Razaqzada vom Handelshaus Forex.com.

Britische Anleihen warfen Investoren ebenfalls aus ihren Depots. Dies trieb die Rendite der zehnjährigen britischen Papiere auf 0,799 von 0,747 Prozent.

Reaktionen von Analysten

Nick Kounis, ABN Amro: "Wir gehen davon aus, dass ein aggressiver geldpolitischer Stimulus im nächsten Monat sehr wahrscheinlich bleibt. Wir erwarten eine Zinssenkung um 25 Basispunkte und ein Anleihenkaufprogramm über 150 Milliarden Pfund zwischen September 2016 und Juni 2017. Zudem dürfte es eine Neuauflage des Förderprogramms für Bankenkredite geben."

Kallum Pickering, Berenberg Bank: "Die Notenbank wartet ab und will noch mehr Konjunkturdaten sammeln. Die Details der Protokolle signalisieren eine laxe Geldpolitik. Die meisten Mitglieder des geldpolitischen Ausschusses werden im August wohl für mehr Stimulus votieren - definitiv für eine Zinssenkung und vielleicht sogar auch für eine weitere geldpolitische Lockerung (QE)."

Thomas Gitzel, VP Bank, Liechtenstein: "Die britischen Notenbanker tun gut daran, den Leitzins unverändert zu lassen. Die wirtschaftlichen Auswirkungen des Brexit-Entscheids sind noch unklar. Darüber hinaus werden die Inflationsraten aufgrund des auslaufenden preisdämpfenden Effektes des Ölpreisrückgangs in den kommenden Monaten in höhere Gefilde gehen. Leitzinssenkungen sind speziell aber für Großbritannien ein zweischneidiges Schwert. Das Vereinigte Königreich weist einen negativen Leistungsbilanzsaldo von über fünf Prozent des BIP aus. Das Loch in der Leistungsbilanz will mit Kapitalzuflüssen gespeist werden. Niedrige Leitzinsen machen aber eine Kapitalanlage in Großbritannien unattraktiv, was die Finanzierung des Defizites gefährdet. Zinssenkungen könnten also an den Finanzmärkten auch mit Argwohn aufgenommen werden. Für das britische Pfund wären dies keine guten Nachrichten. Sollten die Notenbanker im August mit weiteren Maßnahmen aufwarten, muss dies also nicht unbedingt eine gute Nachricht für die Wirtschaft des Vereinigten Königreiches ein. Das Leistungsbilanzdefizit wiegt schwer."

Holger Sandte, Nordea Bank: "Die Bank of England hatte drei Möglichkeiten: Jetzt zunächst nichts tun, die Geldpolitik leicht lockern oder aber kräftig. Sie hat sich - für mich überraschend - für Stillhalten entschieden, was das Pfund gestärkt hat. Das Stillhalten ergibt durchaus Sinn, denn es enthält die Botschaft: 'Keep calm and carry on!' Wahrscheinlich wird die Bank of England im August den Leitzins senken, wenn bis dahin deutliche Anzeichen einer Verlangsamung der Konjunktur vorliegen."

Quelle: ntv.de, wne/rts/DJ

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