Wirtschaft

Viele Staaten "anfällig für Pleiten" Erstes Ölförderland klopft beim IWF an

Land der Gegensätze: Aserbaidschans Hauptstadt Baku hat schon mehrere Öl-Booms und auch Krisen erlebt.

Land der Gegensätze: Aserbaidschans Hauptstadt Baku hat schon mehrere Öl-Booms und auch Krisen erlebt.

(Foto: AP)

Die großen Ölproduzenten fördern trotz Preissturz um die Wette, um sich gegenseitig Marktanteile abzujagen. Die reichen Golfstaaten können sich das leisten - zumindest für eine Weile. Eine Reihe schwächerer Länder steht dagegen vor dem Bankrott.

Vertreter des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank verhandeln mit der Regierung in der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku über ein milliardenschweres Hilfsprogramm für die ehemalige Sowjetrepublik. Es wäre die erste Rettungsaktion für eine vom aktuellen Preisverfall gebeutelte Ölexport-Nation - laut Experten dürfte es aber kaum die einzige bleiben.  

Rohöl (Brent)
Rohöl (Brent) 87,07

Der Preis für ein Fass Rohöl ist von mehr als 100 Dollar 2014 auf derzeit um die 33 Dollar gefallen. Dieser drastische Preissturz trifft alle großen Rohölexporteure hart. Viele Staaten die kaum andere Einnahmen haben - und lange auch keine brauchten - machen nun ungewohnte Verluste. Das Emirat Katar etwa verzeichnete 2015 zum ersten Mal in diesem Jahrhundert ein Haushaltsdefizit, Saudi-Arabien bereits zum zweiten Mal. Doch während reiche Förderländer wie die Golfstaaten oder Norwegen auf riesige Finanzpolster zurückgreifen können, um magere Jahre zu überstehen, geraten  schwächere Ölnationen in ernste Schwierigkeiten.

Öl und Gas machen 95 Prozent der Exporte Aserbaidschans aus. Zwar hat die Regierung des autoritären Herrschers Ilahm Aliew einen Teil der Einnahmen aus den fetten Jahren in einem Staatsfonds beiseitegelegt, doch damit allein lassen sich die nun wegbrechenden Einnahmen nicht ausgleichen. Der Außenhandelsüberschuss ging 2015 laut der Regierung von 17 Milliarden auf "praktisch Null" zurück, wie die "Financial Times" berichtet.  

Bevölkerung protestiert gegen Preissteigerung

Beim Versuch, die Währung Manat stabil zu halten, verbrauchte die Zentralbank 2015 bereits die Hälfte ihrer Reserven. Im vergangenen Dezember gab sie das hoffnungslose Unterfangen schließlich auf. Der Manat wertete innerhalb weniger Wochen um mehr als ein Drittel ab. Die Bevölkerung spürt das in Form enormer Preisanstiege in fast allen Bereichen. Proteste im ganzen Land sind die Folge.

Über den Umfang und die Bedingungen eines möglichen Hilfsprogramms ist noch nichts bekannt. Die Gespräche der IWF- und Weltbankvertreter in Baku sollen noch bis Anfang Februar weitergehen. Das Ergebnis dürfte Signalwirkung haben. "Die Geschichte gibt Anlass zu extremem Pessimismus, was das Schicksal von Rohstoffproduzenten angeht", zitiert die "FT" aus einer Analyse. Viele Schwellenländer seien derzeit "anfällig für Staatspleiten, und der Preisverfall bei Rohstoffen ist der Hauptgrund".

An oberster Stelle der möglichen Pleitekandidaten steht demzufolge Venezuela. Die sozialistische Führung hat es in den vergangenen Jahren weder geschafft, Reserven aufzubauen, noch die Wirtschaft zu diversifizieren. Die Lage im Land ist desolat die Inflation dürfte in diesem Jahr auf mehrere Hundert Prozent steigen. Hilfe durch den IWF kann das Land aber nicht ohne weiteres bekommen. Die Regierung hat vor mehr als zehn Jahren alle Beziehungen zu der Institution abgebrochen.

Auch Russland könnte IWF-Hilfe brauchen

Groß ist die Finanznot auch in Ecuador. Die Öleinnahmen des Landes sind laut Regierung "auf Null" gesunken. Zudem hat Ecuador keine eigene Währung, sondern benutzt den US-Dollar. Es kann damit trotz Krise die Wettbewerbsfähigkeit seiner Wirtschaft nicht durch eine Abwertung fördern.

Der härteste Brocken für den IWF in Lateinamerika aber wäre ein Rettungspakt für Brasilien. Das Land, das vor wenigen Jahren von den Washingtoner Finanzinstitutionen noch als Musterschüler gepriesen wurden, leidet nicht nur unter dem Preisverfall für Öl und anderer Rohstoffe. Zudem erschüttert eine Korruptionsaffäre den staatlichen Ölgiganten Petrobras. Sollte dieser von der Regierung gerettet werden müssen, könnte der Staat selbst in Schieflage kommen.

Auch in Afrika ist die größte Volkswirtschaft des Kontinents fast völlig von ihren Ölexporten abhängig und entsprechend in akuter Finanznot. Zwar bestreitet die Regierung, dass sie mit dem IWF über einen Notfallplan verhandelt, der jüngste Besuch der Fonds-Chefin Christine Lagarde heizte die Gerüchte darüber dennoch weiter an.

Selbst Russland, so schätzt die "FT", könnte trotz großer Rücklagen bald die Hilfe des IWF benötigen. Die Reserven könnten das durch die wegbrechenden Öleinnahmen entstehende Haushaltsdefizit nur etwa 18 Monate lang decken. Spätestens dann müsste die Regierung Schulden aufnehmen, um ihre Ausgaben zu finanzieren. Der Zugang zum internationalen Kapitalmarkt ist für Moskau aber durch die westlichen Sanktionen seit der Krim-Annektion erheblich erschwert.

Quelle: ntv.de, mbo

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