Wirtschaft

Geld vom Golf in deutschen Firmen Wehe, wenn die Scheichs Kasse machen

Investoren an der saudi-arabischen Börse in Riad (Tadawul).

Investoren an der saudi-arabischen Börse in Riad (Tadawul).

(Foto: REUTERS)

Petrodollars sind in der deutschen Wirtschaft hoch willkommen. Doch die Golf-Connection gerät mehr und mehr unter Terror-Verdacht. Außerdem brauchen die Scheichs ihr Geld zunehmend selbst. Ohne die Ölmilliarden könnte es eng werden.

Vizekanzler Sigmar Gabriel brachte die deutschen Sorgen kürzlich ungewohnt deutlich zum Ausdruck: Riad unterstütze durch die Finanzierung radikaler Moscheegemeinden indirekt auch den Terrorismus in Deutschland. Der Bundesnachrichtendienst hatte das Königreich Saudi-Arabien bereits zuvor beschuldigt, für die Destabilisierung des Nahen Ostens verantwortlich zu sein. Der raue Umgangston ist neu. Ändern wird er nichts. Niemand kann oder will auf die Ölmilliarden verzichten.

Kriegstreiberei, Terror-Finanzierung, Menschenrechtsverletzungen - der Westen hat es schon zu lange hingenommen. Was der Politik recht war, war der Wirtschaft nur billig. Jahrzehntelang haben die Wüstenscheichs ihre Petrodollars ungehindert in die westliche Welt gepumpt. Das Geld vom Golf ist heute nicht mehr wegzudenken. Es ist das Schmiermittel für die Finanzmärkte und die Rettung für manches Unternehmen in höchster Not. Auch Deutschland ist in hohem Maße abhängig davon.

Qatar an der Seite von Volkswagen

Blick auf Hochhäuser in der Hauptstadt Doha im Wüstenstaat Katar.

Blick auf Hochhäuser in der Hauptstadt Doha im Wüstenstaat Katar.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Eine monetäre Brücke zwischen Westen und Wüste führt nach Katar. Das Land an der Ostküste der Arabischen Halbinsel hat das höchste Pro-Kopf-Einkommen der Erde. Mit seinen Öleinnahmen hat der Mini-Staat am Persischen Golf den neuntgrößten Staatsfonds der Welt geschaffen: Die Qatar Investment Authority (QAI) ist 1,2 Billionen Dollar schwer. Als der Übernahmekrieg zwischen den deutschen Autokonzernen Porsche und Volkswagen tobte, riefen die Eigentümerfamilien Piëch und Porsche das Emirat zu Hilfe. Geld stinkt eben nicht. Der islamische Staat, dessen Gesetzgebung auf der Scharia fußt, stieg 2009 bei Volkswagen ein. Trotz der Kursverluste im Abgasskandal ist er dem Konzern bis heute treu geblieben.

Volkswagen würde seinen drittgrößten Aktionär nur ungern verlieren. Der Wüstenstaat hält rund 17 Prozent an VW. Der Kurseinbruch der Aktie verursachte Buchverluste in Milliardenhöhe. Erst kürzlich reisten VW-Chef Matthias Müller und Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch an den Golf, um dem Staatsfonds Rede und Antwort zu stehen. Trösten müssen sich die Scheichs mit dem sehr günstigen Einstiegskurs. Dadurch liegt das Investment immer noch mit gut drei Milliarden im Plus - dazu kommen realisierte Gewinne aus Anteilsverkäufen und Dividenden in Milliardenhöhe. Eine Win-Win-Situation und ein trifftiger Grund, bei der Stange zu bleiben.

Auch Daimler hatte in der Vergangenheit keine Berührungsängste mit arabischen Investoren. Vor 40 Jahren stieg Kuwait ein. Auch dieses Emirat hat sich treu erwiesen. Mit Abu Dhabi kam 2009 ein zweiter arabischer Investor dazu. Das größte der sieben Vereinigten Arabischen Emirate ist mittlerweile wieder ausgestiegen.

"Geld kennt keine Moral"

Minister der Vereinigten Arabischen Emirate beraten sich über einer Weltkarte aus Sand.

Minister der Vereinigten Arabischen Emirate beraten sich über einer Weltkarte aus Sand.

(Foto: REUTERS)

Nicht nur deutsche Autobauer stehen bei den Investoren vom Golf hoch im Kurs. Als die schwer gebeutelte Deutsche Bank im vergangenen Jahr um ihre Kapitalerhöhung bangte, waren wieder die Katarer zur Stelle. Auch Solarworld atmete auf, als der Nachbar Saudi-Arabiens in der Krise zur Stelle war und dem deutschen Solarhersteller ein erstaunliches Comeback ermöglichte.

Hochtief sprang das Emirat ebenfalls bei. Der Staatsfonds wurde in der Abwehrschlacht gegen die spanische ACS 2010 zum zweitgrößten Aktionär. Im Oktober zog der Investmentarm des Golfstaates nach nur fünf Jahren jedoch die Reißleine. Der Verkauf des 10-Prozent-Anteils brachte den Katarern gut eine halbe Milliarde Euro ein. Das Engagement von Etihad, der staatlichen Fluggesellschaft der Vereinigten Arabischen Emirate, bei Air Berlin ist ein weiteres prominentes Beispiel arabischer Beteiligungen. Die Umtriebigkeit wundert nicht. Nach Berechnungen des Sovereign Wealth Fund Institute verfügten allein die Staatsfonds von Abu Dhabi, Saudi-Arabien, Kuwait und Katar Ende 2014 über 2,3 Billionen Dollar. Geld, das sich vermehren soll und das heute überall in Aktien und Anleihen steckt.

Welche politischen Ziele die Staatsfonds verfolgen, wissen selbst Experten nicht. Verbindungen zum Islamischen Staat (IS) weisen alle Golfstaaten weit von sich. Aber ideologische Nähe zu Al Qaida oder dem IS lassen sich nicht von der Hand weisen. Klaus Nieding, Vizechef der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz, mahnt zur Vorsicht. Konzerne sollten genau hinsehen, mit wem sie Geschäfte machen: "Geld kennt keine Moral". Bislang seien mögliche Verstrickungen mit Islamismus und Terrorismus am Kapitalmarkt kein Thema. Es könne aber noch ein größeres Thema werden.

Ebbe in den Wüsten-Kassen

Angesichts der Milliardensummen, die im Westen zirkulieren, fallen die wertvollen Wirtschaftsbeziehungen als Druckmittel weg. Auch sonst sind die Verdrahtungen heikel. Die Golf-Staaten stehen heute selbst unter Druck. Wegen des niedrigen Ölpreises drohen die einst so flüssigen Öl-Staatsfonds auszutrocknen. Die klammen Regierungen müssen ihre Kassen plündern, um Haushaltslücken zu schließen. Das Vermögen des saudischen Staatsfonds Sama sank so im Oktober auf den niedrigsten Stand seit Ende 2012. Saudi-Arabien erzielt rund 90 ­Prozent seiner Einnahmen durch Ölexporte. Nach Berechnungen des Internationalen Währungsfonds (IWF) müssen die Saudis in diesem Jahr mit einem Haushaltsdefizit von mehr als 20 Prozent des Bruttoinlandsprodukts rechnen.

Bleibt der Ölpreis so niedrig und werfen die Staatsfonds weiterhin so wenig ab, besteht die Gefahr, dass die Fonds Beteiligungen in großem Stil abstoßen, um an Bargeld zu kommen. Der Prozess könnte in einem Teufelskreis münden. Der Kapitalmarkt hat bereits im September zu spüren bekommen, was passiert, wenn die Scheichs ihr Geld abziehen. Der saudi-arabische Staatsfonds holte sich mehr als 50 Milliarden Dollar von internationalen Fondsgesellschaften zurück. Die großen Geldanleger Fidelity, Goldman Sachs und Blackrock, die alle mit den Petrodollars kalkulieren, waren geschockt. Die Angst vor dem Bündnis mit dem Teufel sitzt im Nacken. Aber bislang ist die Angst, ohne ihn weiterzumachen, definitiv größer.

Quelle: ntv.de

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